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Alireza Javadian – Plattenwerkstoffe aus Abfall
Alireza Javadian – Plattenwerkstoffe aus Abfall, Foto: Anne Isopp

Alireza Javadian forscht am KIT, dem Karlsruher Institut für Technologie, an neuen Materialien aus nachwachsenden Rohstoffen. Zusammen mit seinen Kollegen und Kolleginnen entwickelte er das Bauprodukt NEWood, das aus Abfällen aus der Landwirtschaft und der Holzindustrie sowie einem Pilzmyzel als Bindemittel besteht. Dieses wurde bei der Sustainability Challenge 2022 der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltigkeit in der Kategorie Forschung nominiert. Alireza Javadian erzählt Anne Isopp, wie er auf die Idee kam und in welchem Stadium sich die Forschung befindet.

28. Juni 2022 - Anne Isopp
„Wir interessieren uns für jene Baumaterialien, die eine Alternative zu den herkömmlichen darstellen. Ich glaube nicht, dass wir Beton ersetzen können. Er ist erschwinglich und weit verbreitet. Aber wir können Alternativen entwickeln – Materialien, die nicht aus der Erde gewonnen werden, wie Eisen, Sand und Kies, sondern aus erneuerbaren Ressourcen stammen.

Vor diesem Hintergrund haben wir NEWood entwickelt, ein hundertprozentig biobasiertes Material. Dazu recyceln wir Abfälle aus der Landwirtschaft und der Holzindustrie. Statt synthetischer Stoffe verwenden wir Pilzmyzele als Bindemittel. Wenn wir über Pilze sprechen, meinen wir nicht die Früchte, sondern das Myzel, das Wurzelgeflecht des Pilzes. Es kann auf allem wachsen, was organisch ist.
NEWood ähnelt in seinen Eigenschaften den MDF, den mitteldichten Faserplatten, ist jedoch viel nachhaltiger in der Herstellung. Das gilt auch im Vergleich mit Spanplatten, OSB oder Sperrholz. Unsere Vision ist es, eine Alternative zu diesen Materialien zu schaffen, die man in naher Zukunft auch im Baumarkt kaufen und als Heimwerkerprodukte verwenden kann. Noch befinden wir uns aber in einem frühen Stadium und suchen derzeit nach Partnern, um unsere Produktion auszuweiten.

Nicht nur in Europa, sondern auch in Asien fällt in der Landwirtschaft und in der Holzindustrie sehr viel Abfall an. Meistens wird dieser Abfall verbrannt, was eine Menge CO2-Emissionen verursacht. Darüber hinaus stammen 40 Prozent der CO2-Emissionen aus der Bauindustrie. Wir haben uns daher gefragt, wie wir – besonders in Entwicklungsländern wie Indonesien, Kambodscha, Thailand und den Philippinen – diese Abfälle nutzen können. Wir müssen nach nachhaltigeren Technologien und mehr erneuerbaren Materialien suchen, um diese Herausforderungen zu meistern. Derzeit erforschen wir verschiedene Möglichkeiten, um diese Abfallressourcen zu verwenden.

Wir würden gerne mehr erneuerbare Materialien in unserer Bauindustrie sehen. Bauunternehmer*innen, Bauherren und -frauen sowie Regierungsbehörden sollten diesen Übergang unterstützen. Das erfordert eine Menge Mut, Engagement und Ressourcen. Aber wenn alle mit an Bord sind, ist dieser Weg viel einfacher zu beschreiten. NEWood ist nur ein Beispiel. Es gibt viele verschiedene Innovationen auf der ganzen Welt, nicht nur in Deutschland, die in die reguläre Bauindustrie integriert werden können.“

Alireza Javadian promovierte an der ETH Zürich in Architektur und Bauwesen und erwarb in Singapur jeweils einen Master-Abschluss in Baumaterialien und Bauingenieurwesen. Javadian arbeitet derzeit an der Entwicklung nachhaltiger Materialien aus erneuerbaren Ressourcen wie Bambus, Holz, landwirtschaftlichen Abfällen und industriellen Nebenprodukten für Anwendungen in der Bauindustrie. Er ist Forschungsleiter am Lehrstuhl für Nachhaltiges Bauen mit Prof. Dirk Hebel am KIT in Deutschland sowie Co-Principal Investigator des Urban-Biocycle-Forschungsprojekts am Future Cities Laboratory of Singapore-ETH Centre in Singapur. Darüber hinaus ist er Mitgründer des Spin-off-Unternehmens Widuz, das die Forschungsergebnisse in Singapur und Europa weiter vermarkten soll.
»nextroom fragt« Architekt:innen, Bauherr:innen und Expert:innen. Die Gesprächsreihe zum nachhaltigen Bauen wird konzipiert und betreut von Anne Isopp. Im Gespräch werden unterschiedliche Dimensionen des nachhaltigen Bauens eingefangen, auf konkrete Bauten Bezug genommen und individuelle Sichtweisen abgefragt. Einige der Gespräche sind als Podcast auf morgenbau.at zu hören.

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