Artikel
Eine Agentur für ein besseres Leben

Am Freitag wird die Architektur-Biennale in Venedig eröffnet. Österreich nutzt den Event, um die Wohnpolitik von Wien und Rom miteinander zu vergleichen.
8. Mai 2025 - Wojciech Czaja
Eine Rakete aus Holz und Metall, mit offenen Waschmaschinen-Bullaugen als Fenstern, als Spitze ein rotierender Kaminaufsatz, ein sogenannter Fumaiolo. Das 2012 gebaute Fernverkehrsmittel in der Via Prenestina 913 am östlichen Stadtrand von Rom ist ein zynisches Symbol, eine irrwitzige Einladung an all jene, die sich aufgrund der zunehmenden Wohnungsnot und der dramatisch davongaloppierenden Grundstückskosten auf der Erde keine Wohnung mehr leisten können. Es gibt Lösungen anderswo.
Die Kunstinstallation in der 1978 stillgelegten Wurstfabrik Fiorucci ist kein Zufall. 2003 wurde das Gelände verkauft, mit der Absicht, hier einen lukrativen Neubau zu realisieren. Nachdem die Planungen des Investors Webuild Group jedoch jahrelang auf eine Baugenehmigung warten mussten, wurde die ehemalige Fabrik 2009 von Menschen in prekären Lebenssituationen besetzt – darunter Roma, Sinti sowie Migranten aus dem Sudan, dem Maghreb und Lateinamerika.
Das Bottom-up-Wohnprojekt „Metropoliz“, das heute rund 200 Bewohnern und Aktivistinnen ein Dach über dem Kopf bietet, ist eines von vielen Best-Practice-Beispielen, die man im Österreich-Pavillon in den Gardini studieren kann.
Enorme Wohnungsnot
„Die Wohnsituation in Rom ist mit jener in Wien kaum vergleichbar“, sagt Michael Obrist, der den Pavillon gemeinsam mit Sabine Pollak und Lorenzo Romito kuratiert hat. „Hier eine enorme Wohnungsnot, die die Stadt kaum im Griff hat und die dazu geführt hat, dass sich nun Interessengruppen formieren, um leerstehende Häuser zu besetzen und in Eigenregie Wohnrechte zu erkämpfen, dort eine Stadt, die mit 220.000 verwalteten Mietwohnungen der größte Wohnungsgeber Europas ist und die weltweit als leistbares Idealmodell zitiert wird. Und doch haben wir es gewagt, Wien und Rom miteinander zu vergleichen.“
Agency for a Better Living nennt sich der diesjährige Beitrag auf der Architektur-Biennale in Venedig, die am Freitag ihre Pforten öffnet. Zur offiziellen Eröffnung des Österreich-Pavillons werden neben dem Kuratorenteam auch der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig sowie Wohn-, Kunst- und Kulturminister Andreas Babler anreisen. Und beide dürften sich darüber freuen, dass im direkten Vergleich Wien mit seiner strukturellen Top-down-Planung und seinen günstigen Gemeinde- und geförderten Bauträgerwohnungen die Nase vorn hat.
„Das stimmt so nicht unbedingt“, meint Sabine Pollak. „Denn obwohl die Wiener Wohnpolitik vieles richtig macht, gibt es auch hier viele Probleme, die bis heute nicht gelöst sind. Die Anforderungen an das Bauen sind enorm, die Prozesse dauern ewig lange, viele Innovationen werden verhindert. Gute Architektur ist ein Kampf geworden. In diesen Punkten kann Wien durchaus von Rom lernen. Ganz abgesehen davon, dass Wien auch etwas mehr römische Zivilcourage vertragen könnte.“
Filme und Ausstellungen
Der österreichische Pavillon mit seinen zwei Filmen und zwei getrennten Ausstellungswelten zählt ohne jeden Zweifel zu den substanzvollsten Länderpavillons in der Lagunenstadt. Und zu den wenigen Beiträgen, die sich ernsthaft mit Stadt, Architektur und Lebensräumen beschäftigen.
