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Licht formt den Beton
Neue Zürcher Zeitung

Massimiliano Fuksas' Kirchenprojekt für Foligno

8. März 2002 - Rahel Hartmann Schweizer
Italien sucht Anschluss an die internationale Architektur. Was dem Staat und der Stadt Rom recht ist - beide haben in den vergangenen Jahren mittels Wettbewerben Projekte für Musiksäle, Kongresshallen und Museen in der Kapitale erkoren -, ist auch der Kirche billig: Im Hinblick auf das «Giubileo 2000» wählte das römische Vikariat den US-Architekten Richard Meier für den Bau der «Chiesa del 2000». Während nun Meiers Kirche im Quartier Tor Tre Teste im unwirtlichen Osten Roms im Entstehen begriffen ist, forcieren die kirchlichen Auftraggeber die Auseinandersetzung mit religiöser Baukunst im ganzen Land. Im Jahr 1999 veranstalteten sie Wettbewerbe für die Diözesen von Mailand, Perugia und Lecce, im Jahr darauf für diejenigen von Bergamo, Porto Santa Rufina und Potenza und 2001 für Modena-Nonantola, Catanzaro und Foligno.

Die eingereichten Projekte sind so verschieden wie die Namen der Urheber illuster: Für Modena entwarf Paolo Portoghesi einen sechseckigen Baukörper, den er mit einem pyramidalen Glasdach überwölbte und an den er drei wiederum sechseckige Baukörper andockte. Guido Canella wählte ebenfalls Modena als Standort für seinen dreischiffigen Bau, der von einem Tonnendach überwölbt ist. Nicola di Battista projektierte für Foligno einen Würfel mit eingeschriebenem Kreis. Das kargste, aber überzeugendste Projekt reichte Massimiliano Fuksas ein. Aufsehen hatte Fuksas bereits 1985 mit dem Gymnasium in Paliano erregt, das mit seiner in Schräglage vor den Bau gestellten stilisierten Renaissancefassade die Postmoderne auf die Schippe nahm. Die Spannung zwischen alt und neu war auf ernsthaftere Weise wieder Thema im Architekturinstitut in Rouen (1990-92), einer Aufstockung eines ehemaligen Klosters.

In Fuksas' Werk ist Spannung ein zentraler Begriff. In der Universität Michel de Montaigne in Rouen (1993/94) war es die Tension zwischen verschiedenen Materialien, in den Studentenunterkünften in Herouville Saint-Clair (1992-95) das Aufeinandertreffen verschiedener Farben, im Projekt für das Centro Congressi in Roms Vorstadt EUR (1999) die Beziehung zwischen einer amorphen inneren Struktur und dem sie umhüllenden strengen Glaskubus. Im siegreichen Projekt für Foligno sind zwei kubische Baukörper ineinander gestellt, so dass im Hohlraum dazwischen ein Lichtraum entsteht. In die äussere Hülle aus Sichtbeton schneidet Fuksas Öffnungen in der Form unregelmässiger Vierecke. Das Licht, das dereinst durch sie auf den Altar, den Ambo und das Taufbecken gelenkt werden wird, dürfte dem Innenraum nicht nur eine stimmungsvolle Atmosphäre verleihen, sondern auch die skulpturale Qualität des Betons evozieren.

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