Bauwerk

Berufsschule für Gartenbau und Floristik
atelier 4 - Wien (A) - 2002

Schluss mit dem Blumendorf

DER BAUKASTEN. Anmerkungen zur Architektur

Diesmal: Die neue Gartenbauschule in Kagran als Anlass für eine optimistische Prognose über die floristische Zukunft des öffentlichen Raums in Wien.

13. August 2003 - Jan Tabor
Unsere Gärten. Das Schmetterlingsfach unter den vielen nützlichen kommunalen Ämtern. Damit Wien, unsere Stadt, schöner und blumiger wird, sind die grün gewandeten Frauen und Männer des Gartenamtes ununterbrochen im Einsatz. Die Orte ihres Wirkens, ihre Geräte und Fahrzeuge sowie sie selbst sind mit dem hübschen, von einem lyrisch veranlagten Designer entworfenen „Unsere Gärten“-Emblem geschmückt, das die Metamorphose einer Blume zu einem Schmetterling darstellt.

Diese Schmetterlingsmenschen, so der Eindruck mancherorts, haben die Aufgabe, für Wien endlich einmal den ersten Preis im Wettbewerb um das schönste Blumendorf Niederösterreichs zu gewinnen. Manchmal übertreiben sie es mit all dem Blumenschmuck überall, mit den rustikalen Blumentrögen aus Beton, den mediterranen Palmen und mit ihren eigenen gartenkünstlerischen Kreationen.

Am Floridsdorfer Spitz haben sie einen ausrangierten Traktoranhänger abgestellt und zu einem Blumenbeet verwandelt. An der Kreuzung Praterstraße/Praterstern haben sie ein mannshohes Riesenrad aufgestellt, dessen Kabinen mit Blumentöpfen voll weißer Petunien nachgebildet sind. Unsere Gärtner sind die Zuckerbäcker unter den Wiener Umweltmachern. Bald wird es mit dem „Unsere Gärten“-Kitsch vorbei sein.

Diese Zuversicht fußt auf dem empirisch belegten Phänomen der prägenden Wirkung von Architektur auf das ästhetische Empfinden der Menschen. Besonders starke Wirkung haben die Forscher bei Kindern und jungen Menschen im Fall von Schulen und Ausbildungsstätten nachgewiesen.

Das vermutete der Fabrikant Arthur Krupp bereits um 1910. In Berndorf ließ er zwei Volksschulen errichten, in denen jede Klasse in einem anderen historischen Stil eingerichtet wurde, von ägyptisch über griechisch, romanisch und gotisch bis zum Rokoko. Krupp war überzeugt, mit dieser Kunst am Bau seine künftigen Arbeiter und Arbeiterinnen zum künstlerischen Empfinden erziehen zu können und so jene Fertigkeit entstehen zu lassen, die bei der Produktion von hübschen Bestecken und Gefäßen aus Alpaka von Nutzen sei, mit denen die Firma Krupp viele Grandhotels und Ozeandampfer auf der ganzen Welt belieferte.

In Wien-Kagran wurde ein neues Schulgebäude für Gärtner eröffnet. Die Architekten Peter Erblich, Zachari Vesselinov, Manfred Hirschler und Peter Scheufler, bekannt als „Atelier 4“, gewannen 1999 den europaweit ausgeschriebenen Wettbewerb und erhielten den Auftrag, das Gebäude am Donizettiweg, inmitten der bestehenden Lehrgärten und am Rand eines dendrologischen Schulparks, zu errichten.

Dass der Neubau, der aus dem Kagraner Vorstadtgrün höhenmäßig und aus der Vorstadtzersiedelung qualitätsmäßig herausragt, eine Schule ist, kann bereits aus der vorbeifahrenden U-Bahn deutlich erkannt werden. „SCHULE DER STADT WIEN“ ist in großen weißen und „FÜR GARTENBAU UND FLORISTIK“ in etwas kleineren roten Buchstaben zu lesen, die an dem Glasgeländer der Loggia über dem Eingang angebracht sind. Die Architektur ist gut, stellenweise sehr gut. Das Gute an ihr ist ebenfalls bereits von der U-Bahn-Station Kagran aus zu erkennen.

