Bauwerk

Quartierzentrum Albisrieden
huggen_berger gmbh - Zürich (CH) - 2005

Ein neues Ganzes

Das ehemalige Quartierzentrum Albisrieden wurde in der 1990er-Jahren zu einem Sozialzentrum umgestaltet. Die dazu notwendigen Veränderungen wie die Unterteilung des grossen Veranstaltungssaals in zwei Geschosse ergänzen und präzisieren den Pionierbau der 1930er-Jahre, der für den Übergang der Moderne zum Landistil steht.

18. November 2005 - Lilian Pfaff
Wegen der rasanten Entwicklung Albisriedens vom ländlichen Dorf zur bevölkerungsreichsten Gemeinde Zürichs schien es 1934 notwendig, einen gemeinsamen Mittelpunkt zu schaffen, der verschiedene Funktionen des damals neu eingemeindeten Quartiers aufnehmen sollte. Geplant waren ein Restaurant, ein Veranstaltungssaal für 650 Personen, eine Bibliothek, ein Frauen-
arbeitszimmer und ein Polizeiposten. Nach einem Ideenwettbewerb zwischen den Brüdern Hungerbühler, Heinrich Geiger und Karl Egender/Wilhelm Müller wurde das L-förmige Gebäude an städtebaulich markanter Stelle ausserhalb des alten Dorfkerns von Albisrieden von Egender und Müller errichtet. Das zweigeteilte Gebäude besteht aus einem dreigeschossigen, leicht gekrümmten Riegel mit Wohnungen und Restaurant, der sich an den Verlauf der Albisriederstrasse anpasst, und einem rechtwinklig dazu anschliessenden Saalbau mit Sitzungszimmern im Erdgeschoss und einem zweigeschossigen Saal für Vereinsanlässe oder Vorträge.
Es befindet sich seit 1986 im Inventar der schutzwürdigen Bauten und wurde 2001 von der Stadt Zürich für 9.1 Mio. Fr. gekauft, nachdem die Genossenschaft Gemeindehaus und der Quartierverein Albisrieden die notwendigen Sanierungen nicht mehr finanzieren konnten. Umbauten und Veränderungen gab es zu allen Zeiten: Es wurden Werkräume eingerichtet, die dann später zu Büros transformiert wurden. Am stärksten wirkte sich jedoch aus, dass 1961 die westliche Glasfassade des Saalgebäudes bis auf ein Oberlichtband zugemauert worden war. Bis zum Wettbewerb für den Umbau 2002 kamen weitere Zubauten und Eingriffe hinzu, die weit mehr als nur zeitgemässe Veränderungen der Ausgestaltung und Farbigkeit der Innenräume waren. Mit diesem Erbe galt es geschickt umzugehen.

Öffnung des Hauses

Das Projekt der Zürcher Architekten Lukas Huggenberger und Adrian Berger, die bereits durch zahlreiche Sanierungen wie etwa der Tramhaltestelle Paradeplatz aufgefallen sind, tastet sich an den Altbau heran und interpretiert ihn neu: So wurde die Fassade des Saaltrakts zu beiden Seiten wieder geöffnet. Charakteristisch für den historischen Bau ist die von Robert Maillart entworfene statische Struktur des Gebäudes. Betonstützen durchziehen ausgehend vom Untergeschoss die gesamte Fassade innen wie auch aussen und setzen sich an der Decke als Unterzug fort. Sie sind bewusst sichtbar belassen und bilden als plastische Gliederungselemente das Gegengewicht zum auskragenden Vordach und dem sich ausbuchtenden, halbrunden, verglasten Erker. Dieses ehemalige Foyer des Saales hält die beiden Flügel auf der Rückseite zusammen. Der neue Eingriff der Architekten ordnet sich diesem strengen Stützenraster unter und betont die Struktur sogar noch dahingehend, dass die Stützen sowohl mokka gestrichen als auch in ihrer Filigranität gestärkt wurden. Die Farbigkeit wurde unabhängig von der Originalfarbe Grau-ocker und dem hellgrauen Innenanstrich gewählt. Um die Stützen nicht vom Rest des insgesamt heller gestrichenen Gebäudes zu isolieren, wurden die Raumabschlüsse der beiden oberen Geschosse in derselben Farbe gestrichen.
Die Lesbarkeit des Hauses bleibt so trotz dem Einbau von Büros und Besprechungsräumen in den ehemals zweigeschossigen Saal erhalten. So ist denn auch die ursprüngliche Höhe des Saales aussen durch die grossen Glasfenster und durch die Betonung der Vertikalität der Lüftungsflügel spürbar – was zur luxuriösen Erschliessung der Büros im Inneren führte. Ein zweigeschossiger seitlicher Gang trennt die Einbauten von der Fassade und erfüllt so gleichzeitig die Auflage, den Einbau reversibel zu gestalten.

