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Marc Matzken – Den Kreislauf schließen
Marc Matzken – Den Kreislauf schließen, Foto: Anne Isopp

Marc Matzken ist Architekt in Münster. Hier führt er gemeinsam mit Heiko Kampherbeek das Büro heimspiel architekten. In Korbach, einer nordhessischen Stadt, errichteten sie einen neuen Anbau an das historische Rathaus. Dafür wurde der bestehende Anbau abgebrochen, ortsnah recycelt und zu zwei Dritteln im Neubau wieder verwendet. Es ist ein Pionierbau des Urban-Mining-Prinzips. Wie es dazu kam und was er aus dem Projekt gelernt hat, darüber spricht Marc Matzken mit Anne Isopp.

22. November 2022 - Anne Isopp
„Korbach hat eine sehr kompakte Altstadt mit tollen Fachwerkbauten. Das mittelalterliche Rathaus steht an einem sehr hohen Punkt in der Stadt und hat einen markanten Treppengiebel. Es gab einen Anbau aus den 1970er Jahren, der das Ortsbild sehr störte. Wir gewannen den Wettbewerb für einen neuen Anbau an das Rathaus in Arbeitsgemeinschaft mit Christian Thomann von der agn Gruppe. Dabei orientierten wir uns am historischen Teil des Rathauses. Aus einem giebelständigen Gebäude am Platz wurde ein Gebäudekomplex mit drei Giebeln, was eine signifikante Silhouette entstehen ließ. Rückwärtig gibt es noch ein neues Langhaus als flankierendes Gebäude.
Der bestehende Anbau wurde abgerissen und zum Teil wieder im Neubau verbaut. Ursprünglich war das Thema Wiederverwendung der vorhandenen Ressource nicht Bestandteil der Auslobung gewesen. Wir gewannen mit einem Sichtbetongebäude. Doch als klar war, dass die vorhandene Ressource Beton in den Neubau einfließen sollte, überarbeiteten wir die Details unseres Entwurfs noch einmal unter folgenden Aspekten: Was steht uns als Baumaterial zur Verfügung? Wie müssen wir den Neubau planen, damit er auch wieder rückbaufähig ist?

Der Bestand wurde selektiv zurückgebaut, Decken wurden geöffnet, Verkleidungen entfernt, um die Qualitäten des Vorhandenen zu bewerten, die vorhandenen Massen herauszuziehen und zu schauen, in welche Bauteile sie wieder eingebracht werden können. So konnten zwei Drittel des Betons aus dem Altbau in den Neubau überführt werden: in die Bodenplatte, in die tragenden Bauteile und in die Sichtbetonfassade.

Wir hatten Glück, weil hier die richtigen Akteure zusammenkamen. Stefan Bublak, Fachbereichsleiter Bauen und Umwelt der Stadt Korbach, formulierte den Wunsch, den Vorgängerbau als Ressource zu nutzen. Anja Rosen, Honorarprofessorin an der Hochschule in Wuppertal, begleitete das Bauvorhaben wissenschaftlich. Sie hat sich viel mit dem Recycling von Baustoffen beschäftigt und ein Planungs-Tool, den Urban Mining Index, erstellt.

Heute würden wir die Bauaufgabe von vor fünf Jahren vielleicht anders begreifen. Auf das erdberührende Bauteil, das Sockelgeschoss, würden wir vielleicht einen Hybrid- oder Holzbau setzen. So machen wir es gerade bei einem anderen Rathaus. Das ist ein Prozess, der uns im Büro begleitet und der ja auch das Spannende an der heutigen Zeit ist. Genau wie die Gesellschaft dazulernt, lernen auch wir dazu.“

Marc Matzken ist Architekt in Münster. Hier führt er gemeinsam mit Heiko Kampherbeek das Büro heimspiel architekten. In Arbeitsgemeinschaft mit der agn Gruppe gewannen sie den Wettbewerb für den Rathausneubau in Korbach. Der Anbau an den historischen Bestand ist ein Pionierbau des Urban-Mining-Prinzips. Erstmals versuchte man hier in Deutschland, den Materialkreislauf zu schließen. Das Rathaus ist für den Deutschen Nachhaltigkeitspreis Architektur nominiert.
»nextroom fragt« Architekt:innen, Bauherr:innen und Expert:innen. Die Gesprächsreihe zum nachhaltigen Bauen wird konzipiert und betreut von Anne Isopp. Im Gespräch werden unterschiedliche Dimensionen des nachhaltigen Bauens eingefangen, auf konkrete Bauten Bezug genommen und individuelle Sichtweisen abgefragt. Einige der Gespräche sind als Podcast auf morgenbau.at zu hören.

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