Bauwerk

„Parnhansl“ Umbau und Erweiterung einer Landwirtschaft
Peter Zinganel - Hart bei Graz (A) - 2003

Mit Umsicht verwoben

Die Geschichte des Bauherrn ist mit dem geerbten Hof eng verwachsen. Umsichtig und ressourcenschonend schuf Architekt Peter Zinganel zu ebener Erde zwei helle, komfortable Wohnungen an der wärmespeicherstarken Nordwand im Bestand. Hinter der schönen, semitransparenten Holzlattenwand darüber lebt nun der Bauherr mit weitem Südblick im neuen, offenen Loft mit Galerie. Sauber trennt im modernisierten Bestand eine Schmutzschleuse am verglasten, ladentauglichen Schaufenster die Hofarbeit vom Wohnen.

19. November 2005 - Isabella Marboe
Erbschaften sucht man sich nicht aus, sie fallen einem zu: So kam Architekt Günter Koberg zu Haus, Hof und Kühen in Hart bei Graz, wo er arbeitet. Ort und Landleben waren ihm von Kindheit vertraut, der Blick ins oststeirische Hügelland himmlisch, der Hof von der Patina dauernden Gebrauchs durchtränkt. Ans Ostende des Satteldachs baute er sich Bad, Küche, Terrasse und Außentreppe an. Er wohnte oben, unten mietete sich die Besitzerin eines Stellpferdes ein, langsam gedieh eine extensive Landwirtschaft mit Obst, Rindern, Hühnern, Ziegen und Pferden.

Die Substanz war Substandard, das Provisorium abgenutzt, der Bauherr brauchte dringend mehr Lebensqualität, Haus und Hof eine umfassende Modernisierung. Um die Richtlinien zur biologischen Landwirtschaft zu erfüllen, mussten Abläufe geklärt, Flächen abwaschbar, Arbeiten und Wohnen sauber getrennt werden. Außerdem fehlte ein Raum zu Verarbeitung und Verkauf von Käse, Fleisch, Schnaps u. Ä. Hart bei Graz ist eine beliebte, expandierende Zuzugsgemeinde, unten sollten zwei vermietbare, oben eine offene, neue Bauherrnwohnung entstehen. Architekt Peter Zinganel war prädestiniert für die komplexe Aufgabe: Intensiv erlebte der Studienfreund und häufige Gast Werden und Wachsen des Hofs mit.

Ein alter Einlieger säumt die Zufahrt im Westen. Hier leben frei laufende Altsteirer-Hühner, wird Brennholz gelagert, auf der Hügelkuppe darüber streckt sich der schmale Haustrakt fast 25 Meter ostwärts. Seine Nordlängsseite fasst den Hof mit Stall ein, aus dem das Vieh direkt auf die Weiden läuft. Unterm Traktorstadel fällt im Süden sacht der bunte Bauerngarten mit Obstbäumen und Gemüse ab. Über lehmgestampften, ziegel- und kappenüberwölbten Kellern wuchs das Langhaus in vier Phasen, Außen- wurden Zwischenwände. Um Dämmung verstärkt, hält die speichermassenstarke Nordwand öffnungsarm die Wetterseitenfront. Am südsonnigen Garten aber erhellen nun bodenlange Fenster die zwei Wohnungen mit Parkett, Sanitär- und Kochzeile im alten Gemäuer. Die Garçonniere bekam eine Westterrasse, die Garage drunter einen gedeckten Vorplatz, ein Heizraum ergänzt die bewährten Lagerkeller.

Im Osten schließt der neue, transparente Vielzweck-Raum als Laden- Schaufenster den Hof, sauber trennt die Schmutzschleuse mit Bad und WC das Arbeiten vom Wohnen, wie eine bäuerliche „Labn“ weitet sich an der Nahtstelle zum Bestand der beidseitig glastürhelle Innenzugang zum beliebten Kommunikationsort mit Grünblick. Hier streift der Bauherr sein Bauerndasein an der nordwandflankierenden Innenstiege ab, wo das neue Loft am Industrieestrich überm Mauersprung der alten Traufkante beginnt. Hinter der semitransparenten Holzlattenwand, die nun als verbindende Klammer zwischen Alt und Neu das Dach krönt, weitet sich die offene Raumflucht an der Leichtbauwand aus Glas und Leimholz der Südsonne entgegen. An den Rändern schaffen die hereinragenden, schlanken Binder 1,20 Meter breite Nischen, zwischen denen unter anderem ein Schreibtisch zum Arbeitsplatz am Landschaftspanorama wird. Sie tragen das neue Flachdach und die Galerie, die mit Schlafpodest, Himmelsblick und Lümmelcouch wie ein Cockpit in den Luftraum über Herdblock und Tisch ragt. Mit zwei Schiebetüren lässt sich das gesellige Herz vom transparenten Bad am Schlafzimmer mit Westbalkon trennen. Versteckt führt vor der gelben Schrankwand im dunklen Norden eine schmale Holzstiege auf die eingehängte Galerie. Nostalgisch endet das Loft dort, wo alles begann: im Zubau mit Südosteck-Terrasse, wo man windgeschützt vor der Lärchenlattenscheibe und zwei v-förmigen, alten Dachsparren über oststeirische Hügel bis Slowenien blickt.

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