Bauwerk

Österreichisches Kulturinstitut
Raimund Abraham - New York (USA) - 2002
Österreichisches Kulturinstitut, Foto: David Plakke
Österreichisches Kulturinstitut, Foto: David Plakke

Eine architektonische Bravourleistung

Das neue österreichische Kulturinstitut in New York soll - nach langen Verzögerungen - am 4. Oktober eröffnet werden. Architekt Raimund Abraham führte Thomas Trenkler durch das Gebäude.

23. April 2001 - Thomas Trenkler
Es ist halb zwölf zu Mittag. Ein Passant bleibt stehen, beobachtet die Bauarbeiten zu ebener Erde, sein Blick gleitet die wasserfallartige Fassade vis-à-vis hinauf. „Fantastic!“, ruft er mir zu. Dann geht er weiter. Minuten später bleibt ein anderer Mann stehen und bestaunt die Architektur. Er ist der Grazer Architekt Günther Domenig. Wir plaudern ein wenig. Schließlich sagt er: „Der Abraham führt mich um halb eins durchs Kulturinstitut. Wenn Sie wollen, nehm' ich Sie mit.“

Ich lehne dankend ab. Denn schon treffen der aus Lienz gebürtige, seit 1964 in den Vereinigten Staaten lebende Baukünstler Raimund Abraham und Christoph Thun-Hohenstein, der Leiter des Kulturinstitutes, ein. Führungen gibt es also schon im Stundentakt. Das Interesse ist enorm, sagt Thun-Hohenstein.

Das neue Kulturinstitut (KI) in der 52. Straße in Midtown Manhattan - zentral zwischen Fifth und Madison Avenue gelegen - wäre wohl ein mächtiger Geschlechterturm, stünde er für sich allein. Schließlich ist das Gebäude mit seinen insgesamt 23 Stockwerken nur 7,8 Meter breit.

Aber auch in New York, eingezwängt und umzingelt von weit höheren und imposanteren Wolkenkratzern, fällt das Kulturinstitut auf: Dank seiner ungewöhnlichen, von renommierten Architekturkritikern bereits vielgerühmten Fassade mit dem Vorbau auf halber Höhe, den Abraham als den „Kopf“ bezeichnet. In diesem wird sich einmal das Büro des KI-Chefs befinden. Und dort soll es unter dem Titel „Art Talk in the Tower“ regelmäßig Club 2-artige, via Internet und ORF übertragene Diskussionen geben.

Das Gebäude hätte eigentlich längst fertig gestellt sein sollen. Doch es kam mehrfach zu Verzögerungen. Zuletzt im Herbst 1999, weil man sich von dem für die Betonarbeiten zuständigen Subunternehmen trennen musste. Um die schräg abfallende Aluminium-Glas-Fassade, die bei GIG in Attnang-Puchheim hergestellt und in Panelen nach New York transportiert wurde, montieren zu können, lag die Toleranzgrenze bei sechs Millimeter. Der vom Construction-Manager beauftragte Subunternehmer hätte aber viel zu ungenau gearbeitet, berichtet Abraham.


Italienisches Kartell

„Die handwerkliche Fähigkeit schwindet natürlich mit der Kommerzialisierung des Bauens hier. Wenn Sie ein Pianist sind und ein Jahr nicht mehr üben, dann können Sie eben in der Carnegie Hall kein Konzert geben.“ Einen neuen Subunternehmer zu finden sei aber so gut wie unmöglich: „Wenn man sich von einer Firma trennt, bekommt man keine andere mehr. Es ist ein italienisches Kartell.“

Der Generalunternehmer Skanska sei in der Not selbst eingesprungen. Und nun werkt man fieberhaft an der Fertigstellung. Im August soll das Gebäude übergeben werden. Sagt man. Derzeit schaut es für den Laien aber nicht danach aus: Noch ist jedes Stockwerk Großbaustelle. Und noch ist jede Menge Vorstellungsvermögen gefragt.


Galerie und Theater

Durch das Foyer gelangt man in die weitläufige Galerie, die sich über Halbgeschoße und seitlich verlaufende Treppen auf insgesamt vier Ebenen - bis in den Keller - erstreckt. Eine architektonische Bravourleistung. Direkt darüber befindet sich das Theater (samt Automaten-Cafeteria) für rund 75 Personen, über ihm liegt die ebenfalls zweigeschoßige Bibliothek. Man betritt sie im oberen Stock, wo es zwei Kojen für die Bibliothekare geben wird, und schreitet über eine Treppe, deren Haus die Fassade unterhalb des „Kopfes“ durchstößt, hinab zu den rund 10.000 Büchern.

Nach oben hin folgen ein multifunktionales Stockwerk für Vorlesungen und Seminare, die Direktion, drei Bürogeschoße, ein Loft für Besprechungen und ein Technik-Stockwerk. Darüber befinden sich noch die Wohnungen - für den Hausmeister, für Gäste und den Chef. Den Abschluss bildet eine Aussichtsterrasse und ein Spitz, der eigentlich mit Sonnenkollektoren bestückt werden sollte. Diesen Plan ließ man aber wieder fallen, weil sich die Stromgewinnung als ineffizient herausstellte. Die Bekrönung, hinter der sich der obligatorische Wasserturm befindet, wird dennoch gebaut: für die Fensterwaschanlage.

Sehr viel Platz gibt es in keinem der Stockwerke. Nicht nur wegen der Schmalheit des Gebäudes: Die Bauordnung schreibt einerseits Rücksprünge vor, andererseits zwei voneinander unabhängige Treppenhäuser. Abraham verlegte diese an die Nordseite - in Form einer schmalen Scherenstiege: „Das ist die absolut ökonomischste Art. Dennoch könnten die Treppen auch eine zehnmal so große Fläche versorgen.“

Alle öffentlichen Geschoße sollen mit Blue Stone, einer Art Sandstein mit blau-grauem Schimmer aus New York, verlegt werden. Dieser würde nicht prätentiös wirken, sagt der Architekt. Das Theater erhält einen Holzboden, die Bestuhlung liefert Thonet. Aus Österreich kommen auch die maßgefertigten Möbel, entworfen von Abraham. Diese seien wesentlich billiger als amerikanische. Und zudem: Das Kulturinstitut ist ein „Gesamtbauwerk“. Beziehungsweise: ein Gesamtkunstwerk.

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