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Auf dem Land
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Umnutzung zweier Agrarnutzbauten auf der Isle of Wight (UK)

Zwei landwirtschaftliche Nutzgebäude auf der Isle of Wight wurden in ein Wohn- und Künstlerrefugium verwandelt. Die enge Zusammenarbeit von Mitbauherr Joseph Kohlmaier und Gianni Botsford Architects bei der Planung hat eine Architektur hervorgebracht, die im Grunde asketisch ist, und dennoch mit einer Vielzahl unterschiedlicher Stimmungen besticht.

2. Mai 2025 - Jay Merrick
Das Old Byre, zwei ehemalige landwirtschaftliche Nutzgebäude, befindet sich auf der Isle of Wight. Die Umgebung ist ambivalent – weder wirklich ländlich noch vorstädtisch oder gar städtisch. Die stark befahrene Straße, die die Städte Cowes und Newport verbindet, sowie ein Lebensmitteldiscounter und einige Gewerbebetriebe, befinden sich nur 300 m westlich; ansonsten ist das Old Byre von landwirtschaftlich genutzten Wiesen umgeben.

Eine andere Art von Ambivalenz zeigt sich in der Umgestaltung der beiden Nutzbauten zu zwei Ateliers mit angegliederten Schlafräumen und einem großen gemeinschaftlichen Wohn- und Essbereich durch den Architekten Gianni Botsford und Miteigentümer Joseph Kohlmaier. Die Architektur ist vielgestaltig: Sie wirkt im ersten Moment völlig simpel und im nächsten dann unerwartet subtil.

Eines der beiden eingeschossigen Gebäude war eine Lagerhalle mit einer Stahlrahmenkonstruktion aus den 1960er Jahren, das andere entstand im 19. Jahrhundert mit tragenden Ziegelwänden und ist L-förmig organisiert. Letzteres beherbergt mittlerweile u. a. Kohlmaiers Bibliothek. Beim Besuch des Autors holt er einige zufällig ausgewählte Bücher hervor. Der Titel eines Buchs passt bestens zum Umbauprojekt: »Homes for Today and Tomorrow«, eine Veröffentlichung der britischen Regierung von 1961.

Kohlmaier, Designer, Architekturhistoriker und Chorleiter, lebte in einem anderen Haus auf der Isle of Wight, als er auf eine Online-Anzeige zum Verkauf von The Byre aufmerksam wurde: »Und als ich das sah, fuhr ich sofort von meinem Haus in Ventnor hierher.«

Das L-förmige Stallgebäude war ein Chaos aus Schlamm, kaputten Toren, Stallgattern und landwirtschaftlichem Abfall. Das zweite Gebäude, eine 3,5 m hohe Lagerhalle, öffnete sich zum kleinen Hof zwischen beiden Gebäuden. Dessen rauer, rissiger Betonbelag fiel gleich ins Auge. Die fensterlose Ziegelwand des bewohnten benachbarten Bauernhauses aus dem 18. Jahrhundert bildete die vierte Seite des Hofs. »Im Stallgebäude gab es eine Schiebetür, durch die das Vieh hereinkam«, erinnert sich Kohlmaier, »… ich schaute in den Hof und sah all diesen Mist. Und an einer Seite des anderen Baus waren Polycarbonatplatten angebracht. Aber ich habe mich zu Hause gefühlt. Es war wie ein Tempel. Ich schaute in den Himmel. Und ich dachte: Hier haben Tiere gelebt. Jetzt werden hier Menschen leben. Wie würde es sein, hier zu leben?«

Dies scheint der entscheidende Moment gewesen zu sein, der emotionale und konzeptionelle Ausgangspunkt des Projekts: Kohlmaier blickt auf ländliches Chaos, hat aber eine sofortige Wahrnehmung von »Zuhause« – einen Drang zum Wiederaufbau, zur Wiederbesiedlung, sogar zur Berufung auf Martin Heideggers (1889-1976) Ausspruch »Bauen ist bereits Wohnen.« Kohlmaiers Reaktion erinnert auch an einen Essay des rumänischen Archäologen Catalin Pavel, der einer Idee des deutschen Soziologen und Philosophen Georg Simmel (1858-1918) nachgeht, und zwar jene, wonach bewohnte Ruinen das Spannungsverhältnis zwischen »dem Noch-Nicht und dem Nicht-Mehr« verringern.

