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Dezente Präsenz

Erweiterungsbau Josef Albers Museum Quadrat in Bottrop

Im historischen Stadtgarten von Bottrop haben Annette Gigon und Mike Guyer eine harmonische Erweiterung des bestehenden ‧Gebäudekomplexes geschaffen. Das neue ‧Museumsgebäude beherbergt acht ‧zurückhaltende Ausstellungsräume, die der Kunst Raum und Vorrang geben, ohne selbst zu sehr in den Hintergrund zu rücken.

6. Dezember 2022 - Anke Geldmacher
Unweit der Stadtmitte Bottrops bietet der ca. 16 ha große Stadtgarten Erholung und Abwechslung und wirkt ganz anders als das, was man ansonsten mit der Ruhrgebietsstadt verbindet. Zwischen weiten Rasenflächen, alten Baumbeständen und bepflanzten Anlagen im Stil eines englischen Landschaftsgartens befindet sich hier auch das Josef Albers Museum Quadrat Bottrop. Der Titel ist ein wenig sperrig, kein Wunder, dass sich die Kurzform »Quadrat« durchgesetzt hat. Das Museumszentrum Quadrat beherbergt zwei Museen, verteilt auf inzwischen vier Gebäude: In einer Villa aus dem Jahr 1913 dokumentiert das Bottrop Museum die Ur- und Ortsgeschichte der Stadt inklusive Eiszeithalle und Bergbauzeit. Direkt daneben befindet sich das Josef Albers Museum, das sich dem in Bottrop geborenen Künstler widmet. 1976 entstand der erste Bau, bereits 1983 kam ein zweiter dazu, beide erbaut vom Bottroper Stadtbaumeister Bernhard Küppers und beides unverkennbar Bauten der Moderne mit ebenso deutlichen Anleihen an Mies van der Rohe. Der Name Quadrat bezieht sich sowohl auf den Grundriss des ersten Gebäudes als auch auf das Hauptwerk von Albers, dessen Forschungen zu Farben und ihren Wirkungen von hoher Bedeutung waren. Das Museum besitzt mit mehr als 300 Werken die weltweit größte Josef Albers Sammlung. Dazu gehören rund 100 Gemälde, die gesamte Druckgrafik, Resopalgravuren, Zeichnungen, Ölstudien auf Papier, Glasarbeiten und Fotografien. Zudem werden Arbeiten anderer Künstler der klassischen und internationalen Moderne gezeigt.

Die Dauerausstellung musste immer öfter Sonderausstellungen weichen, sodass erneut eine Erweiterung gewünscht war. Ein weiterer Punkt war der Schutz der Bilder, da keines der bisherigen Gebäude über eine Klimaanlage verfügt. Eine Nachrüstung wäre kompliziert gewesen, zudem hätte das Platzproblem weiterhin bestanden. 2016 wurden 25 Architekturbüros zum Wettbewerb eingeladen, aus dem Gigon/Guyer als Sieger hervorgingen. Sechs Jahre später konnte im Oktober Eröffnung gefeiert werden. Im Küppersbau befindet sich nun die Dauerausstellung, im Erweiterungsbau werden künftig parallel Sonderausstellungen gezeigt.

Teil des Ganzen, aber eigenständig

Das Schweizer Architekturbüro entschied sich im Gegensatz zu vielen seiner Mitbewerber für einen Standort im Nordosten des Stadtgartens. So rückt der Bau zwar sehr nah an das historische Kastanienrondell, dies ist aber die Variante, die den Baumbestand am meisten schont. Dass der im Zuge der ersten Erweiterung 1983 angelegte Teich, den die Architekten gerne erhalten wollten, ein paar Meter versetzt wurde, fällt wohl nur den wenigsten auf. Der zweigeschossige Neubau fügt sich mit seiner dunklen Farbgebung und der klaren Formensprache harmonisch ins Ensemble ein, ist aber unverkennbar ein eigenständiges Gebäude. Im Gegensatz zu den beiden Bestandsbauten mit viel Stahl und Glas ist er eher kompakt und geschlossen mit wenigen, gezielt gesetzten Öffnungen. Dieser erste Eindruck zieht sich dann auch während der gesamten Besichtigung durch – er ist nicht aufdringlich oder protzig, aber eben auch nicht langweilig oder profan. Das Gebäude setzt die Exponate in Szene und andersherum – Kunst und Haus tun sich gegenseitig gut.

