Bauwerk

Segelzentrum Neusiedlersee
Stephan Schurich - Neusiedl am See (A) - 2003

Lautlos in Stahl und Holz

Eine Fassade, die ahnen lässt, was dahinter ist. Eine Verglasung, die minuziös in die Gebäudehaut komponiert ist. Kreatives Understatement: das Segelzentrum am Neusiedler See.

28. August 2004 - Liesbeth Waechter-Böhm
Die österreichischen Segler, das hat man auch jetzt in Athen wieder gesehen, zählen zur Weltspitze. Trotzdem hält sich der mediale, der öffentliche Lärm rund um ihre Leistungen eigentlich in Grenzen. Offenbar ist der Segelsport nichts, das Massen emotionalisiert. Er wird gewissermaßen „lautlos“ ausgeübt. Und das spürt man auch beim Segelzentrum am Neusiedler See. Architektonisch macht es keinerlei Wirbel, es ordnet sich der wunderbaren Seeufer-Landschaft unter, es fügt sich fast bescheiden in die Situation zwischen Osthafen und Strandbad ein. Das allein ist schon eine Qualität, die man schätzen muss. Denn die Uferlandschaften unserer Seen, auch des Neusiedler Sees, sind durch allzu leichtfertige, nicht selten brutale Bauaktivitäten ohnehin stark beeinträchtigt.

Stephan Schurich vom Büro „S+Architekturstudio“, Sitz in Wien und Salzburg, war für diese Aufgabe aber ganz offensichtlich der richtige Mann. Er hat den Auftrag über ein Verhandlungsverfahren im Jahr 2002 bekommen, und das kam nicht von ungefähr: Er war selbst profilierter Segler und weiß daher über die Anforderungen eines Segelzentrums aus der Praxis des Sportlers besonders gut Bescheid. So viel ist es aber gar nicht, was hier an Funktionen räumlich verknüpft werden musste. Nur verlangte dieses Wenige nach einer sinnvollen Organisation, nach reibungslosen Abläufen - in einer architektonischen Hülle, die nicht unangenehm massiv in Erscheinung tritt.

Das Segelzentrum besteht aus zwei Baukörpern - der hohen, fast quadratischen Bootshalle und einem niedrigeren, angekoppelten Riegelbauwerk. Auffallend ist, dass der Architekt diese beiden Baukörper nicht einfach linear angeordnet hat. Durch einen doppelten Knick im Riegel passt er sie vielmehr dem Uferverlauf an. Es ist eine dezente Maßnahme, kaum der Rede wert, wer aber genau hinschaut, der erkennt, dass sie städtebaulich in zweierlei Hinsicht bedeutsam ist. Vom Wasser her sowieso, weil sie das Seeufer durch diese Gliederung nicht so demonstrativ verbaut, sondern eigentlich sehr sensibel ins Terrain gebettet ist. Vor allem aber auch landseitig: Man geht besser auf das Gebäude zu, die Gliederung thematisiert die Frage der Orientierung. Schurich hat hier das Problem der Ablesbarkeit des Eingangs durch den Gebäudeknick und einen Gebäudeeinschnitt, also mit rein architektonischen Mitteln gelöst.

Der funktionell und von seiner Dimension her dominantere Baukörper ist die Bootshalle. Sie ist fast quadratisch - 23 mal 24 Meter Grundfläche -, an der höchsten Stelle etwa 14 Meter hoch, an der niedrigeren elf Meter. Das Objekt sieht so simpel - um das Wort „minimalistisch“ zu vermeiden - aus, an die Statiker, das Wiener Büro Gmeiner Haferl, stellte es dennoch gewisse Anforderungen. Weniger, weil am Seeufer eine Tiefgründung notwendig war, mehr, weil vom See her mit enormen Windlasten zu rechnen ist. Dadurch wurde sowohl eine Unter- als auch Überspannung notwendig.

Die Halle ist ein Kaltraum, ausgeführt in einer simplen Holzriegel-Konstruktion, die mit einer sehr transparenten Fassade aus überlappenden Wellplexiglasplatten versehen ist. Auf dem Boden: eine einzige, monolithische, 460 Quadratmeter große Betonplatte über die gesamte Grundfläche. Wichtig war die Transparenz der Fassade - in dieser Ufersituation hätte ein solches Volumen zum Störfaktor werden können. Man kommt durch sehr hohe Tore - Sonderanfertigungen, die einfach gebraucht werden, um die Boote dorthin zu schaffen - in diese Halle hinein. Und sie ist drinnen genauso dimensioniert, dass auch noch Spielraum zum Manövrieren bleibt.

Von dieser Halle geht es dann weiter zu allen notwendigen, angelagerten Funktionen. Eine ursprünglich improvisierte, inzwischen schon fast institutionalisierte Treppe führt zum Segelmacher hinauf. Der Durchgang zum Riegelbauwerk erschließt die Bereiche der Sportmedizin und Forschung, einen Fitnessraum und natürlich auch die Verwaltungsbereiche und das Café beziehungsweise die Bar im Obergeschoss.

Von der Bootshalle her ist also alles erreichbar. Natürlich gibt es aber den landseitigen Hauptzugang, dessen architektonische Formulierung dem Architekten ein so spezielles Anliegen war. Und von der Seeseite, im Einschnitt des doppelten Knicks, wurde ein weiterer Zugang situiert.

Die Anlage zeichnet sich durch dreierlei aus: Sie ist durchlässig, sie ist sehr pragmatisch organisiert, und in architektonisch-formaler Hinsicht könnte man sie als kreatives Understatement bezeichnen.

