nextroom.at

Profil

Seit 1981 freischaffende Fotografin
lebte in Wien

Lehrtätigkeit

Lehrauftrag an der Universität für angewandte Kunst, Wien
Gastprofessur an der Universität für künstlerische und industrielle Gestaltung, Linz

Publikationen

Zahlreiche Publikationen, zuletzt „Margherita Spiluttini – räumlich“, edition fotohof, 2007

Veranstaltungen

2007 „Atlas Austria“, Architekturzentrum Wien
2006 „Atlas Austria“, Az W at Arco, Arqueria de Nuevos Ministerios, Madrid
2004 Architectural Association, London
2002 „Nach der Natur. Konstruktion der Landschaft“, Technisches Museum Wien
1991–1997 Wanderausstellung „Neue Häuser. Architekturfotografie M. S.“, gezeigt an 25 internationalen Ausstellungsplätzen) sowie Biennale für Architektur in Venedig 1991, 1996 und 2004

Auszeichnungen

2016 Österreichischer Staatspreis für Fotografie
2006 Österreichisches Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst
2005 Großer Kunstpreis des Landes Salzburg
1997 Preis der Stadt Wien
1996 Österreichischer Würdigungspreis für künstlerische Fotografie

Architekturfotografie

Presseschau

1. Oktober 2016 Wojciech Czaja
Der Standard

Die Ar­chi­va­rin der Räu­me

Vor­ge­stern, Don­ners­tag, wur­de Marg­her­ita Spi­lut­ti­ni mit dem Ös­ter­rei­chi­schen Staats­preis für künst­le­ri­sche Fo­to­gra­fie aus­ge­zeich­net. Wir ha­ben sie zum In­ter­view ge­trof­fen. Ein Ge­spräch über schwar­ze Tü­cher, dep­per­te Äng­ste und das We­sen gu­ter Ar­chi­tek­tur­fo­to­gra­fie.

Stan­dard: Die meis­ten sa­gen: „Na end­lich!“ Was sa­gen Sie?

Spi­lut­ti­ni: Da­mit hät­te ich nie ge­rech­net. Als ich die Nach­richt be­kom­men ha­be, bin ich fast raus­ge­fal­len aus mei­nem Roll­stuhl.

Stan­dard: Wie ka­men Sie zur Fo­to­gra­fie?

Spi­lut­ti­ni: Ich ha­be frü­her als me­di­zi­nisch-tech­ni­sche As­sis­ten­tin ge­ar­bei­tet. Ich sa­ge im­mer: Mei­ne er­sten Fo­tos wa­ren ra­dio­ak­ti­ve und ra­dio­lo­gi­sche In­nen­raum­fo­to­gra­fien vom Kör­per! Nach der Ge­burt mei­ner Toch­ter 1972 ha­be ich den Job auf­ge­ge­ben. Nach und nach ha­be ich dann auch au­ßer­halb des Kran­ken­hau­ses zu fo­to­gra­fie­ren be­gon­nen. Das wa­ren ganz ei­ge­ne, per­sön­li­che Sa­chen, wo ich mich beim Ko­chen und Auf­räu­men selbst do­ku­men­tiert ha­be. Bei den er­sten Ar­bei­ten han­del­te es sich um Se­rien – um Ver­su­che, die Welt in ge­wis­sen Zeit­ab­stän­den zu be­grei­fen. Nie­mals hat­te ich da­ran ge­dacht, das je­mals pro­fes­sio­nell zu ma­chen.

Stan­dard: Da­mals gab es in Ös­ter­reich ge­ra­de mal Re­por­ta­ge- und Ge­wer­be­fo­to­gra­fie. Wie ha­ben Sie in die­sem Mi­lieu be­stan­den?