Witterung und rauer Beton

Kohlmaier und ein Freund, der Ökonom und Kunstsammler Simon Bishop, kauften die beiden Nutzbauten, und Kohlmaier wählte Gianni Botsford als Architekten, um sie wiederzubeleben. Eine wichtige frühe Entscheidung war, die Lagerhalle aus den 1960er Jahren nicht mit dem Stallgebäude zu verbinden. Kohlmaier wünschte sich ausdrücklich, dass sich die Gäste zwischen den beiden Gebäuden im Freien bewegen können, sodass sie – vielleicht wie die nicht mehr anwesenden Kühe – immer die Witterung und den rauen Beton des Hofs spüren. Diese Trennung ist auch an anderer Stelle zu finden: Sorgfältig ausgeführte Verblechungen und verdeckte Dachrinnen sorgen dafür, dass die Bauteile der beiden umgebauten Nutzbauten das benachbarte Bauernhaus nicht berühren.

Die Hoffassade der vormaligen Lagerhalle, wurde ebenso wie die des vormaligen Stallgebäudes mit einer Glas- und Polycarbonathaut versehen. Dies erforderte innen insbesondere im Bereich der 1,2 x 2,5 m großen Eingangstür zusätzliche vertikale und horizontale Verstrebungen an der Stahlkonstruktion des 1960er-Jahre-Baus. Dieser beherbergt mittlerweile einen langen Wohn-/Essbereich und am südwestlichen Ende einen Vorraum für den Seiteneingang sowie einen Hauswirtschaftsraum, der die Heiztechnik aufnimmt. Eine Wärmepumpe versorgt die Heizschlaufen in den Betonböden beider Gebäude, sodass sie bei Temperaturen von bis zu -14 °C warm bleiben. Die originalen, waagerecht wie Ziegelsteine verlegten Hohlblocksteine an der Rückwand der vormaligen Lagerhalle wurden beibehalten – ein rauer, haptischer Kontrapunkt zur ansonsten kahlen, innen freiliegenden Tragstruktur und den glatten, milchig-glasigen Polycarbonatoberflächen. Nachts leuchten diese Fassaden an beiden Gebäuden in ungleichmäßigem Licht und den weichen Farben der Bewegungen im Inneren, die wie Wesen in einem Schattenspiel wirken.

Die Zufahrt zu den Scheunen liegt über den ursprünglichen Mauersohlen im Südwesten und Nordwesten, sodass beide Gebäude Betonbodenplatten mit erhöhten Kanten aufweisen. Auf der Hofseite ist das Betonsockelniveau bei beiden Scheunen gleich, aber bei dem L-förmigen Gebäude gibt es vom Haupteingang aus eine beträchtliche Stufe hinunter zu einem niedrigeren Bodenniveau. Dies erinnert an einen japanischen Genkan-Eingang und schafft mehr Höhe unter den freiliegenden Dachsparren.

Besonders interessant ist das Konzept des L-förmigen Stallgebäudes, das auf präzisen 3D-Scans der ursprünglichen inneren Struktur und Oberflächen basiert. »Wir haben zunächst auch erwogen, die Räume im straßenseitigen Teil des Grundrisses anzuordnen«, sagt Botsford, »aber es war uns sehr wichtig, dass die Räume direkt mit dem Innenhof verbunden sind.«

Ganzglasfassaden zum Innenhof hin lehnte er ab: »Das warf Fragen zur Privatsphäre und zur Festlegung von Ausblicken auf. Wenn die Fassaden vollständig verglast wären, was würde das im Inneren bedeuten? Und nach außen hin wäre der Innenhof nicht mehr so klar definiert gewesen.« Kohlmaier war es ein besonderes Anliegen, »so viel weiches, jahreszeitliches Licht wie möglich in die Zimmer und Atelierräume zu bringen« – Letztere befinden sich an den Enden des L-Grundrisses.

