Bauwerk

Wohnen am Dach
Heinz Lutter - Wien (A) - 2003

Ein Statement in der Dachzone

Auf ein Eckhaus der Gründerzeit setzte Architekt Heinz Lutter ein markantes Zeichen in die Wiener Dachlandschaft: einen blauen, organisch geformten Aufbau.

29. November 2003 - Isabella Marboe
Der neue, hellblaue, unkonventionelle Dachaufbau auf dem Eckhaus Spitalgasse/Gießergasse im neunten Bezirk ist nicht zu übersehen. Wie ein Signal markiert eine rote Linie, wo das alte Gründerzeithaus endet und das neue beginnt. Früher war hier die Traufe, nun bildet die blaue Balkonbrüstung in kühner Schräglage ein neues Gesims. Von unten nicht sichtbar, liegt dahinter eine Terrasse für die Bewohner. Dynamisch wölben sich zwei organisch geformte, blaue Baukörper mit horizontalen Fenstereinschnitten gegen den Himmel.


Mal was ganz anderes

Architekt Heinz Lutter hatte genug von konventionellen Lösungen, er wollte ein Statement setzen und was ganz anderes machen. Bezugspunkt für das neue Objekt war nicht das Gründerzeithaus, sondern die Dachsilhouette des Straßenzuges. Schräg wie die Balkonbrüstung ragen das dreigeschoßige Objekt in der Spitalgasse und sein zweigeschoßiges Pendant an der Gießergasse in die Höhe.

Die neue Form erfordert eine neue Bauweise. Hochprofessionell und passgenau fertigte die Osttiroler Firma Unterluggauer Holzfertigteilelemente, in zehn Tagen stand die gedämmte, innen mit Gipskartonplatten verkleidete Sandwichkonstruktion auf der Stahlbetondecke. Als wetterfeste Außenabdichtung wurde das Holz mit dem dauerelastischen Flüssigkunststoff Kemperol überzogen und blau gestrichen. Ein Experiment mit temporär-leichtem, südlichem Flair.
Der historische Eckbau liegt in exponierter Lage. In der Spitalgasse erlaubt die Bauordnung einen dreistöckigen Aufbau, gegenüber befindet sich der Arne-Carlsson-Park. Von hier aus ist der neue Aufbau mit dem organisch geformten, zweigeschoßigen Fenster deutlich zu sehen. Umgekehrt hat man aus der spektakulären Eckmaisonette einen weiten Blick über die Stadt.


Ein Ufo ist gelandet

Die Maisonette beginnt im zweiten Dachgeschoß, Licht flutet durchs markante Südfenster in die 40 m² große Wohnküche, eine futuristische Metallstiege führt am Glas entlang hinauf. Dort befinden sich zwei Terrassen, eine davon landet wie ein Ufo am blauen Gießergassendach. Die schlanken Metallschlote, die hoch in den Himmel ragen, lassen an ein Schiff denken und bieten auch vom Innenhof einen fulminanten Ausblick. Der andere Teil der Terrasse gehört zur Nebenmaisonette, die zwei weiteren haben einen Hofbalkon.

Darunter liegen eingeschoßige Wohnungen, dynamisch wie das neue Balkongesims steigen die Wände. Alle Einheiten sind Ostwest zur Spitalgasse und zum ruhigen Hof orientiert, zweiseitig belichtet und haben Zugang ins Freie. Die bestehenden Kamine wurden so geschickt in die klaren, offenen Grundrisse integriert, dass sie nicht stören. Die drei Trakte des Aufbaus sind als eigenständige Hauszeilen mit zwölf Wohnungen von 50 bis 110 m² um den Innenhof mit Baum gruppiert.

Der neue Bauteil an der Gießergasse besteht aus lauter Maisonetten, innovativ zeigen sich auch die einläufigen Holzstiegen. Die Wangen wurden in schmale Scheiben zerlegt, die Treppe wird zur leichten, gitterartigen Skulptur. Straßenseitig strömt vom Süden Licht herein, Erschließung, Sanitär und Schlafen liegen zum ruhigen Hof. Blaues Steingranulat bedeckt den erschließenden Laubengang, Holzlatten die gedeckten Privatbalkone, metallene Gitter bilden das Geländer. Die ungewöhnliche, Schwimmbad-blaue Form der straßenseitigen Aufbauten, die vielen Freiflächen, auskragende Terrassen und der Blick auf Kamine, Schlote, Balkone und die umgebende Dachlandschaft erzeugen mediterranes Feriengefühl.

Im dritten, westlichen Innentrakt wurde die alte Konstruktion ausgebaut. Statisch verstärkt, neu gedeckt und mit Gaupen versehen ist dieser Teil eine Wohnoption für weniger Mutige. Ein Kontrast, der die Dachvielfalt im Hof mehrt.

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