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Claudia Thiesen – Mehr als nur Wohnen
Claudia Thiesen – Mehr als nur Wohnen © Anna Isopp

Die Architektin Claudia Thiesen war als Vorstandsmitglied der Schweizer Baugenossenschaft mehr als wohnen maßgeblich an der Entwicklung des Hunziker Areals in Zürich beteiligt. Anne Isopp holte das Statement ein.

15. Februar 2022 - Anne Isopp
„Mehr als wohnen ist eine Wohnbaugenossenschaft, die von 55 Wohnbaugenossenschaften gegründet wurde. Ich wurde als Vorstandsmitglied der Genossenschaft Kraftwerk1 in den Vorstand der Genossenschaft mehr als wohnen gewählt und war damit Bauherrin beim Bau des Hunziker Areals.

Das Besondere am Hunziker Areal ist seine Größe und der Anspruch, nicht einfach nur Wohnraum zu bauen, sondern ein Stück Stadt. Eine Herausforderung bei diesem relativ großen Maßstab – 1.200 Personen wohnen und 150 arbeiten in dem Areal – war, das Projekt so zu organisieren, dass auch die Bewohnenden sich mit der Genossenschaft identifizieren und engagieren. Es ist ein lebendiges Stück Stadt geworden. Das Schöne an dem Weg dorthin war, dass alle Beteiligten von Anfang an bereit waren, dazuzulernen, gewisse Risiken einzugehen und Neues auszuprobieren.

Wir als Genossenschaft wollten die Stadt verändern und auch andere Themen als den Wohnraum beackern, wie Erdgeschossnutzungen und Quartierinfrastruktur und auch einen Beitrag leisten gegen den Klimawandel. In erster Linie geht es natürlich um langfristig bezahlbaren Wohnraum. Auch hier wollten wir uns von den klassischen Wohnformen lösen und innovative Wohnformen für große Haushalte und mehr gemeinschaftsfördernde Wohnräume entwickeln. Wir wollten aber auch im technischen Bereich Dinge infrage stellen. Wir bauen in der Schweiz und in Zürich sehr hochwertig, also sehr teuer. Aber brauchen wir wirklich so viel Technik und einen so hohen Ausbaustandard? Können wir Dinge vereinfachen? Ein Beispiel ist die Lüftung. In Zürich sind sehr viele Gebäude, die ökologisch nachhaltig gebaut sind, nach dem sogenannten Minergie-Label gebaut. Dieses Label schreibt vor, dass eine kontrollierte Lüftung eingebaut werden muss. Damit sind aber hohe Unterhaltskosten verbunden. Wir haben hier nach einfachen Lösungen gesucht, ohne große Einbußen in der Behaglichkeit.

Und dann gibt es natürlich auch noch das Thema Netto-Null, das wir 2008, als wir mit der Planung des Hunziker Areals begonnen haben, noch nicht so radikal im Fokus hatten. Wir müssen in Zukunft möglichst wenig Treibhausgase beim Bauen erzeugen, mehr in Kreisläufen wirtschaften und so bauen, dass wir die Materialien möglichst ohne großen Wertverlust wiederverwenden können. Diese Themen sind in den Medien sehr präsent, aber in der Realität haben wir noch sehr wenig Erfahrung. Ich denke, da müssen wir einen Schritt weiterkommen.“

Claudia Thiesen studierte Architektur an der Bauhaus Universität Weimar (D) und lebt seit 2001 in Zürich. Sie gilt als Expertin für partizipative Prozesse und innovative Wohnformen und engagiert sich in zahlreichen Genossenschaften.
Gemeinsam mit Sabine Wolf führt sie die Thiesen & Wolf GmbH, die Projektentwicklung und -steuerung für gemeinnützige Bauträger anbietet.
»nextroom fragt« Architekt:innen, Bauherr:innen und Expert:innen. Die Gesprächsreihe zum nachhaltigen Bauen wird konzipiert und betreut von Anne Isopp. Im Gespräch werden unterschiedliche Dimensionen des nachhaltigen Bauens eingefangen, auf konkrete Bauten Bezug genommen und individuelle Sichtweisen abgefragt. Einige der Gespräche sind als Podcast auf morgenbau.at zu hören.

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