Der Holzriegel hat eine geölte Lärchenholzfassade, nicht in Stülpschalung, das wäre dem Architekten zu rustikal gewesen, man spürt durch, was dahinter ist. Das verleiht der Gebäudehaut aber auch ihre Eleganz. Und die hat sie ganz unaufdringlich. Das Gebäude selbst ist übrigens keine reine Holzkonstruktion, es ist eine Holz-Stahl-Konstruktion. Das merkt man vorne, landseitig, beim Eingang vielleicht am deutlichsten. Außerdem ist es nicht nur eine - wenn auch geknickte - Holzkiste. Minuziös in die Gebäudehaut komponierte Verglasungen setzen ihre eigenen Akzente: im landseitigen Eingangsbereich noch bescheiden, aber über Eck; im Obergeschoss teilweise raumhoch. Da ist dann auch eine Stahlkonstruktion vorgestellt, eine großzügige, dem Café- und Bar-Bereich zugeordnete Terrasse, von der sich der großartigste Seeblick eröffnet, den man sich nur vorstellen kann.

Es gibt Elemente im Haus, die das Gesamtbild stören. Sie stammen durchwegs nicht vom Architekten. Da wurde eine - nicht einmal schlechte - Küche gesponsert, aber auch eine Bar, und die kann man berechtigt in Frage stellen. Irgendwo ist ein Kühlschrank hingepappt, das tut auch weh. Und im Verwaltungsbereich gibt es ein Möbelprogramm, das man bestenfalls als Missverständnis bezeichnen kann. Das sind die Dinge, die sich dem architektonischen Zugriff dann immer wieder entziehen und die so viel anrichten können, dass einem fast die Freude an den Räumen vergeht.

Denn die räumliche Komposition selbst ist eine feine, eine sehr feine Angelegenheit. Stephan Schurich wusste natürlich, worauf es ankommt. Als Segler kennt er sich aus. Und er weiß auch, dass es selbst in einem „leisen“ Sport wie dem Segeln immer wieder auf Sponsoren ankommt. Für die vor allem gibt es die Bar und das Café. Für die gibt es diese große Terrasse mit dem grandiosem Seeblick, wo Events stattfinden können, die auch rein gesellschaftlichen, repräsentativen Anlässen dienen, wo aber auch simple Schiffstaufen gefeiert werden.

Eingebettet sind die beiden Baukörper in eine äußerst lapidare Freiraumgestaltung. Es handelt sich um den seltenen Fall einer Grünraumgestaltung einfach mit Gras. Das lässt sich auch pragmatisch erklären, eine aufwendigere Landschaftsarchitektur wäre der Praxis der Nutzung nur im Weg. Darüber hinaus ist es einfach wohltuend, wieder einmal zu spüren, dass man nicht alle Flächen voll stopfen, mit irgendwie botschaftsreicher Gestaltung besetzen muss. Wir wissen es allerdings von den Wiener Parks: Flächen, die nur begrünt und sonst gar nicht möbliert sind, werden als leer empfunden und nicht akzeptiert.

Aber wie gesagt, der Segelsport ist eine leise Angelegenheit. Da gelten andere Regeln. Und wenn man sich vorstellt, dass dieses im Grunde so unglaublich bescheidene Zentrum des Segelsports einer Disziplin dient, deren lokale Leistung international immerhin so hoch eingeschätzt wird, dass in zwei Jahren die Segelweltmeisterschaft hier, im Segelzentrum in Neusiedl, abgehalten wird, dann weiß man ungefähr, worum es geht. Es geht um die Brauchbarkeit, es geht aber auch um die Akzeptanz eines Neubaus in dieser höchst sensiblen Umgebung. Deswegen hat der Architekt auch so viel Wert auf die Plastizität der Baukörper-Konfiguration gelegt, die durch das wechselnde Licht im Tagesablauf erst zu leben beginnt. Das gesamte Objekt ist ja nicht groß, irgendwie verlangt es einem aber auf angenehme Art Aufmerksamkeit ab. Schurich sagt, es erschließt sich nur langsam. Und das trifft die Charakteristik dieser neu geschaffenen Situation tatsächlich.

Man könnte in diesem Fall resümieren, dass alles, was vom Architekten selbst stammt, richtig ist. Wie man auf das Gebäude zukommt, und zwar von beiden Seiten, auch wie man sich im Gebäude bewegt. Aber es ist noch manches hinzugekommen - abgesehen von der Möblierung -, und das lässt sich teilweise anfechten. Im Freiraum sind das vor allem die Fahnenmasten mit ihren irgendwie lächerlichen Krönchen, auch sonst noch allerlei. Dabei wäre es - speziell im Fall der Fahnenmasten - so einfach gewesen: Vier permanente Masten in schlichtem Nirosta - für Österreich, die EU, das Burgenland und den Verband -, und ansonsten temporäre Masten, die spezifischen Events dienen. Bei solchen, wirklich groß angelegten, überregionalen Ereignissen reichen die jetzt aufgestellten Masten für alle beteiligten Nationen ohnehin nicht aus, und es müssen ja sogar die Zäune des relativ beschränkten Areals fallen. Aber Letzteres war immer so vorgesehen, es ist eben Teil der großen Lösung - für punktuelle, überregionale Events - im Rahmen der kleinen.

Stephan Schurich hat ein Segelzentrum gebaut, dem jeder anmerkt, dass es für Segler wirklich maßgeschneidert ist. Ohne großen Aufwand. Sogar mit einer Bescheidenheit in der architektonischen Haltung, die ihresgleichen sucht. Obwohl die Anlage symbolisch für eine Höchstleistung im österreichischen Sport steht und der Architekt selbst eine enge Verbindung zum Segeln hat. Vielleicht resultiert aus der Verquertheit dieser Verbindung auch das Besondere der architektonischen Lösung.

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