Award

wienwood 25
Holzbaupreis - proHolz Austria - Wien (A)
Jury: Arno Ritter, Markus Lackner, Sylvia Polleres, Astrid Staufer
Veranstalter: proHolz Austria
Preisverleihung: 18. September 2025

Aus dem Wald in die Welt

Diese Woche wurde zum vierten Mal der Wienwood-Preis für Holzbau-Architektur in der Hauptstadt verliehen. Die ausgezeichneten Bauten zeigen, dass sich das Material problemlos in die Stadt einfügt.

23. September 2025 - Maik Novotny
Die Michaelerwiese in Neuwaldegg ist ein Ort, an dem man zwar nicht den Wald vor lauter Bäumen nicht sieht, aber doch sehr viele Bäume und sehr viel Wald. Zwar befindet man sich hier auf Wiener Gebiet, doch alles Städtische ist weit weg. Hier hat Ernst Kainmüller, ein Bauphysiker mit energetischem Charakter, am ersten Lockdown-Tag im März 2020 ein Kleingartengrundstück erworben, um ein kleines Häuschen für seine vierköpfige Familie zu bauen. Ein sehr kleines: 35 Quadratmeter Grundfläche und fünf Meter Höhe erlaubt das Kleingartengesetz.

Heute ist das Haus fertig und gut eingewohnt. Wie eine Gartenhütte sieht es allerdings nicht aus. Vier Boxen mit Pultdächern, windmühlenartig angeordnet, im Inneren ein zweigeschoßiger Raum mit einer kreisrunden Öffnung in der Mitte, drei kleine Schlafkojen unter dem Dach. Entworfen hat es der Wiener Architekt Clemens Kirsch. Er nennt es Villa Minimale, ein perfekter Titel. Andrea Palladios doppelsymmetrische Villa Rotonda in Vicenza, transferiert ins Minimundus-Format, ohne Niedlichkeit oder postmoderne Karikatur. „Ziel war es, auf minimaler Fläche ein maximales Raumerlebnis zu schaffen“, erklärt Clemens Kirsch. Das funktioniert. Man glaubt dem Haus seine Kleinheit nicht, wenn man darin steht. „Der große Raum in der Mitte verkörpert den Gedanken des Zusammenlebens.“

Discofieber am Waldrand

Bei nur 50 Quadratmeter Nutzfläche für vier Personen freiwillig zusätzliche Quadratmeter für ein Loch zu opfern – dem würde nicht jeder Bauherr zustimmen. Kainmüller überzeugte die Idee sofort, auch wenn der Grund dafür im Wald-Wiese-Singvogel-Kontext ungewöhnlich wirken mag. „Mich hat es sofort an die Lieblingsdisco meiner Jugend erinnert“, sagt er. „Dort konnte man von oben auf den Dancefloor schauen, das war super.“

Die Kombination von Kleingartenhaus als Sonderfall und Bauphysiker als Bauherr erlaubte es, sich konstruktiv von manchen mühsamen Einschränkungen zu befreien. So sind die Wände aus tragenden Holzelementen nur 20 Zentimeter dick. Das sorgt für elegante Proportionen und lässt mehr Innenraum übrig als eine Massivbauwand im Styroporpullover.

„Das Haus soll selbstverständlich, angenehm, robust und alltagstauglich sein“, sagt Architekt Kirsch. „Das Material Holz ergab sich logisch aus mehreren Gründen: Es ist ideal bei Baustellenlogistik und Transportierbarkeit, es trägt und dämmt zugleich, und es ermöglich dünne Wandaufbauten.“ Außen kam grau lasiertes Lärchenholz zum Einsatz, innen Seekiefer. Angenehme Oberflächen, die in Würde altern.

Kirsch und Kainmüller haben schon beim 2015 eröffneten städtischen Kindergarten Schukowitzgasse zusammengearbeitet, der ebenfalls Holzbau mit räumlicher Großzügigkeit kombiniert. Dafür wurde er damals mit dem Wienwood-Preis ausgezeichnet. Jetzt dürfen die beiden wieder jubeln: Die Villa Minimale ist einer der fünf Preisträger beim Wienwood 25, der vorgestern, Donnerstag, verliehen wurde.

