Bauwerk

Haus im Rußbachtal
Konrad Schermann - Unterolberndorf (A)

Prisma der Landschaft

Geradlinig, schlicht und schön nimmt das Haus von Architekt Konrad Schermann sein langes, großes Grundstück in Besitz. Ein kubischer Blickfänger im sanfthügeligen Weinviertler Rußbachtal, der mit verschiedenformatigen, umsichtig gesetzten Fenstern, vorspringender Loggia, raffinierter Verglasung und Luftraum im Innern wie ein Magnet die schönsten Ausblicke einfängt

3. September 2005 - Isabella Marboe
Prinzipiell begegnet Architekt Konrad Schermann der Einzelhausplanung aufgrund grassierender Landschaftsverhüttelung, Flächenfraß, hohen Erschließungskosten u.ä. mit verantwortungsvoll gebotener Skepsis. Auch die Bauherren trauten sich wegen kursierender Negativberichte nicht gleich übers Bauen, suchten erst eine größere Bleibe in Wien, dann ein altes Haus in näherer Umgebung. Bis sie einen 2600 Quadratmeter Grund in Unterolberndorf fanden, der so erschwinglich und schön war, dass alle Zweifel schwanden. Zu zwei Drittel grünlandgewidmet, konnten die Gärtner aus Leidenschaft hier ihrem Hobby frönen.

Sie kontaktierten drei Architekten, für Schermann sprachen ein Bekannter und sein schönes Klosterneuburger Haus, ausschlaggebend war, dass er gleich nach Unterolberndorf fuhr. Hier zeigt sich das Weinviertel von ganz untypisch sanfthügeligem Charakter. Als lose Streu-und Straßensiedlung schmiegt sich der verschlafene Ort an den weiten Bogen des Kreuttals, durch das träg der Rußbach fließt. Am Ende des Ortes liegt das 16 Meter breite Grundstück an der Straße im Südwesten. 130 Meter lang erstreckt es sich bachwärts nach Nordosten, dank Grünlandwidmung wird niemand je Sonne und Blick auf Holler, Schlehe, Walnuss und andere Naturlehrpfadbäume am Ufer verstellen. Der Bauplatz, wo sich fast ungetrübt das von kleinen Feldern, Mischwaldflecken, Weinund Baumreihen bewachsene Kreuttal-Panorama entrollt, überwältigte auch den Architekten. Dieser Ort rief nach einem Haus, das kunstsinnig die Landschaft zelebriert und wie ein Magnet einfängt. Weit abgerückt von der Straße, wird der moderne, graue Kubus in blickreicher Bestposition an der hinteren Baugrenzlinie zum Erschließungsschlüssel des Gartens, den er selbstbewusst in Besitz nimmt. Der Weg durch den tiefen Vorgarten am ummauerten, hofbildenden Carport vorbei zum quaderförmig eingeschnittenen, vom auskragenden Obergeschoss beschirmten Eingang wird zur Einstimmung auf die Natur.

Deren Erleben setzt sich im maßvoll aus weißen vor- und rückspringenden Quadern gemeißelten Baukörper fort. Gekonnt fasst er umgebende Idyllen rahmend ein: die Kirchturmspitze im Südosten, die er mit der abgegrabenen Terrasse vorm Büro bis in den Keller lockt. Das Bachbiotop, dem er in der trichterförmig-perspektivweitenden Loggia förmlich entgegenspringt. Das Firmament mit Sonne und Sternen. Bereits im Vorraum entfaltet das sichtachsenorientierte, plastische Gestaltungsprinzip seine volle Wirkung: in der Über-Eck verglasten Schlafgalerie, die in den zweistöckigen Luftraum dahinter ragt, spiegelt sich der Himmel und sorgt für kosmische Weite. Vom Küchenfensterband mit Kirchturm am abgetreppten Kräutergarten über den Großformat-Blick auf Rußbach- und Kreutberg durchs hohe Wohnraumglas, dem lauschig sitzbankbrüstungsgerahmten, schmalen Landschaftsfensterbild im niederen Raumteil bis hin zum Westfenster, das die Sonnenstrahlen über den Boden tanzen lässt, öffnet sich ein Rundumpanorama, das erst auf der podestartig hohen Terrasse im Naturgartenbiotop endet.

Den eleganten Auftakt ins Obergeschoss bildet die hinterleuchtete, weiße Acrylplattenwand an der Stiege auf die Galerie mit luftraumweiter Naturvogelperspektive, die erst am Kinderzimmer endet. Noch arbeitet die Baufrau im offenen Raum, später wird ihn die zweite Kinderzimmerwand beschneiden. Die vorspringende Schlafraumloggia schenkt das Erlebnis, gleichsam ins Freie zu treten. Rückhalt und Kastenfläche bietet die Nordwand, vom glasumhausten Luftraumeck sieht man zum Esstisch hinunter, im Liegen schenkt die Sichtbetonbrüstung bergenden Schutz, durchs Großformatglas aber leuchten die Gestirne.

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