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db deutsche bauzeitung 2024|04
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Operaparken in Kopenhagen

Südlich der Kopenhagener Oper entwarf Cobe den von englischen Landschaftsgärten inspirierten Operaparken. Obwohl dieser zum Großteil den Deckel einer zweigeschossigen Tiefgarage bildet, entstand ein Ort der Rekreation und Vielfalt mitten in der Stadt.

2. April 2024 - Nina Greve
»Unser Wunsch war vor allen Dingen, den Menschen in Kopenhagen mit dem Park eine Insel der Erholung, einen Ort der Ruhe zu bieten nahe dem Trubel des urbanen Lebens in der City«, erläutert Maj Wiwe, Landschaftsarchitektin und Leiterin des Projekts bei Cobe. »Es sollte nicht ein weiterer Sport- und Vergnügungspark werden, sondern ein Park in Anlehnung an die romantischen Landschaftsgärten Englands, in dem ich durch den Kontakt mit der Natur auftanken, abschalten und mich wie in eine Geschichte hineinziehen lassen kann.«

Cobe hatte 2019 das von der A.P. Møller-Stiftung für sechs eingeladene Büros ausgeschriebene Wettbewerbsverfahren für sich entscheiden können. Ziel des Wettbewerbs war eine Tiefgaragenlösung für die Besucher:innen der Oper in Verbindung mit einem Park gewesen. »Die Idee eines grünen Foyers für die Oper fanden wir sehr charmant und haben daher versucht, die Tiefgarage und den Park als eine Einheit zu begreifen«, erklärt Karoline Liedtke, Landschaftsarchitektin und Head of Landscape, die ebenfalls in dem Projekt mitgewirkt hat. »Zudem waren wir sehr froh, dass die Insel zwischen der Oper und der sogenannten Papierinsel, der jetzige Operaparken, nicht bebaut, sondern als Freiraum erhalten und gestaltet werden sollte.« 628 Bäume wurden auf dem 21 500 m² großen Inselpark gepflanzt – alle einzeln von Cobe ausgesucht. Zudem bilden nun 80 000 Stauden und Büsche sowie 40 000 Zwiebelpflanzen eine natürliche Farbkulisse im Wandel der Jahreszeiten.

Ein Park wie ein Bilderbuch

So wie früher in diesem Teil des Hafens die Welt durch Waren aus aller Herren Länder in die Stadt kam, sollten jetzt andere Länder und Kontinente durch eine entsprechende Vegetation in der Stadt sichtbar werden. Diesem Gedanken folgend, gliedert sich der Park in sechs Vegetationsbereiche: den dänischen Eichenwald, den nordischen Wald, den nordamerikanischen Wald, den englischen Garten, den orientalischen Garten und den subtropischen Garten im zentralen Gewächshaus. Jeder Bereich ist durch die entsprechende Vegetation geprägt und in jedem Garten ist jeweils ein Baum als Solitär stärker in Szene gesetzt.

Ein weiterer Aspekt des Entwurfs ist die Anordnung der Bepflanzung sowie des gesamten Außenraums wie auf einer Bühne oder in einem Gemälde mit Vorder-, Mittel- und Hintergrund. Dieses Bild baut sich von der Wasserseite her mit einem abgeflachten Promenadenbereich dicht über der Wasseroberfläche auf und endet hinter dem Pavillon mit den hohen Bäumen des nordamerikanischen Waldes. Insbesondere bei der Betrachtung des Parks aus der Vogelperspektive wird ein weiterer Entwurfsschwerpunkt deutlich: Alles ist organisch geformt, es sind (fast) keine Geraden zu erkennen.

Gewundene Wege und Pfade sorgen für Verlangsamung und auch sämtliche Gebäude und Einbauten folgen dieser Idee. Beeteinfassungen, Sitzbänke und auch die Granitstufen, die zum Wasser hinunterführen, mussten entsprechend zugeschnitten werden. Verschlungene Wege und immer wieder neue Perspektiven und Aussichtspunkte, dichtere, dunklere Bepflanzungen auf der einen, kleine Lichtungen auf der anderen Seite, ergänzt durch drei größere freie Grünflächen sowie drei unterschiedliche Wasserspiele (Fontänenteich, Seerosenteich und Spiegelbecken) und mehrere kleine Rundbauten, prägen das Erscheinungsbild des Parks. In seinem Zentrum steht der Pavillon, der in seiner Architektursprache mit geschwungener Glasfassade, dem scheinbar schwebenden Dach und den filigranen Metallgeländern stark an Bauten der 1950er Jahre erinnert. In der Mitte des Wintergarten-Pavillons befindet sich das Atrium, in dem die grüne Verbindung zur Tiefgarage wächst.
Nachhaltigkeit und Ökologie