Spi­lut­ti­ni: Die Bran­che war tra­di­tio­nell und ver­krus­tet. Fo­to­gra­fie als zeit­ge­nös­si­sche Kunst­form war ein Fremd­wort. Und die Mag­num-Fo­to­gra­fie, die al­le be­wun­dert ha­ben, war mir zu an­ek­do­tisch. Es gab kei­ner­lei Vor­bil­der. Al­les war mög­lich. Doch ge­nau des­halb war das ei­ne span­nen­de Zeit! Wich­tig wa­ren die Fo­to­kur­se, Sym­po­sien und Works­hops der Ca­me­ra Aus­tria im Fo­rum Stadt­park in Graz. Die ha­ben mich sehr ge­prägt. Zu­nächst ha­be ich mich in mei­nen Fo­tos mit der Ge­sell­schaft be­schäf­tigt, mit der Frau­en­be­we­gung, mit der Ver­gäng­lich­keit des Au­gen­blicks. Ich ha­be Men­schen, Mo­men­te und Land­schaf­ten fo­to­gra­fiert.

Stan­dard: Die Land­schafts­fo­tos ha­ben et­was Kal­tes, et­was Her­bes. Wie kam es da­zu?

Spi­lut­ti­ni: Das war bei Gott kei­ne Tou­ris­mus­fo­to­gra­fie! Ich den­ke, das hat nicht nur, aber auch bio­gra­fi­sche An­tei­le. Ich bin im Pon­gau auf­ge­wach­sen, mit­ten in den Al­pen. Mein Va­ter war Baum­eis­ter, und in mei­ner Er­in­ne­rung ist er im­mer wie­der vor Roh­bau­ten, Brü­cken, Tun­neln und tech­ni­schen Bau­ten ge­stan­den und hat sie be­wun­dert. Mei­ne gan­ze Kind­heit war ge­prägt von die­sen be­droh­li­chen Ber­gen und die­sen tech­ni­schen Ein­grif­fen, mit de­nen die Men­schen das Gi­gan­ti­sche und Un­wegs­ame der Al­pen über­win­den wol­len. Das war ei­ne Art Hass­lie­be. Das Dis­tan­zier­te hat sich ge­hal­ten.

Stan­dard: Sind Sie ein­fach her­um­ge­fah­ren und ste­hen­ge­blie­ben, wo es ge­ra­de gut war? Oder wur­den die Fo­tos ge­plant und kon­zi­piert?

Spi­lut­ti­ni: Nein, ge­plant war das nicht. Das meis­te ist im Vor­bei­fah­ren pas­siert. Aber von Schnapp­schüs­sen kann man auch nicht wirk­lich spre­chen. Ich ha­be meist mit ei­ner Plat­ten­ka­me­ra fo­to­gra­fiert. Das ist ein Rie­sen­trumm mit ei­nem schwar­zen Tuch oben­drü­ber, das Bild auf der Matt­schei­be stand auf dem Kopf und war sei­ten­ver­kehrt, ein je­des Fo­to hat in der Ein­stel­lung Ewig­kei­ten ge­dau­ert. Die tech­ni­sche Rou­ti­ne ist erst im Lau­fe der Zeit ent­stan­den.

Stan­dard: Ei­nes Ta­ges kam auch die Ar­chi­tek­tur­fo­to­gra­fie da­zu.

Spi­lut­ti­ni: Ei­nes Ta­ges wur­de ich ge­be­ten, für die Ös­ter­rei­chi­sche Ge­sell­schaft für Ar­chi­tek­tur (ÖG­FA) Fo­tos für ei­nen Wie­ner Ar­chi­tek­tur­füh­rer zu ma­chen. Spä­ter ha­be ich dann mit Lei­den­schaft Häuslb­au­er-Aus­for­mu­lie­run­gen so­wie Häu­ser mit Eter­nit­schin­deln fo­to­gra­fiert. Das Schö­ne und das Poe­ti­sche, das Häss­li­che und Kit­schi­ge. Al­les war gleich viel wert. Mit der Zeit ent­wi­ckelt sich ein Fai­ble für das De­tail, für das Ge­stal­te­te, für das Kom­po­nier­te und das Zu­fäl­li­ge. Und plötz­lich ist man Ar­chi­tek­tur­fo­to­gra­fin.

Stan­dard: Ab den Neun­zi­ger­jah­ren wa­ren Sie Haus-und-Hof-Fo­to­gra­fin für die Schwei­zer Ar­chi­tek­ten Her­zog & de Meu­ron.

