Bauwerk

Schwarzenbergplatz - Neugestaltung
Alfredo Arribas - Wien (A) - 2004

Wem das reicht

Das Problem besteht nicht in der mittelmäßigen Dekoration, sondern in den vielen Fragen, die hier nicht gestellt wurden: der neu gestaltete Schwarzenbergplatz eine erste Bilanz zwei Wochen nach der Eröffnung.

19. Juni 2004 - Christian Kühn
Der Schwarzenbergplatz ist den Wienern im Grunde nie aufgefallen. Er ist ein Platz ohne feste Grenze, der an der Ringstraße beginnt und 400 Meter weiter zu beiden Seiten des Hochstrahlbrunnens verschwindet. Auf halbem Weg verliert er sich beinahe in der quer zur Platzachse laufenden Lothringerstraße, die ihn an Breite um ein gutes Stück übertrifft. Für einen großen Wiener Platz ist es nichts Ungewöhnliches, keine Kontur zu haben. Auch vom Karlsplatz und vom Heldenplatz wissen wir ja nur vage, wo sie sind, aber nicht, wo sie beginnen oder enden.

In seiner ursprünglichen, von Heinrich von Ferstel 1863 geplanten Anlage war der Schwarzenbergplatz allerdings ein gut proportionierter, um das Reiterstandbild des Fürsten Carl Philipp zu Schwarzenberg herum angelegter urbaner Raum, der stadtauswärts vom damals noch offen fließenden Wienfluss begrenzt wurde. Erst mit der Einwölbung des Flusses verlor der Platz seine Proportion und wurde zu einer breiten Straße, die sich stadtauswärts aufweitet. In der allgemeinen Wahrnehmung war der Schwarzenbergplatz seit Jahrzehnten nichts anderes als ein Verkehrsknoten, den inzwischen täglich über 60.000 Autos passieren. Seine legendären Bodenwellen sind Autofahrern noch bestens in Erinnerung. 1997 wurde der Verkehrsplaner Werner Rosinak von der Stadt mit einem neuen Verkehrskonzept beauftragt, das vorschlug, die den Platz vor dem Hochstrahlbrunnen querende Straße aufzulassen. Eine Verkehrsinsel, die dem Wiener Stadtgartenamt für schrullige Inszenierungen wie Blumenuhren und Stadtäcker gedient hatte, konnte so gewissermaßen ans Festland - den Platz um den Hochstrahlbrunnen - angebunden werden.

Auf der Basis dieses Konzepts wurden vier Architektenteams zu einem Wettbewerb für die Platzgestaltung eingeladen, den der Spanier Alfredo Arribas gewann. Sein Plan sah vor, den rechteckigen Teil des Platzes um das Reitstandbild durch schlanke, dicht gestellte Laternenpfähle zu markieren. Bei Nacht sollte eine Lichtinszenierung den Platz völlig verwandeln. In Arribas' eigener Architektenpoesie: „Am Tag scheint der Platz unverändert - abgestufte Grauschattierungen verschmelzen Fassaden und Boden. Bei Nacht verwandelt sich die Symmetrie der Gebäude in Leuchtspuren. Funkelnde Laternenpfähle akzentuieren den dunkelgrauen Asphalt, ein Lichtstrahl vereint die fragmentierten Bodenbeläge. Strahlend rote Lichter zwischen den Schienen heben die Gleise hervor und warnen vor ankommenden Straßenbahnzügen; fluoreszierend grüne Lichter betonen und markieren die Übergänge.“

Seit kurzem kann man besichtigen, was aus Arribas' Konzept geworden ist. Am positivsten fallen sicher die Änderungen unmittelbar um den Hochstrahlbrunnen und das dahinter liegende Denkmal der Soldaten der Sowjetarmee auf. Die dichten Büsche, die bisher den Blick versperrten, wurden entfernt, die Bäume in Form gebracht. Die neu entstandene „Landzunge“ in der Hauptachse wurde nicht begrünt, sondern mit einem befestigten Boden versehen, in den Lichtstreifen eingelassen sind, die den Platz von unten beleuchten.