»New Patterns of Living«

Die straßenseitigen Wände und die Dächer beider Gebäude wurden gedämmt und mit einer Hülle aus Wellfaserzementplatten versehen. Fensterlos, geben die vollflächig bekleideten Wände Passierenden keinen besonderen Hinweis auf die Nutzung oder den architektonischen Typus des Ensembles. Nur zwei Details scheinen hier ungewöhnlich: die breiten Aluminiumabdeckungen auf den Dachfirsten und die unregelmäßig verlaufenden Stufen, die vom Zufahrtsweg zwischen den beiden Bauteilen zum Innenhof hinabführen.

Das L-förmige Gebäude ist in Grundriss und Schnitt zwar einfach, aber die Raumatmosphäre und die ästhetische Wirkung der zum Innenhof gerichteten Fassaden sind unerwartet und einnehmend. Der Querschnitt weist eine ungewöhnliche Abfolge von reizvollen Situationen auf. Die zum Hof gerichtete Fassade hat keine Fenster im üblichen Sinne; die Aluminiumrahmen der verglasten Eingangs- und Fenstertüren der Schlafzimmer schließen fast bündig mit der Oberfläche der zartweißen Polycarbonatplatten ab. Wir können diese Fassade also (in Anbetracht dessen, dass z. B. die Cockpit-Hauben vieler Kampfjets aus Polycarbonat bestehen) als eine Hightech-Außenschicht betrachten; aber ihr Weiß und ihre Transluzenz lassen auch an japanisches Shoji-Papier denken; die Atmosphäre des Innenhofs wirkt beinahe klösterlich.

Der mittlere Bereich des Querschnitts, in dem die beiden Schlafzimmer wie eine riesige, durchgehende Kiste unter den freiliegenden Sparren und dem Dach stehen, besteht ganz aus Sperrholz. Das Fichtensperrholz wurde unbehandelt belassen – »wir zogen eine neblige, durchscheinende Beschichtung in Betracht, aber dann wäre es eher eine Textur als eine Oberfläche geworden«, erklärt Botsford. Die Gestaltung der Schlafzimmer- und Schranktüren aus Sperrholz, die mit sehr dicken, raumhohen Kanthölzern als Griffe versehen sind, ist angenehm taktil.

Die »Schlafzimmerboxen«, die durch ein Badezimmer im Winkel des Ls geteilt sind, liegen eng an den ursprünglichen Holzstützen und zusätzlichen Stützen an der Innenseite der Hoffassaden an. So entsteht eine schattige, interne »Gasse«, offen bis unters Dach, mit den Schlafzimmerboxen auf der einen Seite und den alten Ziegelwänden und einem breiten Betonsockel für Kunstwerke, der aus dem Boden wächst, auf der anderen Seite.

Diese Übergänge sind wie eine aufregende Kamerafahrt entlang verschiedener Formen, Materialien und Ideen – gleichzeitig superreal und zutiefst imaginär; vielleicht eine Art Innehalten zwischen »dem Noch-Nicht und dem Nicht-Länger« Georg Simmels. Einfacher ausgedrückt wäre dies mit dem Titel des ersten Kapitels von Homes for Today and Tomorrow: »New Patterns of Living« (Neue Wohnformen). Und das ist, was Joseph Kohlmaier und Gianni Botsford mit bewundernswerter Eigenständigkeit im Old Byre geschaffen haben.

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Für den Beitrag verantwortlich: deutsche bauzeitung

Ansprechpartner:in für diese Seite: Emre Onuremre.onur[at]konradin.de

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