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Anne Niemann – Einfach umbauen
Anne Niemann – Einfach umbauen, Foto: Bundesttiftung Baukultur

Anne Niemann forscht und lehrt im Bereich des Holzbaus und des energieeffizienten Planens und Bauens. Sie ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Entwerfen und Konstruieren an der TU München und hat seit Oktober eine Vertretungsprofessur an der Hochschule Augsburg inne. Sie ist Projektleiterin von wegweisenden Forschungsvorhaben wie „Einfach bauen“. Mit den von Florian Nagler errichteten Häusern in Bad Aibling wurden die Forschungsergebnisse in die Praxis übertragen. Anne Niemann erzählt, wie Theorie und Praxis sich zueinander verhalten und warum das Bauen anders bepreist werden muss. Das Statement holte Anne Isopp ein.

6. Dezember 2022 - Anne Isopp
„Ich war bereits an mehreren Forschungen beteiligt, zuletzt an den drei Forschungsvorhaben ‚Einfach bauen‘ mit dem Fokus: Wie kann man besser, einfacher und nachhaltiger bauen? Der Begriff der Nachhaltigkeit ist ja überstrapaziert. Ich persönlich verstehe darunter ein kluges, angemessenes Bauen, das unsere Ressourcen schont und sich am Menschen orientiert. Oft werden auf Grundlage von Zahlen falsche Entscheidungen getroffen, ohne darüber nachzudenken, was sie für die Umwelt und vor allem für den Menschen bedeuten.

Wir machen die Erfahrung, dass sich die Vorzeichen gewaltig ändern, sobald man in die Realität geht, auf einen konkreten Bauplatz mit echten Menschen. Dann spielen die Nachkommastellen in den Berechnungen keine Rolle mehr. Ich führe gerade Befragungen in den drei Forschungshäusern in Bad Aibling durch. Wir messen die Übertemperaturgradstunden und den benötigten Heizenergiebedarf und befragen zeitgleich die BewohnerInnen. Wir wollen sehen, ob die Messwerte mit dem Wohlbefinden übereinstimmen, und stellen fest, dass der Nutzereinfluss enorm ist. Man kann die Häuser so gut dämmen, wie man möchte, wenn die NutzerInnen das Fenster offenstehen lassen, dann bringt das alles nichts.

Mit den drei Häusern in Bad Aibling haben wir unsere Forschung in die Realität gebracht. Das waren Neubauten. Im nächsten Schritt werden wir uns um den Bestand kümmern. Das Forschungsprojekt nennt sich ‚Einfach umbauen‘, und da geht es um kluge, robuste Sanierungskonzepte.

In der Lehre stelle ich fest, dass die Studierenden ein großes Interesse an Themen der Nachhaltigkeit haben. Die AbsolventInnen aber sind ernüchtert, wie wenig das Thema in der Praxis eine Rolle spielt. Wir predigen hier Holzbau, Lehmbau und Suffizienz, im Büro müssen sie dann aber Bauten mit Wärmeverbundsystem und Stahlbeton zeichnen.

Es muss sich also auf vielen Ebenen etwas ändern. Dazu gehört auch eine ordentliche Ausbildung und Weiterbildung. Von der Politik müssen andere Anreize kommen. Die Bauweisen, die in der Errichtung billig sind, sind es ja langfristig gesehen nicht. Das muss man anders bepreisen. Dann haben die ökologischen Bauweisen auch wirtschaftliche Chancen.“

Anne Niemann studierte Architektur in München und Madrid. Sie ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Entwerfen und Konstruieren der TU München. Hier ist sie Projektleiterin der drei Forschungsvorhaben „Einfach bauen“. Seit diesem Herbst hat sie eine Vertretungsprofessur an der Hochschule Augsburg in dem Studiengang Energieeffizientes Planen und Bauen inne.
»nextroom fragt« Architekt:innen, Bauherr:innen und Expert:innen. Die Gesprächsreihe zum nachhaltigen Bauen wird konzipiert und betreut von Anne Isopp. Im Gespräch werden unterschiedliche Dimensionen des nachhaltigen Bauens eingefangen, auf konkrete Bauten Bezug genommen und individuelle Sichtweisen abgefragt. Einige der Gespräche sind als Podcast auf morgenbau.at zu hören.

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