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Geld oder Gedenken?
Neue Zürcher Zeitung

Ein Symposium zum World Trade Center

1. März 2002 - Sabine von Fischer
Während eines zweitägigen Symposiums befasste sich die Columbia University in New York unlängst mit den architektonischen Folgen des 11. Septembers. Unter der Leitung von Mary McLeod und Bernhard Tschumi und moderiert von Professoren der Universität, präsentierten 23 Wissenschafter sowie Vertreter von Medien und öffentlichen Organisationen ihre Standpunkte und Sichtweisen. Keiner der Teilnehmenden gab sich der Illusion hin, dass die Fragen um einen Wieder- oder Neuaufbau in einem universitären Rahmen beantwortet werden könnten. Dennoch drängte sich eine Diskussion sowohl bezüglich der Konsequenzen als auch bezüglich der Grenzen der Architektur auf. Im Anschluss an die zu den «globalen Auswirkungen» gehaltenen Vorträge sassen sich Benjamin Barber (University of Maryland), ein Repräsentant des World Economic Forum, und Saskia Sassen (University of Chicago), die direkt vom World Social Forum in Porto Alegre kam, gegenüber. Dabei drängten sich schnell architektonische Fragen auf, dies nicht zuletzt deswegen, weil bereits ein Masterplan für Ground Zero in Bearbeitung ist.

Die Tatsache, dass am Tag zuvor Marilyn Taylor, Partnerin im Büro Skidmore, Owings and Merrill (SOM), statt der Pläne für den Wiederaufbau des World Trade Center 7 und des Masterplans für das ganze Gebiet nur eine Reihe von Argumenten für baldiges Handeln präsentiert hatte, unterstrich nur die Wichtigkeit einer grundsätzlichen Debatte um das neue Bild der Stadt New York. Die Umweltwissenschafterin Cynthia Rosenzweig plädierte für ein Erscheinungsbild der Stadt, das auch die New York Bay mit ihrer Tier- und Pflanzenwelt mit einbezieht. Dass in den sechziger Jahren die Planung des World Trade Center auch eine Aufwertung des Hudson River versprach, scheint weit herum in Vergessenheit geraten zu sein.

Unter den verschiedenen Interessengruppen kam öfters die Frage auf, wer die Verantwortung für einen Neuaufbau übernehmen solle und ob sie wirklich privater Hand anvertraut werden könne. Bereits zuvor war publik geworden, dass der Immobilienmakler Larry Silverstein, der im vergangenen April das WTC zum Preis von 3,2 Milliarden Dollar für 99 Jahre von der Port Authority gepachtet hatte, SOM einen Studienauftrag erteilt hat. Die Pläne von SOM sollen zunächst von den Familien der Opfer, den Anwohnern und den übergeordneten Körperschaften (Port Authority, Stadt und Staat New York) befürwortet werden. In New York, wo es seit Robert Moses keine Planerpersönlichkeiten (geschweige denn eine Behörde, die ihrer Funktion nachzukommen vermag) mehr gab, wird das Bauen seit langem durch die Entscheidungen der Finanzwelt bestimmt. Nun steht die Stadt vor dem Problem, dass beim Neubau des World Trade Center die Beteiligung der Öffentlichkeit nicht umgangen werden kann. Die Strategie der Unternehmerseite sieht vor, dass einem baldmöglichst fertig gestellten neuen Hochhauskomplex in geraumer Zeit (laut Marilyn Taylor in 10 bis 20 Jahren) ein Mahnmal folgen könnte. Der Überbauungsplan der ersten Phase sieht denn auch vor, 2,5 der insgesamt 6,5 Hektaren von Ground Zero für die zukünftige Konzeption eines Mahnmals freizuhalten. Diese zeitliche und räumliche Trennung von Geld und Gedenken, von Hochhäusern und einem vorerst vage als Leerraum gedachten Mahnmal war ein stets wiederkehrendes Thema des Symposiums. Doch bereits jetzt ist downtown Manhattan zum Ort der Erinnerung an den 11. September geworden. Und vielleicht bleibt das ja auch so, gibt es doch manchen Ort der Zerstörung, der bis heute ohne Mahnmal geblieben ist.


Die Liste der Redner sowie die Aufnahmen der Vorträge und Diskussionen können unter www.arch.columbia.edu/gsap/17 eingesehen werden.

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Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung

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