Nach Aussage der Stadt soll diese Fläche nur ausnahmsweise, und nicht - wie etwa vor dem Rathaus - kontinuierlich für öffentliche Veranstaltungen zur Verfügung stehen. Stadtbewohner und Touristen werden sich hier wohl fühlen und im Sommer den leichten Nebel des Hochstrahlbrunnens genießen - solange sie nicht auf Details achten. Denn Arribas hat sich zwar bemüht, Elemente wie Randsteine und Begrenzungsmauern mit mehr Liebe zu behandeln als sonst in Wien üblich. Die Ausführung bleibt aber stellenweise deutlich hinter der Ambition zurück, etwa dort, wo eine gekurvte Mauer aus identischen geraden Elementen zusammengesetzt ist und dicke Mörtelfugen die entstehenden Probleme „lösen“ sollen. So geht ein Häuselbauer vor, dem das Geld ausgegangen ist. Eine Großstadt sollte sich ein anderes Niveau leisten können.

Ähnliches gilt auch für die Lichtinszenierung. Arribas' Konzept ist auf ein Minimum reduziert. Kein Licht, das sich je nach Verkehrslage ändert, keine Haltestellen, die sich rot verfärben, bevor eine Straßenbahn einfährt. Die im Boden eingelassenen Lichterketten sind zwar programmierbar, blitzen aber eher eintönig vor sich hin. Und aus den schlanken Masten rund um das Reiterstandbild sind plumpe Rohre geworden, die vor allem in der Ansicht von vorne eine unangenehme Wirkung entfalten.

Die Beleuchtungskörper an diesen Masten sind zusätzlich über eine Seilabspannung gehalten, wodurch das Drahtgewirr über der Straße unnötig vermehrt wird. Jede Peitschenlampe aus den 1950er Jahren hat mehr Eleganz. Gescheitert ist Arribas' Lichtkonzept vor allem am hinhaltenden Widerstand der Wiener Linien gegen größere Lichtspektakel und an allgemeinen Bedenken in Hinblick auf die Verkehrssicherheit. Ursprünglich war eine diffusere Allgemeinbeleuchtung vorgesehen, um die Lichteffekte deutlicher hervortreten zu lassen. Der Schilder- und Ampelwald, der im Zuge der Neugestaltung noch leicht gewachsen ist, hat nur indirekt mit der Verkehrssicherheit zu tun. Er wächst im selben Maß, in dem Autofahrer nach einem Strafmandat die Behörden erfolgreich wegen mangelnder Beschilderung verklagen.

Insgesamt ist der neue Schwarzenbergplatz weder besonders geglückt noch besonders verunglückt. „It works“, sagte der Architekt bei der Eröffnung auf die Frage, ob er mit dem Ergebnis zufrieden sei. Wem das reicht, wird sich an die neue Gestaltung gewöhnen. Das eigentliche Problem besteht aber nicht in der mittelmäßigen Dekoration, sondern in den vielen Fragen, die hier gar nicht gestellt wurden. Was ist mit der „Kulturmeile“, die sich quer zum Platz an der Lothringerstraße vom Musikverein und vom historischen Museum bis zum Akademietheater und zum Konzerthaus entwickeln könnte? Wie sieht überhaupt das Nutzungskonzept für den Bereich um den Hochstrahlbrunnen aus? Ist es sinnvoll, die Verkehrsplanung vor der Platzgestaltung abzuschließen, statt interdisziplinär eine Lösung zu entwickeln? Und was ist mit der Geschichte des Platzes, die Arribas der „poetischen“ Idee opfert, die graue Tagesaktualität gegen einen nächtlichen Lichterzauber auszuspielen?

Denn weder das Reiterstandbild noch das „Russendenkmal“ sind beleuchtet, da sie sonst den Lichterketten Konkurrenz machen würden. Aber können wir sie wirklich so einfach aus dem öffentlichen Bewusstsein wegknipsen? Im Wettbewerb hatten die Architekten PAUHOF und der Künstler Hans Kupelwieser vorgeschlagen, die beiden Denkmäler von ihren Standorten zu entfernen und im vorderen Teil des Platzes einander gegenüber aufzustellen. Der Bereich um den Hochstrahlbrunnen wäre damit offen für eine völlig neue architektonische Lösung geworden. Allein die Idee hätte Diskussionen ausgelöst, die den Platz, seine Geschichte und Zukunft ins öffentliche Bewusstsein gebracht hätten, und vielleicht hätte sich am Ende eine Antwort gefunden, die einer selbstbewussten Großstadt angemessen ist. An derart grundsätzlichen Diskussionen zeigt die Wiener Stadtplanung aber schon lange kein Interesse mehr.

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