Und doch handelt es sich – ein österreichisches Dauerphänomen, mit Ausnahme des aktivistischen Beitrags 2023 von Hermann Czech und dem mittlerweile aufgelösten Architekturkollektiv AKT – um eine klassisch formatierte Ausstellung mit Fotos, Grafiken und Erläuterungstexten, für die man auf dieser venezianischen Tour de Force mit Steinchen in den Sportschuhen viel Zeit und Energie mitbringen muss. Etwas weniger Pluralismus und etwas mehr sinnliche Unmittelbarkeit hätten einem so nahen, intimen Thema wie Wohnen sicher gutgetan.
Viele andere Länder haben sich vom sperrigen und viel zu umfassenden Generalmotto des diesjährigen Biennale-Kurators Carlo Ratti – „Intelligens. Natural. Artificial. Collective“ – allzu sehr in die Versuchung und Verwirrung führen lassen. Die einen setzen auf die Karte „Back to the roots“ und verrennen sich in vorzeitlich anmutenden Holz- und Lehmskulpturen, die aussehen, als wären hier eben noch die Ewoks am Werk gewesen, die anderen sehen in neuen Technologien wie 3D-Druck, Robotik und Künstlicher Intelligenz die Lösung aller klimatischen und globalpolitischen Probleme. Mit Architektur hat das alles hier nicht viel zu tun. Die unfassbare Polarität dieser Biennale ist wie ein Abbild der Welt, in der wir gerade leben.
Klima und Städte
Deutschland, Belgien, Kosovo, Bahrain und die Vereinigten Arabischen Emirate beschäftigen sich mit den steigenden Temperaturen in unseren Städten und legen mal konstruktive, mal eher beängstigende Lösungen zum urbanen Überleben und zur nationalen Nahrungsmittelsicherheit vor.
Polen und Lettland präsentieren sich als Emergency-Labore und stellen sich die Frage, welche Auswirkungen drohende Kriege auf die gebaute Umwelt haben.
Und die USA analysieren in ihrem Beitrag Porch. An Architecture of Generosity in einem Spagat aus Zynismus und politischer Unterwerfung die gute, alte Veranda als bautypologisches Element und zelebrieren ihr Willkommenskultur. So als gäbe es die Trump’sche Gegenwart gar nicht.
Die Kunstinstallation in der 1978 stillgelegten Wurstfabrik Fiorucci ist kein Zufall. 2003 wurde das Gelände verkauft, mit der Absicht, hier einen lukrativen Neubau zu realisieren. Nachdem die Planungen des Investors Webuild Group jedoch jahrelang auf eine Baugenehmigung warten mussten, wurde die ehemalige Fabrik 2009 von Menschen in prekären Lebenssituationen besetzt – darunter Roma, Sinti sowie Migranten aus dem Sudan, dem Maghreb und Lateinamerika.
Das Bottom-up-Wohnprojekt „Metropoliz“, das heute rund 200 Bewohnern und Aktivistinnen ein Dach über dem Kopf bietet, ist eines von vielen Best-Practice-Beispielen, die man im Österreich-Pavillon in den Gardini studieren kann.
Enorme Wohnungsnot
„Die Wohnsituation in Rom ist mit jener in Wien kaum vergleichbar“, sagt Michael Obrist, der den Pavillon gemeinsam mit Sabine Pollak und Lorenzo Romito kuratiert hat. „Hier eine enorme Wohnungsnot, die die Stadt kaum im Griff hat und die dazu geführt hat, dass sich nun Interessengruppen formieren, um leerstehende Häuser zu besetzen und in Eigenregie Wohnrechte zu erkämpfen, dort eine Stadt, die mit 220.000 verwalteten Mietwohnungen der größte Wohnungsgeber Europas ist und die weltweit als leistbares Idealmodell zitiert wird. Und doch haben wir es gewagt, Wien und Rom miteinander zu vergleichen.“
Agency for a Better Living nennt sich der diesjährige Beitrag auf der Architektur-Biennale in Venedig, die am Freitag ihre Pforten öffnet. Zur offiziellen Eröffnung des Österreich-Pavillons werden neben dem Kuratorenteam auch der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig sowie Wohn-, Kunst- und Kulturminister Andreas Babler anreisen. Und beide dürften sich darüber freuen, dass im direkten Vergleich Wien mit seiner strukturellen Top-down-Planung und seinen günstigen Gemeinde- und geförderten Bauträgerwohnungen die Nase vorn hat.