Spi­lut­ti­ni: Der reins­te Zu­fall! Ich war mit dem Au­to nach Rom un­ter­wegs, ha­be ei­nen Zwi­schen­stopp in Ba­sel ge­macht, wo Her­zog & de Meu­ron ge­ra­de ei­nen Vor­trag ge­hal­ten ha­ben, und nach dem Vor­trag ha­ben mich die bei­den ge­fragt, ob sie mir nicht schnell die neue Ri­co­la-La­ger­hal­le in Lau­fen zei­gen kön­nen. Ich ha­be ein paar Fo­tos mit der Klein­bild­ka­me­ra ge­macht. Die dürf­ten ih­nen so gut ge­fal­len ha­ben, dass da­raus ei­ne Zu­sam­men­ar­beit über vie­le Jah­re ent­stan­den ist.

Stan­dard: Was macht gu­te Ar­chi­tek­tur­fo­to­gra­fie aus?

Spi­lut­ti­ni: Das ist ei­ne der Fra­gen, die man nie in ei­nem Satz be­ant­wor­ten kann. Da gibt es vie­le un­ter­schied­li­che Glau­bens­sät­ze. Aber für mich ist Ar­chi­tek­tur­fo­to­gra­fie nichts an­de­res als ei­ne auf­merk­sa­me Kennt­nis­nah­me der Welt. Ich neh­me Ar­chi­tek­tur so­zio­lo­gisch als Re­prä­sen­ta­ti­on der Mensch­heit wahr. Das kann ei­ne Baum­eis­ter­vil­la im tos­ka­ni­schen Stil sein, ein preis­ge­krön­tes Ein­fa­mi­li­en­haus, ein spek­ta­ku­lä­res Macht­sym­bol ei­nes Ver­si­che­rungs­un­ter­neh­mens. Das zwei­di­men­sio­nal ab­zu­bil­den fin­de ich span­nend.

Stan­dard: Was ist das Span­nen­de da­ran?

Spi­lut­ti­ni: Es fehlt nicht nur die drit­te Di­men­si­on, es feh­len auch al­le an­de­ren Sin­nes­wahr­neh­mun­gen wie Tas­ten, Rie­chen, Schme­cken, Hö­ren. Aber das Schö­ne ist: Weil das al­les fehlt, kann man es nach frei­em Er­mes­sen hin­ei­nin­ter­pre­tie­ren.

Stan­dard: Ab wann kann man bei Fo­to­gra­fie von Kunst spre­chen?

Spi­lut­ti­ni: Ab dann, wenn sie in ei­nem Mu­se­um oder ei­ner Ga­le­rie hängt und man da­für viel Geld ver­lan­gen kann.

Stan­dard: Vor 20 Jah­ren wur­de bei Ih­nen mul­ti­ple Skle­ro­se dia­gno­sti­ziert. Seit 2006 sind Sie auf den Roll­stuhl an­ge­wie­sen. Wie kön­nen wir uns Ih­ren Ar­beits­all­tag vor­stel­len?

Spi­lut­ti­ni: Mei­nen letz­ten Fo­to­auf­trag ha­be ich vor zwei Jah­ren ge­macht. Ich hat­te groß­ar­ti­ge As­sis­ten­tin­nen, und das Fo­to­gra­fie­ren war ei­ne Mi­schung aus Ein­stel­lung wäh­len, An­wei­sun­gen ge­ben, über­prü­fen, wie­der An­wei­sun­gen ge­ben, wie­der über­prü­fen und ab­drü­cken. Wir wa­ren ein ein­ge­spiel­tes Te­am – auch wenn das manch­mal skur­ril aus­ge­se­hen ha­ben muss. Stel­len Sie sich ein­mal ei­ne Fo­to­gra­fin im elek­tri­schen Roll­stuhl mit in­te­grier­ter Steh­funk­ti­on, ei­nem Ka­me­rast­ativ und über al­lem drü­ber ein gro­ßes schwar­zes Tuch vor. Wir ha­ben oft lus­ti­ge Bli­cke ge­ern­tet.

