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Roger Boltshauser – Mit Lehm bauen
Roger Boltshauser – Mit Lehm bauen, Foto: Michael Artur Koenig

Der Schweizer Architekt Roger Boltshauser ist bekannt für seine Bauten mit Lehm. In Zusammenarbeit mit Studierenden hat er für das Ziegelei-Museum in Cham im Kanton Zug einen 9 Meter hohen Turm aus Stampflehm errichtet, den sogenannten Ofenturm. Der Bau ist Ausstellungsraum, Aussichtplattform und Brennofen zugleich. Und er ist das erste Gebäude, das in vorgespannter Lehmbauweise ausgeführt wurde. Boltshauser sieht in dieser Bauweise eine Möglichkeit, mit Lehm höhere und größere Gebäude zu errichten. Im Gespräch erklärt er, warum er das Material Lehm aus seiner Nische holen will und weshalb auch ein Lehmbau demontabel sein kann und warum er die Zukunft in Hybridkonstruktionen sieht. Das Gespräch ist in voller Länge im Podcast Morgenbau anzuhören.

30. Mai 2023 - Anne Isopp
„Der Ofenturm ist für uns ein wichtiges Gebäude. Es bewegt sich an der Schnittstelle zwischen Lehre, Forschung und meiner eigenen Tätigkeit in meinem Büro. Das Projekt entstand im Rahmen meiner Gastprofessur an der TU München und wurde dann an der ETH Zürich weitergeführt.

Über hundert Studentinnen und Studenten haben daran mitgearbeitet – sei es, dass sie Pläne zeichneten, sei es mit der Weiterentwicklung der Konstruktion oder mit dem Stampfen der Lehmelemente. Der Turm ist das erste Gebäude, das als vorgespannter Lehmbau ausgeführt wurde. Die ersten Messungen zeigen, dass die Technik funktioniert. Das heißt, dass man mit Lehm auch in größeren Maßstäben erdbebensicher bauen kann und dass das Material damit auch für größere Strukturen und materialeffizienter eingesetzt werden kann. Mir geht es in meinen Arbeiten darum, den Baustoff Lehm aus seiner Nische zu holen.

Der Ofenturm ist zirkulär gedacht. Er ist demontierbar, und das muss er auch sein: Wir haben eine beschränkte Baubewilligung für zehn Jahre. Wenn man zirkulär denkt, denkt man in erster Linie an leichte und eher feine Materialen, man denkt vielleicht an Holz oder Stahl – aber nicht an Lehm. Das Durchbrechen dieser Denkmuster hat uns dann natürlich auch gestalterisch interessiert.

Die Blöcke sind vorfabriziert, gestampft auf Trägerplatten aus Holz, und wurden dann vor Ort aufeinandergeschichtet. Eigens entwickelte Spannseile setzen die Konstruktion unter Zug und werden in das Betonfundament eingespannt. Als oberer Abschluss und zur Aussteifung dient eine Holzkonstruktion. Wir haben berechnet, dass wir mit dieser Struktur bis zu 40 Meter hoch bauen könnten. Ohne Vorspannung wäre das unmöglich. Der Ofenturm etwa hätte ohne die vorgespannte Konstruktion statt 9 nur etwa 5 bis 6 Meter hoch sein können.

Mein Wunsch ist es, dass das Bauen mit Lehm normal wird und wir nicht mehr als Sonderlinge, Exoten oder experimentelle Architektinnen und Architekten angesehen werden. Die Fragen zum Thema Klima liegen ja heute auf dem Tisch. Man muss nur die CO2-Bilanz eines Lehmmauerwerks jener eines Beton- oder Backstein-Mauerwerks gegenüberstellen. Das heißt nicht, dass man Beton verteufeln muss, aber man sollte ihn effizienter einsetzen und mit anderen Materialien kombinieren. Es gibt noch immer Vorbehalte dem Baustoff Lehm gegenüber. Das ist mit ein Grund, weshalb wir noch nicht so viele Lehmbauten realisieren konnten – obwohl wir uns bereits seit mehr als zwanzig Jahren mit dem Thema befassen.

Ich will mit meinen Lehmbau-Strategien nicht sagen: Lasst uns nur noch mit Erde bauen! Ich glaube aber, dass wir künftig mit neuen hybriden Strukturen bauen müssen. Nicht alles, was in den letzten sechzig Jahren gebaut wurde, ist gut. Und darum ist mir wichtig, dass wir künftig mit weniger CO2-Emissionen bauen. Sicher kann Lehm dazu einen Beitrag leisten.“

Roger Boltshauser gründete 1996 das Büro Boltshauser Architekten in Zürich. Inzwischen gibt es einen Bürozweitsitz in München. Boltshauser forscht und lehrt seit Jahren zum Lehmbau. Derzeit ist er Gastdozent an der ETH Zürich. Seine Lehmprojekte – allen voran das Haus Rauch im österreichischen Schlins – wurden mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. Der Ofenturm für das Ziegelei-Museum in Cham bekam 2022 den „DETAIL-Award“ und den „ARC-Award“ in der Kategorie „Bildung und Gesundheit“.
»nextroom fragt« Architekt:innen, Bauherr:innen und Expert:innen. Die Gesprächsreihe zum nachhaltigen Bauen wird konzipiert und betreut von Anne Isopp. Im Gespräch werden unterschiedliche Dimensionen des nachhaltigen Bauens eingefangen, auf konkrete Bauten Bezug genommen und individuelle Sichtweisen abgefragt. Einige der Gespräche sind als Podcast auf morgenbau.at zu hören.

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