Um festzustellen, dass die Schule stellenweise sehr gut gebaut ist, muss man hinein. Es lohnt sich und geht einfach: An jedem ersten Donnerstag im Monat gibt es den so genannten Erlebnisgarten-Tag. Die Menschen dort sind freundlich. Das Foyer ist ohnehin als öffentlich zugänglicher Schauraum konzipiert, in dem die Früchte der Lehrarbeit präsentiert werden, vor allem kunstvolle Blumenarrangements. Sie dämpfen ein wenig die optimistische Geschmacksprognose.

Der Eingang ist eine Art Blumengeschäft mit einem zur Straße hin ausgerichteten Schaufenster. Die angehenden Floristen und Floristinnen sollen hier en passant lernen, wie man Blumen darbietet. Diese Funktion der Eingangsgestaltung ist eher zu erahnen als zu erkennen.

Die Innenräume sind es ausschließlich, die dazu veranlassen, die Architektur der Gärtnerschule als teilweise sehr gut zu taxieren. Das geräumige Foyer, das Stiegenhaus mit den galerieartigen Gängen, die Klassen und Werkstätten, Büros und Gemeinschaftsräume sowie ein Turnsaal: alles hell, freundlich und übersichtlich. Einfallsreiche Details, perfekte Ausführung. Beachtenswerte Kunst am Bau: „Pflücken Sie“ von Susanne Gamauf, „Der Iris Bogen“ von Josef Kern und „Selected scenery“ von Doris Krüger. Ausblicke und Durchblicke - vertikal, horizontal und diagonal. Wechsel zwischen offen und verschlossen, wohin man schaut. Oft weiß man nicht genau, ob man noch drinnen ist oder bereits draußen.

Diese Qualität wurde hauptsächlich dadurch erreicht, dass die Architekten ein Atrium im ersten Stock in den Mittelpunkt des Entwurfs setzten. Das Atrium ist seitlich offen, über einen Steg auch aus dem Park direkt erreichbar und setzt sich in eine Loggia über dem Eingang fort. Diese ist auf drei Seiten offen und vom Körper des dritten Geschoßes überdacht. Die Erfahrung der Logik der inneren Raum- und Funktionsorganisation macht die äußere Erscheinung verständlich.

Das Gebäude hat vier Seiten und drei verschiedene Fassaden, fast so, als wären es drei verschiedene Gebäude(teile), die da ineinander gesteckt sind. Alle Seiten sind irgendwie tadellos. Aber rundherum betrachtet ist es jeweils um eine Handvoll des Tadellosen zu viel. Zwei Fassaden bilden die öffentliche, repräsentative, von der U-Bahn aus sichtbare Seite. Jede dieser beiden Mischfassaden besteht aus drei oder vier verschiedenen Teilen, aus dem Wechsel zwischen Verputz- und Glasflächen, Öffnungen, Fensterschlitzen und Sonnenblenden. Die beiden anderen Fassaden bilden die abgewandte, betriebliche Seite des Gebäudes, die zu den Gewächshäusern und den Beeten der Lehrgärtnerei hin orientiert ist. Sie sind einheitlich, ausschließlich aus Glas, sachlich, ein wenig zu banal oder ein wenig zu sehr um Eleganz bemüht.

Zum Lehr- und Versuchsgarten zählt auch die fünfte Seite, die „obere Fassade“, wie der russische Revolutionsarchitekt Alexander Rodschenko das (Flach-)Dach genannt hat. Um die Eignung bestimmter Pflanzen für die Begrünung von Dächern zu demonstrieren und zu prüfen, ist es begehbar und mit verschiedenen Moosen und Kräutern so bepflanzt, dass eine farblich strukturierte, sehr ansehnliche Fläche entsteht. Leider ist das von der hoch gelegenen U-Bahn-Station aus nicht zu sehen, sie ist dafür um etwa einen halben Meter zu niedrig.

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