Bauwerk

Sanatorium Purkersdorf
Josef Hoffmann - Purkersdorf (A) - 1904

Purkersdorfer Restbestände

In den Kriegswirren plünderten die Purkersdorfer das Mobiliar „ihres“ Sanatoriums. Restbestände sind nicht nur auf dem Kunstmarkt heiß begehrt. Die Erben nach Zuckerkandl versuchen jetzt Ansprüche geltend zu machen. Mit bedingtem Erfolg.

11. April 2009 - Olga Kronsteiner
Es war das erste von Josef Hoffmann und der Wiener Werkstätte im Sinne eines Gesamtkunstwerkes konzipierte Projekt, für das der Industrielle Viktor Zuckerkandl 1904 den Auftrag erteilte: Bis 1906 entstand in Purkersdorf ein modernes und elegant ausgestattetes Sanatorium. Die Lesezimmer, Speisesäle, Salons, Spiel- und Schreibzimmer wurden nach Entwürfen von Josef Hoffmann und Kolo Moser möbliert. Mehrheitlich waren damit der Bugholzmöbelhersteller J. & J. Kohn und der Korbmöbel-Spezialist Prag-Rudniker beauftragt.

Die allseits bewunderten Modelle wurden von diesen Firmen nicht nur für das Sanatorium selbst hergestellt, sondern in das eigene Produktsortiment übernommen und wohl auch nach 1906 verkauft. Die exakte Anzahl der explizit für Purkersdorf produzierten Möbel ist nicht mehr nachvollziehbar. Auch, weil es im Archiv der Wiener Werkstätte im MAK (Museum für angewandte Kunst / Gegenwartskunst) keine Aufzeichnungen gibt, versichert Kuratorin Elisabeth Schmuttermeier. Von der ehemaligen Opulenz zeugen nur mehr alte Fotos.

Bis zur Weltwirtschaftskrise 1929 florierte der Betrieb, dann blieben die Maharadschas und Dollarmillionäre dem Refugium fern. Wenige Tage nach dem Anschluss wurde das Sanatorium von den neuen Machthabern unter kommissarische Verwaltung gestellt. Am 25. August 1939 erwarb es Hans Gnad für 3770 Reichsmark von der Österreichischen Kontrollbank. Zwei Jahre später wird das Gebäude zu einem Kriegslazarett umfunktioniert. Die Möbel - sie entsprachen nicht dem nationalsozialistischen Geschmack - wurden in den Kriegswirren geplündert und als Brennholz verwendet. Purkersdorfer Zeitzeugen erinnern sich noch heute an den Gestank, den die Möbellackierung beim Verheizen verursachte.

Nach dem Krieg versuchten die überlebenden Eigentümer der Zuckerkandl-Familie zu retten, was noch zu retten war. Im Februar 1948 wird das Rückstellungsverfahren eingeleitet, das im Juni 1952 mit einem Vergleich endete.

Im Februar 1953 verkauften die Zuckerkandls die Liegenschaft dem evangelischen Verein für „Innere Mission“, der es bis offiziell 1984 als Krankenhaus und Pflegeheim nutzte. Laut Günther Breckner, er verfasste 1979 bis 1982 seine Diplomarbeit über das Sanatorium, sei der Betrieb schon Ende der 70er-Jahre eingestellt worden.

Mangelnde Wertschätzung

Einen erheblichen Teil der Möbel hatte der Verein zu diesem Zeitpunkt bereits an Interessierte verkauft, und das waren wegen der damals mangelnden Wertschätzung für Objekte des Jugendstils nicht viele. Einer davon war John Sailer, der Mitte der 1960er-Jahre ein Konvolut an Stühlen aus dem Speisesaal erwarb. Ernst Ploil, Rechtsanwalt, Teilhaber des Auktionshauses „im Kinsky“ (Wien) und selbst Sammler, glaubt sich an 48 dieser Sailer-Schützlinge zu erinnern.

Etwa 3000 Euro hätte ein Exemplar damals gekostet, ein Wert, der sich im Zuge des Jugendstil-Hypes der 90er-Jahre in die Höhe schraubte. Allein von Dezember 1998 bis Jänner 1999 gelangten bei Christie's 23 dieser von J. & J. Kohn ausgeführten Stühle in London und New York unter den Hammer und spielten insgesamt stolze 558.000 Euro ein.