Seit 20 Jahren gibt es diesen Award, der von Proholz Österreich in Kooperation mit der Stadt Wien und mit Unterstützung der Wiener Städtischen Versicherung ausgelobt wird. In dieser Zeit hat sich viel getan. Dank Green New Deal und EU-Taxonomie ist der Holzbau selbst in der kalten Developer-Welt ein Asset geworden, Österreichs Expertise ist weltweit gefragt. Auch landesintern ist die Holzbaukultur, früher eine USP des Bregenzerwalds, weit in den Osten vorgedrungen. Vorurteile gegen den vermeintlich bäuerlichen Baustoff hört man auch in Wien nur noch selten. Vor allem bei Bildungsbauten ist das behagliche Material atmosphärisch und pädagogisch willkommen.

Ein Beispiel dafür ist die ebenfalls mit dem Wienwood 25 ausgezeichnete Erweiterung der Rudolf-Steiner-Schule in Wien-Mauer (DTFLR Dietrich Untertrifaller Architektur und Andreas Breuss). Das zu klein gewordene Herrenhaus wurde zur Hälfte rückgebaut und wuchs gartenseitig um neue Klassenräume und eine Turnhalle auf ein Vielfaches an. Ein bergendes Dach fasst Alt und Neu zusammen, darunter begegnen sich Lehmwände und ausgefuchste Holzkonstruktion und schaffen zusammen – ganz unesoterisch – helle, freundliche Räume. Eine Kombination, die auch die Wienwood-Jury (Arno Ritter, Markus Lackner, Sylvia Polleres, Astrid Staufer) honorierte, die alle auf die Shortlist gewählten Bauten persönlich unter die Lupe nahm: „Vermehrt konnten wir erkennen, dass Holz auch in Kombination mit Lehm oder anderen alternativen Materialien verwendet wird.“

Dezent statt rustikal

Nicht nur trockene Turnhallen, auch feuchte Schwimmbäder werden mit Holz überspannt, etwa die Trainingsschwimmhalle Großfeldsiedlung (illiz Architektur), eine weitere Preisträgerin. Dabei drängt sich das Material nicht rustikal in den Vordergrund, auch die Fassade aus Holzlatten ist von ruhiger Dezenz. Hier kam das Holz nicht für einen Neubau zum Einsatz, sondern für die Sanierung mehrerer baugleicher städtischer Bäder aus den 1980er-Jahren als Teil der Bäderstrategie der Stadt Wien. Die Jury lobte die Vorbildfunktion der öffentlichen Hand: „Diese Art der Transformation kann weiter Schule machen.“

Der Geschoßwohnbau tut sich aufgrund der Baukosten und der traditionell mineralisch konditionierten Bauindustrie noch etwas schwer mit dem nachwachsenden Baustoff aus dem Wald (das ambitionierte Wohnbaumprogramm der Stadt Wien laboriert daran), doch auch hier sprießt es immer öfter. Das vierte Preisträgerprojekt, das den vielsagenden Namen Woody-M trägt, setzten Bauträger Palmers Immobilien und Freimüller Söllinger Architekten mit 85 Wohnungen im Lärchenholzgewand ins baukulturell bislang eher dürre Zentral-Meidling. Auch die Brandschutzvorschriften sind, wie man hier sieht, inzwischen kein großes Hindernis mehr.

Einen Sonderpreis gab es für das kollektive Wohngewerbeprojekt SchloR (Schöner leben ohne Rendite) von Gabu Heindl, welches eine weitere Seite des Materials in Spiel bringt: seine leichte Handhabbarkeit, die auch Laien zu Konstrukteuren werden lässt. Selbstbau als Empowerment. Zwar wird Wien, wie selbst Holzbaufanatiker zugeben, auch in weiteren 20 Jahren nicht komplett aus Wood bestehen, aber eine Bereicherung der Stadtlandschaft ist es heute schon.

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