Stan­dard: In­wie­fern hat sich die Fo­to­gra­fie durch die Krank­heit ver­än­dert?

Spi­lut­ti­ni: Mein gan­zes Le­ben hat sich da­durch ver­än­dert. So ei­ne Krank­heit ist ei­ne gro­ße Zä­sur, aber ir­gend­wann ak­zep­tiert man sei­ne ei­ge­ne End­lich­keit, und die­ses Be­wusst­sein bringt auch viel Ru­he. Man übt sich in Ge­las­sen­heit, in ei­nem Neu­sor­tie­ren der ei­ge­nen Wich­tig­kei­ten. Man sieht al­les ru­hi­ger, dis­tan­zier­ter, ana­ly­ti­scher. Ich den­ke, das spiegelt sich auch in den Fo­tos wi­der.

Stan­dard: Wo­ran ar­bei­ten Sie heu­te?

Spi­lut­ti­ni: Fo­to­gra­fie­ren geht gar nicht mehr. Da­zu kann ich die Fin­ger zu we­nig be­we­gen. Aber durch die Krank­heit ha­be ich er­kannt, dass ich mich mit mei­nem Ar­chiv be­schäf­ti­gen muss – in­halt­lich und auch bio­gra­fisch. Das ist ei­ne Er­kennt­nis, die mir als ge­sun­der Mensch wohl vor­ent­hal­ten ge­blie­ben wä­re. Es hat al­so auch was Gu­tes.

Stan­dard: Wie schaut die­se bio­gra­fi­sche Be­schäf­ti­gung aus?

Spi­lut­ti­ni: Ich schaue mir die al­ten Fo­tos an und wun­de­re mich aus der his­to­ri­schen Dis­tanz her­aus da­rü­ber, wie dep­pert ich da­mals war. Ich kann mich an vie­le Äng­ste er­in­nern. Und ich se­he, wie sich mei­ne Fo­to­gra­fie im Lau­fe der vie­len Jah­re ver­än­dert hat. Tat­säch­lich aber ar­bei­te ich das Ar­chiv durch und er­gän­ze es durch das Er­ken­nen von neu­en in­halt­li­chen Zu­sam­men­hän­gen und um feh­len­de Da­ten und Fak­ten.

Stan­dard: Wie groß ist Ihr Ar­chiv?

Spi­lut­ti­ni: Cir­ca 120.000 Dia­po­si­ti­ve und Ne­ga­ti­ve. Mitt­ler­wei­le ha­ben wir das meis­te auch schon di­gi­ta­li­siert. Ich bin sehr froh da­rü­ber, dass das Ar­chi­tek­tur­zen­trum Wien mei­nen Vor­lass über­nom­men hat. Das ist ei­ne gro­ße Er­leich­te­rung.

Stan­dard: Der Staats­preis ist mit 22.000 Eu­ro do­tiert. Gibt es schon Plä­ne, was da­mit pas­sie­ren soll?

Spi­lut­ti­ni: Pelz­män­tel kau­fen! Ach was. Ich ha­be mir aus­ge­rech­net, dass das Geld in et­wa aus­reicht, um mit al­lem Drum und Dran ein Jahr lang über die Run­den zu kom­men. Der Staats­preis schenkt mir ein Jahr schö­ne Le­bens­zeit.

Marg­her­ita Spi­lut­ti­ni , ge­bo­ren 1947 in Schwarz­ach im Pon­gau, mach­te ei­ne Aus­bil­dung als me­di­zi­nisch-tech­ni­sche und ra­dio­lo­gi­sche As­sis­ten­tin und ar­beit­ete zu­nächst im Wie­ner AKH. Da­nach mach­te sie sich als Fo­to­gra­fin selbst­stän­dig. Sie un­ter­rich­te­te an der Kunst­uni­ver­si­tät Linz und an der Uni­ver­si­tät für an­ge­wand­te Kunst in Wien und war bis 2011 Vor­stands­mit­glied in der Wie­ner Se­ces­si­on. 2015 hat sie ihr Ar­chiv dem AzW ver­macht. Zu­letzt er­schien ihr Buch „Marg­her­ita Spi­lut­ti­ni: Ar­chiv der Räu­me“ (Fo­to­hof Edi­ti­on).

