Bauwerk

Kantonsbibliothek Baselland
Liechti Graf Zumsteg - Liestal (CH) - 2005
Kantonsbibliothek Baselland, Foto: Schultz/Rötheli
Kantonsbibliothek Baselland, Foto: Schultz/Rötheli

Alles unter einem Hut

Die Kantonsbibliothek Baselland in Liestal

Durch die Hallen eines ehemaligen Weindepots beim Bahnhof Liestal weht ein neuer Geist: Sie wurden von Liechti Graf Zumsteg aus Brugg zur Kantonsbibliothek umgebaut. Das architektonische Konzept überzeugt durch seinen ebenso respektvollen wie selbstbewussten Umgang mit dem Bestand. Heute wird das neue Haus offiziell eröffnet.

17. Juni 2005 - Hubertus Adam
Es gibt Gebäude, die aufgrund ihrer rätselhaften Gestalt den Blick magisch auf sich lenken. Passiert man im Schnellzug den Bahnhof Liestal, so erblickt man seit neustem kurz ein Haus, das man kaum einordnen kann: Ein niedriger, mit Dachziegeln verkleideter Baukörper wird von einem breit gelagerten, geknickten und in einer gläsernen Laterne mündenden Dach gekrönt. Details und grosse Geste zeugen von Ambition, und ein wenig erinnert der Bau an Arbeiten der «analogen Architektur», wie sie Ende der achtziger Jahre an der ETH Zürich entstanden: Einfache Formen werden nahezu monumental. Vertrautes erscheint fremd, Fremdes vertraut. Aber das Gebäude am Bahnhofsplatz in Liestal ist nicht der im Geiste von Miroslav Šik entworfene Prototyp einer Edelvariante von Pizza Hut, sondern die neue Kantonsbibliothek Baselland, bei der es sich «nur» um einen Umbau handelt.

Erhalt statt Abriss

Die Bibliothek von Liestal wurde 1838 gegründet, wenige Jahre nach der Spaltung der Kantone Basel-Stadt und Baselland. 1921 zog die Institution in das Erdgeschoss eines Gebäudes beim Bahnhof um, doch schon relativ bald waren die Magazine auf sechs Liegenschaften verteilt. Nach langen Diskussionen fiel Ende der neunziger Jahre der Entscheid zur Übersiedlung in ein anderes Gebäude - und zwar jenes der vormaligen Wein- und Kolonialwarenhandlung Louis Roth & Cie. Am Rande des inzwischen aufgelassenen Güterbahnhofs hatte der Architekt Meinrad Mangold 1924/25 ein Lagerhaus errichtet, das mit einer hybriden Konstruktion auf die durch einen starken Niveausprung geprägte Topographie des Terrains reagierte: Auf der Seite des höher gelegenen Bahnareals zeigte sich das Bauwerk als zweigeschossige Holzkonstruktion mit mächtigem Walmdach, zur Stadtseite hin besass es indes aufgrund zweier in den Hang eingelassener, in Stahlbeton errichteter Untergeschosse eine viergeschossige Fassade. 1984 erwarb der Kanton das Haus und die angrenzenden Liegenschaften mit der Option, parallel zum Bahnterrain Verwaltungsbauten zu errichten. Als man von diesem Plan abliess, war der Weg frei für die Neunutzung als Bibliothek. Die Tragwerkstruktur und die Dachform zu erhalten, das waren die Vorgaben des Architekturwettbewerbs im Jahr 1998, den das in Brugg ansässige Architekturbüro von Peggy Liechti, Andreas Graf und Lukas Zumsteg für sich entscheiden konnte.

Die jungen Architekten setzten auf die Strategie des Weiterbauens und auf einen respektvollen, aber auch selbstbewussten Umgang mit der bestehenden Substanz. Eine klare Konfrontation von Alt und Neu, wie man sie durch eine gläserne Haut hätte erzielen können, wäre in dieser Situation wenig überzeugend gewesen, und so entschieden Liechti Graf Zumsteg sich für eine neue, weitgehend geschlossene Hülle. Als grau verputzter Bau mit Lochfenstern präsentiert sich die neue Bibliothek zur Stadt, die roten Biberschwanzziegel des markanten Dachs greifen ringsum auf das Geschoss darunter aus und erinnern an die Fassadengliederung des früheren Lagerhauses. Neu hinzugekommen ist der zum Bahnhofsplatz orientierte Portikus mit Rundstützen, welcher die Eingangssituation akzentuiert und die Bibliothek mit dem Nachbargebäude verbindet. Nur hier öffnet sie sich mit einer Glasfront gegen aussen.

Integration von Alt und Neu

Über den beiden Untergeschossen, in denen sich Räume für die Verwaltung sowie Büchermagazine befinden, erstrecken sich auf insgesamt vier Ebenen die öffentlichen Bereiche. Die hölzerne Tragstruktur wurde von den Architekten geschickt in ihr Konzept integriert, das mit gelben Regalen und Einbauten, gelbem Kunstharzboden und grünlichen Brüstungsgläsern starke Zeichen der heutigen Zeit setzt. Markanteste Intervention ist der das gesamte Gebäude vertikal durchstossende und von der hohen gläsernen Laterne überfangene Lichthof, der den Blick durch alle Geschosse hindurch ermöglicht. Attraktiv für die Benutzer sind zudem eine Leseterrasse - und die wie «Studioli» wirkenden Arbeitsplätze hinter den aus dem Gebäude heraustretenden Kastenfenstern. Worum geht es in einer Bibliothek? «RECHERCHE» liest man im Wasserbassin auf dem Boden des Lichthofs. Zusammen mit dem rätselhaften « LA» auf dem Dach des Gebäudes fügt sich das Wort - als Teil des künstlerischen Konzepts von Stefan Banz - zum Proust-Zitat.

Durch die Arbeit von Liechti Graf Zumsteg hat Liestal eine ideal funktionierende und architektonisch prägnante Bibliothek erhalten. Mit seiner strahlenden Laterne ist der 18-Millionen-Franken-Bau ein Leuchtturm der Kultur in einem Kanton, der zu öffentlichen Investitionen in diesem Sektor nur mit Mühe bereit ist - der Bau eines dringend benötigten Museums für die Römerstadt Augusta Raurica lässt weiter auf sich warten. Vielleicht, so ist zu hoffen, kann das erfolgreiche Bibliotheksprojekt neue Impulse geben. Aber auch städtebaulich ist die Kantonsbibliothek ein Gewinn. Denn sie wertet den verödeten Bahnhofsbereich auf. Noch dient der Vorplatz als Autoabstellfläche, doch das soll sich bald ändern. Im Jahr 2002 gewann das Basler Büro Christ & Gantenbein den Wettbewerb für die Neugestaltung des Bahnhofsareals. Ein gemeinsam mit Vogt Landschaftsarchitekten erarbeiteter Quartierplan für den Bereich vor der Bibliothek liegt inzwischen vor und bedarf nur noch der Zustimmung des Einwohnerrats.

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Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung

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