Bauwerk

Wohnhausanlage Breitenlee
ss|plus architektur - Wien (A) - 2005

Stadtleben im Dorfanger

Am Ende von Breitenlee verliert sich Wien in Ackerland. Hier entwarfen Szedenik & Schindler eine Wohnanlage mit Mietermitbestimmung, die nach außen als geschlossene, urbane Einheit wirkt, innen aber mit lärchenholzverkleideten Hauswänden dörflichen Charakter entfaltet.

3. Juni 2006 - Isabella Marboe
Wien kann auch sehr ländlich sein. Hinter dem mit Kirche, Pfarrgarten und niederen Hauszeilen noch sehr urtümlichen Dorfanger von Breitenlee kippt die Stadt nach einer schütteren Ortsrandformation vereinzelter Altbauten und Betriebe in ebene Feldlandschaft. Hier hatte die Firma Mischek einen der letzten Baugründe, für den eine mit 109 Wohnungen sehr dichte Blockrandbebauung genehmigt war. Zum Glück genügte sie heutigen Ansprüchen nicht mehr, was zur Neuplanung durch die Architekten Szedenik & Schindler führte.

Mehr Stadtrand geht kaum: Viele Lastwägen brausen dem Schild entgegen, das den Anfang oder das Ende Wiens bezeichnet, eine Buslinie dringt noch ans letzte Stück Breitenleer Straße vor. Sie bildet die nördliche Schmalseite der 5000 m² Parzelle, die im Westen von einem schmalen Fußweg und im Osten von der Schukowitzgasse begrenzt wird. Verloren steht ein alter Stadel im weiten Ackerland dahinter, wo sich Wien am Raps-gelben Horizont verliert.

Familiärer Schutzwall

In der bestehenden Widmung entwickelten die Architekten eine spezifische Wohnform aus zwei in je drei Baukörper gegliederten, Nord-Süd-gerichteten Zeilen um eine grüne Mitte, die sowohl der Stadt als auch ihrem ländlichen Rand gerecht wird.

Außen wirkt sie mit ihren treppen- und laubengangflankierten Stahlbetonwandkanten als geschlossene, nicht aber eintönige Einheit und setzt so ein starkes urbanes Zeichen. Von geradlinigen Fensterreihen und durchgängigen, verglasten Stiegenhäusern ruhig gegliedert, bilden sie den Schutzwall nach außen, vor dem sich das naturnahe familiäre Wohnen in dreigeschoßig terrassierten, mit Holzfertigteilwänden organisch geschlossenen Baukörpern am eigengartengesäumten, gemeinsamen Grünraum entfalten kann.

Optimal reagiert die klare, harte Hausschale um den weichen, differenzierten Kern auf das zwitterhafte Wesen des Ortes zwischen Natur und Durchzugstraße. Die dortige Nordseite mit den zwei außentreppentragenden, weißen Zeilenflanken um die Lärchenholzlattenmitte, die an Stadel oder Zäune denken lässt, wirkt wie ein Tor - und ist auch eins. Dezent taucht die Garagenzufahrt in den Gartenstreifen dahinter ein, dem ihre sitzstufengedeckte Rampe zur Arena wird.

Von hier überblickt man die einander freundlich zugewandten, lärchenholzverkleideten Zeilen, in deren Grüngartenstraße wie ein Wagon der tonnengedeckte Gemeinschaftsraum an der Peripherie der Felder steht. Von Lärm und Abgasen geschützt, entfaltet sich zwischen den terrassierten Baukörpern die lebendige Atmosphäre eines südländischen Bergdorfes. Wie dort Häuser hangwärts streben, treppen sich die 54 durchgehend Ost-West-orientierten, zweiseitig belichteten Wohnungen bis zur holzbehausten Dachgartenlandschaft die Außenkanten hoch.

Das Lärchenholz und die 5,80 m Achsmaß der trennwandbildenden, tragenden Stahlbetonscheiben bilden den klaren, gemeinsamen Rahmen zur individuellen gartenseitigen Entfaltung.

Individuelle Entfaltung

Denn die Architekten entwickelten ein komplexes Modulsystem, das die Option zur Mitbestimmung bot: Künftige Mieter konnten die 2,2 m Terrassentiefe im selben Maß erweitern oder einschränken, als Freiraum, Loggia, Erker oder Innenraum nutzen, sowie über Fensterformate und ein- oder zweigeschoßige Wohnform entscheiden.

Das bereicherte die breiten gemeinsamen Laubengänge, Mieter- und Dachgärten um Treppen und führte zu einer ungeahnten Vielfalt an Vor-und Rücksprüngen. Rundum holzverkleidete Erker treffen auf offene Terrassen, Loggien, Balkone, Veranden und blühende Dächer. Wie am Dorfanger stehen sich am Gemeinschaftsgrünraum individuelle Wohnhäuser mit eigenen Gärten gegenüber.

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