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Andrea Kessler und Peter Kneidinger von den materialnomaden sind Pioniere der Wiederverwendung von Bauteilen. Im Mittelpunkt ihres Interesses steht stets die Optimierung von Lebenszyklen von Objekten, Bauteilen und Materialien. Ihre Hauptaufgabe besteht darin, diese wertvollen Ressourcen in bestehenden Bauten zu ernten und neue Anwendungen dafür zu suchen.
Ihnen geht es dabei nicht nur um den Kreislaufgedanken, sondern auch um die Bewahrung der Identität. In Oberösterreich erproben sie gerade an einem konkreten Bauvorhaben, wie die Wiederverwendung bei Sanierung und Neubau ökonomisch und ökologisch am besten funktionieren kann, damit die Kreislaufwirtschaft auch bei größeren Bauvorhaben zur Normalität wird.
Andrea Kessler und Peter Kneidinger von den materialnomaden erzählen im Gespräch, wie sie den Rückbau und die Weiterverwendung von Bauteilen effizienter gestalten wollen und wie mithilfe des parametrischen Designs eine neue Architekturästhetik entsteht. Das Gespräch ist in voller Länge im Podcast Morgenbau anzuhören.
HarvestMAP ist die erste Firma, die wir gegründet haben. Es ist eine Genossenschaft zur Vermittlung von Re:Use-Bauteilen. Die Firma Bauteiler ist unsere Umsetzungsfirma, die prototypisch Projektumsetzung macht. Und aus einem gemeinsamen Projekt dieser beiden Unternehmen ist dann die Dachmarke, die Firma materialnomaden, entstanden, die spezifische Fachplanung sowie Produkt- und Projektentwicklung betreibt.
Das, was viele Menschen als Müll bezeichnen, ist überhaupt kein Müll. Dabei helfen uns die neuen Technologien, die Kreisläufe wieder zu schließen. Die Prozesse der Wiederverwendung beginnen am Lebensende eines Gebäudes und gehen über in einen Planungsprozess und dann in den Bauprozess. Wir werden beauftragt, Bauteilkataloge zu erstellen. Das läuft parallel zu einer Schad- und Störstofferkundung, die ab einem gewissen Volumen notwendig ist, wenn man Gebäude umbauen möchte. Wir erkunden die Potenziale der Produkte und Materialien, die verbaut wurden. Das hilft dem Eigentümer, sein Gebäude kennenzulernen und zu wissen, was er mit dem Gebäude machen kann. Idealerweise bleibt der Bestand oder zumindest die Struktur eines Gebäudes stehen. Hier haben wir am meisten Potenzial, CO2-Emissionen einzusparen. Wir loten dann aus, welche Bauteile und Materialien gut in einem nächsten Lebenszyklus weiterverwendet werden können, und fassen diese Informationen in einer Datenbank zusammen.
Unsere vierte Firma ist die circular house gmbh, eine Entwicklungs-GmbH. Mit dieser sanieren wir gerade Haus Lena, ein Einfamilienhaus, und verdichten diesen Standort um zwei neue Wohneinheiten. Das Ziel dieses Projekts ist es, Methoden zu entwickeln, die vervielfältigbar sind. Die Lebensdauern von Gebäuden und ihren Bauteilen sind sehr unterschiedlich. Wir müssen die Produkte kennenlernen, um sie weiterzuverwenden. Wir erschließen uns hier vor allem beim Rückbau Bautechnologien, Verbindungen, Bauweisen. Das ist wichtig, um etwas Neues zu entwickeln. Diese Verbindung aus Alt und Neu, Geschichte und Zukunft ist für uns ein wesentliches Antriebsmoment. Die transdisziplinäre Arbeit mit den vielen unterschiedlichen Materialien, den vielen Gewerken ist das, was uns jeden Tag bei der Arbeit bereichert.
Idealerweise bleibt der Bestand oder zumindest die Tragstruktur eines Gebäudes bestehen – dadurch können wir die meisten CO2-Emissionen einsparen. Die Bauteile und Bauelemente können gut in einer neuen Anwendung weitere Jahrzehnte funktionieren. Wir entwickeln Methoden, wie wir Bauteile, die uns zu dem Zeitpunkt zur Verfügung stehen, neu einsetzen können. Die ökologische, die ökonomische und die soziale Frage bilden genau das Dreieck, das unserer Meinung nach ein wesentlicher Bestandteil für unsere Zukunft ist. Auch das, was wir tun, muss ökonomisch sein.
Wir müssen nicht erkennen, dass etwas wiederverwendet wurde, sondern das muss einfach zum neuen Normal werden. Wir wollen weg von dieser Collagenästhetik, auch in der Ästhetik in eine höhere Wertigkeit kommen. Es geht nicht mehr um die Frage, ob etwas wiederverwendet wird, sondern das ist einfach das Material, mit dem wir arbeiten und mit dem wir schöne Gebäude umbauen und errichten.“
Die Architektin Andrea Kessler und der Bauingenieur Peter Kneidinger gründeten 2019 das Unternehmen materialnomaden, das sich auf Re:Use und Circular Design spezialisiert hat.
Im Zentrum ihrer Arbeit steht die Optimierung der Lebenszyklen von Objekten, Bauteilen und Materialien – stets mit dem Ziel, eine zukunftsfähige Kreislaufwirtschaft zu fördern. Als Planer:innen für Re:Use begleiten sie Projekte in unterschiedlichsten Maßstäben: von klein bis groß, von der Konzeption bis zur Umsetzung.
Zur Stärkung und Verankerung der Kreislaufwirtschaft in der Baubranche engagieren sich die materialnomaden auch in der Lehre – etwa bei BASEhabitat der Kunstuniversität Linz, der Technischen Universität Wien und der Akademie der bildenden Künste Wien.