Bauwerk

Insel in der Mur
Vito Acconci - Graz (A) - 2003

Wie eine Muschel auf der Mur

Die „Murinsel“ von Vito Acconci, ein Leitprojekt der Kulturhauptstadt „Graz 2003“, erhitzt die Gemüter: Man kritisiert die Kosten von 70 Millionen Schilling - und plädiert für die Realisierung anderer Projekte. Zudem benötigen der „steirische herbst“ und die „styriarte“ ein Festivalzentrum, für das es kein Geld gibt.

6. Juli 2001 - Thomas Trenkler
Wolfgang Lorenz, Intendant der Kulturhauptstadt Graz 2003, hält an seinem Lieblingsprojekt, einer Insel in der Mur nach den Entwürfen des New Yorker Künstlers Vito Acconci, unbeirrt fest: Derzeit arbeitet man fieberhaft an der Einreichplanung, die bis Ende Juli abgeschlossen zu sein hat, um rechtzeitig die Genehmigung zum Bau erhalten zu können. Schließlich soll der Eyecatcher rechtzeitig zur Eröffnung von Graz 2003 fertig sein - und das bedingt eine Errichtung während der winterlichen Niedrigwasserphase.

Von „Insel“ ist aber längst keine Rede mehr: Aufgrund des mitunter reißenden Gewässers konstruiert man nun eine Art Floß, das mit Stahlseilen vertäut wird.

Trotz Lorenz' Versprechen, das muschelförmige Amphitheater werde einen enormen Werbefaktor darstellen, hält sich die Begeisterung für die „Murinsel“ in Grenzen. Die steirische Kulturzeitschrift Korso stellte unlängst die Frage: „Vom Leit- zum Leidprojekt?“ - und ein Gutteil der nicht involvierten Befragten äußerte sich skeptisch bis ablehnend. Hauptkritikpunkt ist der Mitteleinsatz von 70 Millionen Schilling, sprich: einem Siebtel des Budgets.


Widerstand wächst

Von politischer Seite schießen sich die KP und die Grünen auf das Projekt ein. Und die Plattform Architektur, der alle namhaften Architekturinstitutionen der Steiermark angehören, übt Kritik: Man fordert - mit Verweis auf die Insel - „eine qualifizierte Diskussion über die uns inhaltlich betreffenden Projekte und deren architektonische Relevanz“.

Selbst im Programmarbeitskreis von Lorenz (zehn Personen ohne Entscheidungskompetenz) gibt es einige, die mit der „Muschel“ unglücklich sind. Aber nur Peter Weibel von der Neuen Galerie hatte bisher den Mut, öffentlich (im STANDARD vom 29. März) Kritik zu üben: Aus Angst, als „Vernaderer“ beschimpft zu werden, schweigt man. Diese Erfahrung durfte Emil Breisach machen: Der Leiter der Akademie Graz hatte vorgeschlagen, die Insel nicht zu bauen - und stattdessen „andere für 2003 eingereichte Projekte zu fördern - etwa das abgelehnte Vorhaben einer Ausstellung der steirischen Moderne“.

Breisach bezieht sich auf ein Konzept, das Götz Pochat, Ordinarius für Kunstgeschichte an der Grazer Uni, eingereicht hatte. Die Schau würde eine bisher „unbekannte Kunstlandschaft“ eröffnen, die „den Vergleich mit der Entwicklung der Malerei und Plastik seit der klassischen Moderne nicht zu scheuen“ brauche. Sie sei laut Pochat aber mit der Begründung, „trivial“ und „provinziell“ zu sein, abgelehnt worden.

Breisach trifft mit seiner Kritik einen wunden Punkt: Lorenz hatte die Grazer Kulturszene eingeladen, sich Gedanken zu machen, fand aber in der Folge nur einen Bruchteil der Projekte wert, sie zu realisieren. Etliche Vorhaben werden zudem von außen zugekauft, was man als Demütigung empfindet. Laut Hermann Candussi von den Grünen sei es geradezu „zynisch“ von Lorenz, 70 Millionen für die Insel zu verwenden - und die abgelehnten Projekte einfach an die Stadtväter weiterzuleiten, weil diese „auch etwas zu tun haben sollen“.

Unter den über hundert abgelehnten Projekten finden sich aber etliche, die über die geforderte Zeichenhaftigkeit verfügen und eine nachhaltige Wirkung hätten. Nikolaus Breisach, Leiter des Grazer Congress, hatte z. B. vier Künstler angeregt, die Kulturhauptstadt auf den Autobahnen in Richtung Graz zu thematisieren: Die Interventionen sollten neugierig machen und zur Abfahrt bewegen.

Abgelehnt wurde auch das Architekturprojekt von Konrad Frey, Gustav Troger und Erwin Wurm beziehungsweise die redimensionierte Variante für die Pfarre St. Lukas, die an der so genannten „Gastarbeiterroute“ liegt und noch stärker als bisher für Begegnungen positioniert werden soll: Sie wird 2003 zentraler Veranstaltungsort einer interreligiösen Konferenz sein.

Hier, an der Peripherie, hätte, so Architekt Frey, ein markantes Zeichen gesetzt werden können. Aber es gibt noch ein weiteres Projekt, das diese Vorgabe erfüllen würde: die Halle für die styriarte und den steirischen herbst.

Beide Festivals befinden sich permanent auf Wanderschaft. Da sich die Kosten für die Adaptierung temporärer Unterschlüpfe mit mehreren Millionen jährlich zu Buche schlagen, wünschen sich die Intendanten nun ein fixes Quartier: herbst-Chef Peter Oswald will eine „Kiste“, die bereits 2002 Verwendung finden sollte, Mathis Huber ein Konzerthaus für 1500 Personen, in dem Nikolaus Harnoncourt 2003 eine Offenbach-Oper zu dirigieren gedenkt. Und auch Lorenz benötigt dringend noch ein Veranstaltungszentrum - z. B. für die Ausstellung Sprachmusik.

Ein geeigneter Platz schien bereits gefunden worden zu sein: Das so gut wie nicht benutzte Park&Ride-Gelände hinter dem Bahnhof. Der Standort, verkehrstechnisch günstig gelegen, würde sich zudem für ein architektonisches Zeichen eignen. Das Problem allerdings: Es fehlt am Geld für den Erwerb des Grundstücks und die Errichtung des Bauwerks.

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