Bauwerk

Villa Pastega Manera (Zubau)
Tadao Ando - Villorba (I) - 2000

Hommage an Palladio

Tadao Andos Benetton-Kommunikationszentrum bei Treviso

1. Juni 2001 - Irene Meier
Die venezianische Terra ferma leuchtet im Dunst des Frühlingslichts, von weitem schimmert eine weisse Betonarchitektur durch die Obstplantagen. Bescheidene Bauernhöfe, gackernde Hühner und verstreute Einfamilienhäuser aus den sechziger Jahren bilden die nähere Umgebung zu Tadao Andos Kommunikationszentrum für Benetton in Villorba bei Treviso. Und dann erblickt man durch das fahle Licht auch noch die hoch aufragenden Pfeiler einer neuartigen Hängestruktur der Benetton-Firmenzentrale, die von Afra und Tobia Scarpa erbaut wurde. - Ando hingegen hat in seinem Bau der Weite der Landschaft, vor allem aber der Architektur Palladios, die im benachbarten Vicenza und in dessen Umgebung mit Meisterwerken wie der Basilica und der Villa Rotonda zugegen ist, seine Hommage erwiesen. Demgemäss strukturiert er den Gebäudekomplex und dessen Aussenanlage durch Säulen. Der Japaner hat die Kenntnis der Architektur des Veneto bei seinen zahlreichen Besuchen vor Ort erworben - nicht nur im Zusammenhang mit dem Bauauftrag, sondern bereits früher, als er sich als Autodidakt sein Wissen auf Reisen durch Europa aneignete. So konnte denn der «Betonspezialist» und Pritzkerpreisträger, der bisher nur selten ausserhalb seiner Heimat gebaut hatte, ganz eigenwillig auf die architektonisch reiche Umgebung reagieren.


Sorgfältiges Handwerk

Vor acht Jahren schon begannen die Planungen für das Projekt «Fabrica» - Luciano Benettons internationales Zentrum für Kommunikationsforschung für junge Gestalter, die hier für ein Jahr praktische Erfahrung in der Realisierung konkreter Projekte in den Bereichen Mode, Industriedesign, Kommunikation, Photographie, Film und neue Medien sammeln können. Realisiert wurde die «Fabrica» (Werkstatt) auf einem rund 51 000 Quadratmeter grossen Areal in zwei Abschnitten. Als Erstes wurden unter der Ägide von Ando die eher bescheidene Villa Pastega Manera und ihre Nebengebäude aus dem 17. Jahrhundert restauriert und teilweise umgestaltet (1993-95). Der ellipsenförmige Zentralraum der Villa besticht heute durch die Harmonie von Farben und Licht. Die Wände wurden in beigem Stucco veneziano von lokalen Handwerkern geschaffen. Den Steinboden und Details wie das Holzgeländer und das Mobiliar stimmte der Architekt in feinen Nuancen aufeinander ab. In den Seitenflügeln baute man ein grosses Auditorium ein, das sich als halbrunde Betonwand aus den alten Mauern wölbt. Alt und Neu sind klar unterscheidbar und ergänzen sich spannungsreich. Die Nachbarschaft der Villa hebt die Feinheiten der Betonwand besonders hervor, deren handwerkliche Qualität auch Ando lobt. Die lokalen Techniker stünden in nichts den besten Betonspezialisten Japans nach und hielten damit eine handwerkliche Tradition der Moderne hoch, wie sie in Italien von Carlo Scarpa initiiert worden sei.

Den Innenhof hat Ando mit einer Reihe von freistehenden Säulen mit stumpfen, korinthischen Kapitellen quer durchschnitten. Sie spiegeln sich suggestiv in den Wasserbecken. Diese ziehen sich jetzt weiter durch das neue gradlinige Hauptgebäude bis zur äussersten Achse der «Fabrica». Die Säulen als wichtigstes Motiv des Ando-Baues tauchen dann im acht Meter in den Boden versenkten Innenhof wieder auf, an den sich der Grossteil der Schulungs- und Arbeitsräume anschliesst. Dieser neue Teil konnte nach einem längeren, bürokratisch-politisch bedingten Baustopp vor wenigen Monaten eingeweiht werden. Damit die natürliche Schönheit der Landschaft voll zur Geltung komme, so Ando, habe er den Grossteil der Architektur unter das Bodenniveau gelegt. Tatsächlich erscheint die neue Konstruktion, die nie die Höhe der alten Villa überschreitet, als schmaler Architekturstreifen in der Landschaft. Als Zentrum der Begegnungsstätte dient der elliptische Innenhof. Ein wegen der sich überschneidenden Linien etwas manieriert wirkender Treppenabgang überwindet die Niveauunterschiede des Geländes zwischen der Villa und dem Innenhof: eine theatralische Inszenierung - fast wie bei Palladios Villen.


Weitgehend gelungenes Experiment

Allerdings muten dann im Innern die Unterrichtsräume eher bescheiden und beengend an. Wichtigstes Element ist eine Treppenspirale, die durch eine runde Öffnung im Dach Tageslicht erhält: ein schöner, spannungsvoller Raum, der als reines architektonisches Repräsentationsobjekt dasteht. Wie oft ihn die Redaktionsmitglieder der Benetton-Zeitschrift «Colors», die hier ihre Büros haben, durchschreiten oder wie sie ein Filmmacher aus einem Drittweltland wahrnimmt, der in der «Fabrica» eine erstklassige Infrastruktur zur Produktion seines Filmes nutzen kann, sei dahingestellt. Wie einst einflussreiche Adelige Palladio als Architekt für den Bau repräsentativer und architektonisch innovativer Villen verpflichteten, so wagt heute der Industrielle Luciano Benetton das Experiment, mit einem japanischen Architekten zu bauen. Das Unternehmen ist interessant und das Resultat, das auch etwas kosten durfte, weitgehend gelungen.

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Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung

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