Dunkle Hülle, heller Kern

Eine Verbindungsbrücke führt von der Dauerausstellung zum Neubau. Hier haben sich die Architekten einen kleinen Kunstgriff erlaubt: Der komplett in dunklem Holz ausgekleidete Durchgang ist trapezförmig gestaltet, also am Beginn niedriger. So erscheint die gleiche Strecke auf dem Weg in den Neubau hinein länger als der Rückweg. Ein Fenster lenkt den Blick auf den Park, bevor man die Ausstellungsräume betritt. Diese gezielten Aussichten sind essenzieller Bestandteil des Entwurfs. Hat man den Durchgang hinter sich gelassen, steht man mittendrin: ein fensterloser und doch heller Raum, von dem links und rechts weitere Räume abgehen. Die feste Raumfolge war ein Wunsch des ehemaligen Museumsdirektors Dr. Heinz Liesbrock. Ein riesiger Raum wie in der Neuen Nationalgalerie in Berlin sei wunderschön und räumlich ein Erlebnis. Für die Kunst aber nur selten passend. »Mir war es wichtig, feste Wände zu haben. Sie können doch ein bedeutendes, millionenschweres Bild nicht auf eine Pappwand hängen«, so Liesbrock, für den der Neubau ein Herzens- und Abschiedsprojekt war, da er zeitgleich zur Eröffnung die Leitung nach fast 20 Jahren an Dr. Linda Walther abgegeben hat. Die acht Räume sind unterschiedlich groß und proportioniert, vier von ihnen haben wohlüberlegte Fensteröffnungen – auf jeder Fassadenseite eine, die jeweils andere Ausblicke ermöglichen. Die Fenster sind tatsächlich eher für den Bezug und Ausblick nach außen gedacht als zur Belichtung. Dies übernehmen die Sheddächer, von denen eines am Rand von außen als »Knick« in der Gebäudehülle ablesbar ist. Dunkle Türrahmen brechen die helle Erscheinung und wirken wie ein Augenblinzeln zwischen den einzelnen Räumen. Handwerklich gewischte weiße Wände bieten einen Hintergrund, der zwar neutral ist, aber gleichzeitig die Lichtstreuung begünstigt und eine gewisse Tiefenwirkung erzeugt, die ganz flächig gestrichene Oberflächen nicht bieten. Dies passt zu den Bildern von Albers, die für so manchen Zweifler recht profan wirken mögen, aber eben doch weit mehr sind als einfache Farbflächen. Auch für Albers war der Untergrund entscheidend: Er malte vorwiegend auf Hartfaserplatten und nicht auf Leinwand, damit er einen Widerstand, ein Gegenüber hat. Eine schöne Vorstellung, dass sich Architekten und Bauherr ebenso Gedanken um den Untergrund machen. Insgesamt merkt man die Wertschätzung der Kunst im Allgemeinen und der Bilder von Josef Albers im Besonderen: Es gibt wenige Einbauten, auch die Technik fällt kaum auf, selbst Beschriftungen und Texttafeln gibt es auffallend wenige. Dies schafft die angemessene Aufmerksamkeit für die Exponate, den Raum und die Umgebung. Da sich alle acht Ausstellungsräume im 1. OG befinden und man diese auch ebenerdig vom Bestandsbau aus betritt (den Höhenunterschied hat man bereits draußen mit der Treppe bzw. Rampe überwunden), wirkt der Bau zumindest von innen wie ein Eingeschosser. Zwei im Regelfall geschlossene Türen sind nur ein winziger Hinweis darauf, dass es noch mehr gibt: Dahinter verbirgt sich die Treppe nach unten. Hier befinden sich neben Werkstatt, Kunstdepot, einem Büro und der Bibliothek auch zwei Museumspädagogik‧räume, die für Workshops, Schulklassen und Kurse genutzt werden. Dunkler Boden, dunkle Einbauten, weiße Wände – auch im EG zieht sich die zurückhaltende, aber wertige Gestaltung durch. Nicht ganz so repräsentativ wie die Ausstellungsebene, das muss und soll es ja aber auch gar nicht. Stäbchenparkett ist deutlich preiswerter als der oben verlegte Eichenboden, aber doch eleganter als manch günstige Lösung. Die Fenster unten sind ebenso großzügig und bodentief wie in der Ausstellungsebene. Es könnte schlechtere Arbeitsplätze geben als das kleine Büro mit Blick in den Stadtgarten.

Wenn man Unstimmigkeiten sucht, findet man sie, das ist fast überall so. In diesem Fall sind die Fenster noch nicht ganz fertig, die finale Aufblechung fehlt noch. Da war der Druck des Eröffnungstermins groß und eine fehlende Abdeckung leichter zu verschmerzen als ein Verschieben der Ausstellung. Wer nicht danach sucht, bemerkt es womöglich gar nicht. Zwischen den nächsten Ausstellungen wird dies dann noch gerichtet. Ansonsten sind – wenn es nach den Architekten und dem bisherigen Direktor geht – zunächst keine Veränderungen nötig oder geplant.

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Für den Beitrag verantwortlich: deutsche bauzeitung

Ansprechpartner:in für diese Seite: Ulrike Kunkelulrike.kunkel[at]konradin.de

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