Bauwerk

Ground Zero - Gedenkstätte
- New York (USA) - 2003

Netter Nobody im Fegefeuer der Eitelkeiten

Kopf des Tages

Michael Arad wird die Auszeit gut gebrauchen können, die ihm sein Arbeitgeber, die New Yorker Wohnungsbaubehörde, ursprünglich deshalb gewährt hatte, weil der junge Architekt sich mehr um seinen fünf Monate alten Sohn Nathaniel kümmern wollte.

19. Januar 2004 - Oliver Elser
Seit entschieden wurde, dass Arads Entwurf für das Memorial für das World Trade Center zur Ausführung kommen wird, steht er im Rampenlicht. Wo er sich nicht sonderlich wohl zu fühlen scheint - aber gerade das macht ihn zu einer sympathischen Figur. Der 31-jährige Arad repräsentiert den netten, schüchternen Nobody, dessen Persönlichkeit vollständig hinter seinem Entwurf verschwindet.

Das Publikum nimmt es mit Wohlwollen zur Kenntnis, hatte sich Ground Zero doch in den letzten Monaten zu einem Schauplatz der Eitelkeiten entwickelt. Der Bau des „Freedom Tower“ drohte wegen der Hahnenkämpfe ins Stocken zu geraten, in die sich Daniel Libeskind und sein vom Bauherrn aufgezwungener Partner verstrickten.

Um sich die Divenhaftigkeit von Stararchitekten wenigstens beim Memorial-Wettbewerb zu ersparen, wurde dieser so offen wie möglich ausgeschrieben. Beteiligen konnten sich alle Bewohner des Planeten Erde jeder Profession, was dann auch zu einem Feld von 5201 Kandidaten führte. Aus diesem Heuhaufen zog die Jury acht Arbeiten heraus, die in die zweite Entscheidungsrunde gelangten. Arads Entwurf galt bis zuletzt als Außenseiter - sehr spröde, minimalistisch, mit zu wenig Pathos beladen. Doch dann tat sich Arad mit dem angesehenen, mehr als doppelt so alten Landschaftsarchitekten Peter Walker zusammen und konnte die Kritiker besänftigen. Die Wasserbassins in den „Fußabdrücken“ des zerstörten World Trade Centers sollen nun von einem Park eingefasst werden.

Obwohl Arad bisher nicht mit Mahnmalen oder Projekten vergleichbarer Größe in Berührung gekommen war, könnte er dennoch genug Lebenserfahrung haben, um dieser Aufgabe gewachsen zu sein: Der israelische Staatsbürger und Sohn eines Diplomaten verbrachte seine Kindheit in Israel, Mexiko und den USA, ging zum Militärdienst nach Israel zurück und lebt seit 1991 dauerhaft und verheiratet in New York, hat ein Kind und zwei Hunde.

Rückendeckung für Arad kommt von Jurymitglied Maya Lin, die 1980 als 21-jährige Architekturstudentin den Wettbewerb für das Mahnmal der Vietnamveteranen gewonnen hatte. Auch sie verzichtete auf große Gesten und schuf mit ihrer Wand aus Abertausenden Namen getöteter Soldaten eine neue, individualisierte Form des Gedenkens. In Arads Entwurf sollen die Namen der 2982 New Yorker Opfer des 11. Septembers in zufälliger Reihenfolge erscheinen, um das Chaos und die grausame Beliebigkeit an jenem Tage festzuhalten.

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