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Hoffnung für die Hutfabrik
Neue Zürcher Zeitung

Ein Meisterwerk von Erich Mendelsohn

26. November 2001 - Jürgen Tietz
Für Erich Mendelsohns marode Hutfabrik Steinberg und Herrmann in Luckenwalde (Brandenburg) scheint jetzt Rettung in Sicht zu sein. Die Fabrik gilt als frühes expressionistisches Meisterwerk, doch seit rund zehn Jahren steht das Baudenkmal leer. Zerstörung und Verfall waren Tür und Tor geöffnet. Ein privater Textilunternehmer hat die Anlage nun erworben und plant dort die Einrichtung einer Textilsortiermaschine. Mit finanzieller Beteiligung des Brandenburgischen Landesamtes für Denkmalschutz und der Deutschen Stiftung Denkmalschutz soll das Denkmal zunächst winterfest gemacht werden, um weitere Schäden zu verhindern. Die Planungen für die Herrichtung des Fabrikareals stammen von dem Babelsberger Architekten Gerald Kühn von Kaehne und Eberhard Lange.

Zu Beginn der zwanziger Jahre hatte der damals noch weitgehend unbekannte Mendelsohn die streng symmetrisch komponierte Fabrikanlage mit einer Eisenbetonrahmenbinder-Konstruktion verwirklicht. Wichtigster Blickpunkt der Fabrik war die Färberei, die von einem markanten trapezoiden Hut bekrönt wurde. Er überragte die angrenzenden Hallen, denen Mendelsohn durch Ziegelbänder und kantige Formen eine dynamische Wirkung verlieh. Doch der Hut war nicht allein als architektonische Geste gedacht, sondern diente zugleich zur Entlüftung der in der Färberei aufsteigenden Dämpfe. 1934 wurde die Fabrik an die Norddeutsche Maschinenbau AG verkauft, die für Hermann Görings Luftwaffe produzierte. Im Kontext dieser Umnutzung verschwand auch der obere Teil des expressionistischen Hutes, während seine «Krempe» bis heute erhalten ist und das ursprüngliche Aussehen des mehrfach veränderten Baus zumindest erahnen lässt. Von 1957 bis zur Wende dienten die Hallen schliesslich zur Fabrikation von Wälzlagern. Eine Rekonstruktion des charakteristischen Hutes ist zunächst nicht vorgesehen.

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