Sie alle hatten entsprechend den Katalogangaben von Christie's mehrfach den Besitzer gewechselt: Neben John Sailer waren das etwa Hans Hollein, der New Yorker Kunsthändler Richard Feigen sowie Margo und Maurice Cohen. Laut Ploil haben diese Stühle ein wesentliches in den 1960er-Jahren ergänztes Merkmal, den kreischroten Kunststoffbezug der Sitzfläche. Ohne diese Besonderheit, das bestätigen Elisabeth Schmuttermeier und Eva Ottillinger, Kuratorin des Hofmobiliendepots, sei eine Unterscheidung zwischen original „Purkersdorfern“ und den von Kohn als Modell Nr. 322 seriell hergestellten und verkauften unmöglich. Aber ein relevantes Detail, da sich die Erben nach Fritz Zuckerkandl seit einiger Zeit bemühen, für die originalen Einrichtungsgegenstände Ansprüche geltend zu machen.

International seien sie damit abgeblitzt, erklärt Ernst Ploil. Vor einigen Jahren habe er ein entsprechendes Gutachten im Auftrag Ronald Lauders verfasst, als man die Neue Galerie (New York) um Restitution deren Purkersdorfer-Sammlungsbestandes ersuchte.

Der gerichtliche Vergleich von 1952 hätte sowohl die Liegenschaft umfasst als auch die - um den Inventarschwund seit 1938 reduzierten - noch verbliebenen Ausstattungselemente. Alles andere, so Ploil, wäre juristisch völlig unsinnig. Als grob unverhältnismäßig deklariert dagegen Alfred Noll den damaligen Vergleich. Er vertritt die Zuckerkandl-Erben mittlerweile in der Liegenschaftsangelegenheit. In Sachen Mobiliar wurde er von seinen Klienten nie beauftragt. Fehlende Inventarlisten, bestätigt auch Noll, bleiben hierbei der größte Fallstrick.

Laut Emil Zuckerkandl seien die Räume Anfang der 1950er-Jahre leer gewesen. Dagegen spricht aber der rege Absatz in den Folgejahren: Neben erwähnten Sessel-Verkäufen in den 1960er- und auch 1970er-Jahren, fand 1985 in der Galerie Metropol eine Ausstellung mit Leihgaben der „Inneren Mission“ und auch verkäuflichem Mobiliar statt.

Totgerittener Zustand

Im begleitenden Katalog ist auch eine zeitgenössische Aufnahme des Billardzimmers publiziert. Zu sehen sind drei eingebaute Fauteuils und jeweils zugehörige Regale, wie viele es ursprünglich waren, ist nicht mehr feststellbar. Das in der Galerie Metropol gezeigte Ensemble stand nicht zum Verkauf, was danach damit passierte, weiß Georg Kargl nicht; diese Woche hätte ein solches bei Christie's in London versteigert werden sollen. Ploil kennt es. Schon zweimal hätte man es ihm zu einer Auktion „im Kinsky“ anvertrauen wollen. Er habe, so Ploil, „wegen des erbärmlich totgerittenen Zustandes“ der Möbel dankend abgelehnt. Nach einem Bericht im Kurier, wonach Emil Zuckerkandl hier gestohlenes Kunstgut vermutet, zog Christie's den Fauteuil (Taxe 9920 Euro) sowie das Regal (4410 Euro) zurück. Wohl eher aus politischem Kalkül, denn auf juristisch argumentierbarer Basis. Wann und von wem der jetzige Einbringer diese Möbel bezog, wollen weder er noch Christie's offenlegen.

Vermutlich von einem der weiteren Vorbesitzer: 1991-2002 der deutsche Immobilienunternehmer Walter Klaus, ab 2002 die Buwog (Bauen und Wohnen Gesellschaft mbH), seit 2006 die Baca Adagio Leasing GmbH.

Von dem mittlerweile begehrten Mobiliar war Anfang der 1990er-Jahre nicht mehr viel übrig. 1992 wurde das Sanatorium unter Denkmalschutz gestellt, in einer Beilage sind noch neun Einrichtungsgegenstände angeführt, die - bestätigt Eva-Maria Höhle, Generalkonservatorin des Bundesdenkmalamtes (BDA) - also noch vorhanden sein müssten. Das Billard-Ensemble sei nicht darunter, wohl aber zwei Tische aus dem Speisesaal. Womöglich jene beiden, die Sotheby's im Dezember 2008 in New York für rund 10.300 Euro versteigerte?

Die Angaben im Katalog sprechen dafür: Der Einbringer habe die Tische im Zuge des Verkaufs an die Buwog erworben. Wie es scheint unrechtmäßig, denn ein Antrag auf Ausfuhr, erklärt Höhle auf Anfrage, wurde nie gestellt.

Für kommende Woche wurde nun eiligst ein Lokalaugenschein in Purkersdorf anberaumt.

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