Neues Geschoss

Die Decke des neuen Geschosses ist eine leichte Stahlkonstruktion. Die Herausforderung war hier, alle technischen Anlagen wie auch die für das zusätzliche Geschoss notwendigen statischen Elemente nicht an der Fassade abzuleiten, sondern sie unsichtbar in der neuen Konstruktion unterzubringen. So sitzt das 2. Geschoss auf der unteren Trennwand aus Beton zwischen Eingangsbereich und Büros, weshalb die Aussenstruktur nicht verstärkt werden musste. Das gesamte Gebäude musste jedoch den Erdbebenanforderungen gerecht und dementsprechend ausgesteift werden – was letztlich zu einer Auskernung bis zum Rohbau führte. Zusätzliche Stützen sorgen im Untergeschoss für die in öffentlichen Gebäuden notwendige Tragfähigkeit von 500 kg (vorher waren es gerade einmal die Hälfte). Die Lüftungskanäle verlaufen durch die neuen Stahlträger, deren Bekleidung in ihrer Form und Farbigkeit der historischen Konstruktion nachempfunden ist.

Verschmelzung von Alt und Neu

Die Personenführung im Gebäude dient als Ausgangspunkt für die Anordnung der Büros und Besprechungsräume. Im Erdgeschoss werden die Besucher in einem durch Glastüren abgeschlossenen Bereich empfangen, dort, wo ehemals ein langer Gang zur Treppe zum grossen Saal im 1. OG führte. In der Stützenhalle unterbricht eine schräg in den Raum gestellte Theke die Sichtachse zur Treppe. Drei Fenster an der Stirnfassade wurden geschlossen, um die Aufmerksamkeit auf den Innenraum, die Wartehalle, zu lenken. Während die Architekten die Glasbaustein-Fassade durch geschosshohe Fenster ersetzten, behielten sie die Fluchttreppe, die ihre Funktion durch die Aufhebung des Saales eingebüsst hat, als strukturelles Element im Sinne des Altbaus bei. Auch wenn auf bestimmte architektonische Details Rücksicht genommen wurde, ging es weder um eine originalgetreue Rückführung in den Ursprungszustand noch um eine direkte Konfrontation von Alt und Neu. Angestrebt wurde vielmehr eine Verschmelzung zu einem neuen Ganzen.

Dienstleistungszentrum

In den ehemaligen Sitzungszimmern lassen sich die ersten beiden Sitzungszimmer zusammenschliessen zu einem Saal für 60–70 Personen. Sie sind weiterhin über den Eingangsraum mit alten Terrazzoplatten aus den 1930er-Jahren erschlossen. Von diesem Raum treten die Klienten in die Besprechungsräume, die zwischen dem öffentlichen Gang und den an den Fenstern liegenden Büros eingefügt wurden. Deren Intimität wird durch mattierte, transluzente Gläser und eine hohe Schallabsorption gewährleistet. Ein neues Treppenhaus neben dem Eingang an der Schnittstelle zwischen Restaurant- und Saalgebäude erschliesst die Besprechungsräume im 1. und 2. OG für die Besucher. Die leicht schräg geführte Treppe (dem schrägen Tresen vergleichbar) bewirkt ein angenehmeres Raumgefühl. Im Gegensatz dazu können die Angestellten über den ehemaligen Zugang zum Saal die Besprechungsräume von hinten erreichen. Im halbrund auskragenden ehemaligen Foyer ist die Cafeteria situiert mit Blick auf den einst mit Robinien bepflanzten Hof. Zwischen Decke und Fassade wurden auch am strassenseitigen Gebäudetrakt Neonröhren eingelassen, die nachts die Konturen und die leichten Biegungen des Baus nachzeichnen.

Präzisierungen des Baukörpers

Der frühere Wirtschafts- und Wohntrakt an der Albisriederstrasse mit seiner Apotheke wurde bis auf einige kleinere Eingriffe und Sanierungsmassnahmen (z.B. Aussendämmung der Fassade) kaum verändert. Lediglich der Anbau von 1989 wurde abgerissen und die Fensterpartien der Hofseite leicht geschmälert als Präzisierung der Proportionen.

Als nachträglicher Glücksfall stellte sich heraus, dass die 1- bis 2-Zimmer-Wohnungen im 2. OG noch zum Sozialzentrum dazugeschlagen werden konnten, wodurch zusätzlich zwei helle Grossraumbüros entstanden mit kleinen Besprechungsräumen über dem Korridor. Anstelle von Drahtglas ziert nun Milchglas die Balkonbrüstungen auf der Strassenseite. Die alten Rollläden wurden durch aluminiumbedampfte Gewebestoren ersetzt.

Wie sich eine heimelige Atmosphäre herstellen lässt, demonstrieren die Architekten beim Umbau des Restaurants mit der abgestuften Decke, der Lichtführung und mit Holzstühlen im Stil der 1930er-Jahre. Die grosse Freitreppe im Aussenraum, die gleichermassen zum Quartierzentrum wie auch zum Restaurant führte, wurde verkürzt und stattdessen die Mauer des Restaurants weitergeführt, um die Treppe genau an der Gebäudeachse (Trennung zwischen Saalbau und Restaurant) auszurichten. Dadurch erhielt das Restaurant eine Gartenwirtschaft mit Kiesboden und Platanen und das Sozialzentrum gleichzeitig einen akzentuierteren Eingang.

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Für den Beitrag verantwortlich: TEC21

Ansprechpartner:in für diese Seite: Judit Soltsolt[at]tec21.ch

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