„Das stimmt so nicht unbedingt“, meint Sabine Pollak. „Denn obwohl die Wiener Wohnpolitik vieles richtig macht, gibt es auch hier viele Probleme, die bis heute nicht gelöst sind. Die Anforderungen an das Bauen sind enorm, die Prozesse dauern ewig lange, viele Innovationen werden verhindert. Gute Architektur ist ein Kampf geworden. In diesen Punkten kann Wien durchaus von Rom lernen. Ganz abgesehen davon, dass Wien auch etwas mehr römische Zivilcourage vertragen könnte.“
Filme und Ausstellungen
Der österreichische Pavillon mit seinen zwei Filmen und zwei getrennten Ausstellungswelten zählt ohne jeden Zweifel zu den substanzvollsten Länderpavillons in der Lagunenstadt. Und zu den wenigen Beiträgen, die sich ernsthaft mit Stadt, Architektur und Lebensräumen beschäftigen.
Und doch handelt es sich – ein österreichisches Dauerphänomen, mit Ausnahme des aktivistischen Beitrags 2023 von Hermann Czech und dem mittlerweile aufgelösten Architekturkollektiv AKT – um eine klassisch formatierte Ausstellung mit Fotos, Grafiken und Erläuterungstexten, für die man auf dieser venezianischen Tour de Force mit Steinchen in den Sportschuhen viel Zeit und Energie mitbringen muss. Etwas weniger Pluralismus und etwas mehr sinnliche Unmittelbarkeit hätten einem so nahen, intimen Thema wie Wohnen sicher gutgetan.
Viele andere Länder haben sich vom sperrigen und viel zu umfassenden Generalmotto des diesjährigen Biennale-Kurators Carlo Ratti – „Intelligens. Natural. Artificial. Collective“ – allzu sehr in die Versuchung und Verwirrung führen lassen. Die einen setzen auf die Karte „Back to the roots“ und verrennen sich in vorzeitlich anmutenden Holz- und Lehmskulpturen, die aussehen, als wären hier eben noch die Ewoks am Werk gewesen, die anderen sehen in neuen Technologien wie 3D-Druck, Robotik und Künstlicher Intelligenz die Lösung aller klimatischen und globalpolitischen Probleme. Mit Architektur hat das alles hier nicht viel zu tun. Die unfassbare Polarität dieser Biennale ist wie ein Abbild der Welt, in der wir gerade leben.
Klima und Städte
Deutschland, Belgien, Kosovo, Bahrain und die Vereinigten Arabischen Emirate beschäftigen sich mit den steigenden Temperaturen in unseren Städten und legen mal konstruktive, mal eher beängstigende Lösungen zum urbanen Überleben und zur nationalen Nahrungsmittelsicherheit vor.
Polen und Lettland präsentieren sich als Emergency-Labore und stellen sich die Frage, welche Auswirkungen drohende Kriege auf die gebaute Umwelt haben.
Und die USA analysieren in ihrem Beitrag Porch. An Architecture of Generosity in einem Spagat aus Zynismus und politischer Unterwerfung die gute, alte Veranda als bautypologisches Element und zelebrieren ihr Willkommenskultur. So als gäbe es die Trump’sche Gegenwart gar nicht.
Für den Beitrag verantwortlich: Der Standard
Ansprechpartner:in für diese Seite: nextroom