300 Stellplätze stehen sowohl den Besucher:innen der Oper als auch der allgemeinen Öffentlichkeit auf zwei Tiefgeschossen zur Verfügung, davon 50 mit E-Ladestation. Aus der Tiefgarage gibt es zwei Aufgänge nach oben: den beschriebenen zentralen Aufgang, der in den Pavillon mit Café- und Restaurantnutzung führt, sowie einen kleineren Aufgang, der die Besucher:innen über einen überdachten und verglasten Gang trockenen Fußes bis unter das riesige Dach der Oper leitet. Die Zu- und Ausfahrt zur und aus der Tiefgarage erfolgt an der Nordostecke der Insel. Bereits hier fällt auf, dass auch eine ästhetische Verbindung zwischen Park und Tiefgarage geschaffen werden sollte: Die Einfassung der Tiefgarage wurde mit einer Lamellenschalung aus kanadischem Zedernholz verkleidet, die sich an den Innenwänden der Tiefgeschosse fortsetzt und so die Aufenthaltsqualität in der Garage erheblich steigert – ebenso wie das beschriebene begrünte Atrium, das eine Licht- und Blickverbindung nach oben schafft.

Auch wenn eine Tiefgarage und somit der Fokus auf die Erreichbarkeit der Oper mit dem Pkw in Bezug auf das Verkehrskonzept keine ökologische Lösung darstellt, wurden durch und in dem Park andere Aspekte der Ökologie wie Artenvielfalt und eine nachhaltige Wasserwirtschaft in den Blick genommen. So werden für die Versorgung der Pflanzen große, unterirdische Wassertanks genutzt, in denen das Regenwasser des riesigen Operndaches sowie der Gründächer von Pavillon und Glasgang gesammelt werden. In Retentionsbeeten wird ebenfalls Regenwasser bei Starkregenfällen aufgefangen und verlangsamt wieder abgegeben. Insgesamt ist die Pflege und Wartung des Parks kein Selbstgänger. Die relativ aufwendige Pflege wird über die Einnahmen aus der Tiefgaragennutzung finanziert.

Herausforderungen der Umsetzung

Aufwendig war auch der Bau der zweigeschossigen Tiefgarage. Bei den Gründungs- und Tiefbauarbeiten kam ein ursprünglich aus Deutschland stammendes Schlitzwand-System zum Tragen, um die Wasserdichtigkeit der Baugrube auf der künstlichen Insel gewährleisten zu können. In dem Verfahren wird mit einer speziellen Stützflüssigkeit sichergestellt, dass die Erdwände des Schlitzes während des Aushubs gehalten werden. Wenn der Aushub beendet ist, wird das eigentliche Abdichtungsmaterial, also der Stahlbeton, im Kontraktorverfahren durch eine Röhre von unten nach oben in den Schlitz eingebracht und die Suspension gleichzeitig abgepumpt. Erstmals wurde in diesem Projekt ein automatisches System mit Personal auf Stand-by zur kontinuierlichen Überwachung des Suspensionsspiegels eingesetzt. Aber auch die Pflanzarbeiten brachten auf Grund der ungewöhnlichen Klimabedingungen Schwierigkeiten mit sich. Hier war allerdings eher ein »Zuwenig« denn ein »Zuviel« an Wasser das Problem: »Während der Pflanzzeit war es hier in Kopenhagen ungewöhnlich trocken«, berichtet Projektleiterin Wiwe. »Die Pflanzen mussten also nicht nur gelagert, sondern in dieser Wartezeit auch ausreichend gewässert und versorgt werden – ein zeitintensives Unterfangen!« Die Verankerung der großen Bäume in den Erdschichten über der Tiefgarage und im Boden ist demgegenüber für Landschaftsarchitekt:innen ein übliches Verfahren und Stand der Technik.

Nur PKW-Pragmatismus?

Es sollte ein Park entstehen, der das ganze Jahr hindurch »funktioniert«. Dank des Wintergartens mit Café, das eben auch in den Wintermonaten geöffnet hat, ist dies gelungen. Nicht nur das Gebäude, auch der Park selbst sind gut besucht und werden von zahlreichen Besucher:innen angenommen. Und tatsächlich lässt sich auch im Winter die Vielfalt der Vegetation erahnen und die differenzierten Aufenthaltsqualitäten werden erlebbar – allerdings auf sehr viel begrenzterem Raum als ein englischer Landschaftspark dies in der Regel bieten kann. In dem Projekt sollte es aber auch nicht um ausschweifende Spaziergänge auf weitläufigem Terrain gehen, sondern um das Angebot, sich für kurze Zeit in die Natur zurückziehen zu können. Die Umschreibung des Parks als begrünter Pkw-Pragmatismus wird dem differenzierten Projekt nicht gerecht. Dennoch sollte die Diskussion über alternative Wege zum Erreichen von Kulturbauten in den Städten dringend stärker in den Fokus rücken.

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Für den Beitrag verantwortlich: deutsche bauzeitung

Ansprechpartner:in für diese Seite: Ulrike Kunkelulrike.kunkel[at]konradin.de

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