20. September 2016 Die Presse

Staatspreis für Fotografie geht an Margherita Spiluttini

Die Architekturfotografin Margherita Spiluttini wird mit dem Staatspreis für künstlerische Fotografie geehrt. Der Kulturminister lobte ihre „herausragende Bildsprache“.

Zum vollständigen Artikel im „Die Presse“ Archiv ↗

14. Mai 2011 Wojciech Czaja
Der Standard

Unglaublich, das ist so richtig Achtzigerjahre

Wohngespräch

Die Wiener Fotografin Margherita Spiluttini lebt in einem verwinkelten Biedermeier-Dachgeschoß, das 1983 umgebaut wurde. Wojciech Czaja musste den Kopf einziehen.

Das ist ein typisches, total verwinkeltes Biedermeierhaus, 1768 erbaut und 1856 umgebaut. Nach dem Krieg waren die Häuser in der Schönlaterngasse ziemlich verfallen, aber die Stadt Wien hat das gesamte Grätzel Anfang der Siebzigerjahre revitalisieren lassen. Ich habe die Wohnung mit meinem damaligen Mann Adolf Krischanitz 1983 übernommen.

Früher war das ein Architekturbüro mit einer notdürftigen Heizung und einem Klo. Für Wohnzwecke war das zu wenig. Wir haben dann Wände eingezogen, und hofseitig haben wir ins Dach eine ganz kleine Terrasse eingeschnitten. Für die Handwerker war das eine Katastrophe, weil es hier keinen einzigen rechten Winkel gibt.

Wo es ging, haben wir damals auch die Wärmedämmung ausgebessert. Mit der Zeit - und das hat mich selbst überrascht - rutscht die Mineralwolle nämlich nach unten. Das hat zur Folge, dass das Dach im Bodenbereich super gedämmt ist, während die Dachkonstruktion oben komplett hohl ist. Im Winter ist es kalt, im Sommer ist es heiß. Und manchmal pfeift der Wind durch das Dach. Dann gibt es in der Wohnung ein eisiges Lüfterl. Energieschonendes Wohnen schaut anders aus.

Die Farbgestaltung hier oben stammt vom Wiener Künstler Oskar Putz. Er hat die Holzbalken dunkelblau gestrichen, die Wandflächen sind hellblau, eierschalenfarben und weiß. Unglaublich, das ist so richtig Achtzigerjahre! Ich mag es, wenn man einer Sache den zeitlichen Stempel so ansieht. Auch die Möbel sind bunt. Das meiste ist ein Sammelsurium. Die Couch ist von Anna-Lülja Praun, das Bücherregal ist ein Entwurf von Michael Loudon, und die zwei Bugholzstühle sind von Josef Frank. Na ja, da liegen meistens die Katzen drauf.

Wissen Sie, wenn man lange genug an einem Ort lebt, sammelt sich aus verschiedenen Lebensstationen so einiges an. Die Wohnung ist wie ein Dokument der Zeit. So etwas lässt sich nicht planen - das entsteht. Am Anfang war die Wohnung ganz schlicht, heute quillt sie über mit Kunstwerken und kleinen Sachen. Oben im Gebälk zum Beispiel hängt das Geweih eines Wolpertingers. Früher war da noch ein Hasenkopf dran, aber den haben die Motten aufgefressen. Schade, der Gag ist weg.

1995 wurde bei mir Multiple Sklerose diagnostiziert. Am Anfang konnte ich noch gehen, mit der Zeit wurde das aber immer schwieriger. Mein Lebensgefährte Gunther Wawrik, Architekt natürlich, hat dann einige der Möbel für mich adaptiert. Bei der Stahlrohrliege im Wohnzimmer hat er die Beine mit einem Staubsaugerrohr verlängert. Die Lösung ist gut. Nur waren die Proportionen früher etwas eleganter, heute schaut die Liege skurril aus. Als meine Erkrankung 2006 so fortgeschritten war, dass ich nicht mehr gehen konnte, mussten wir umbauen: Teppiche raus, Badewanne raus, stattdessen eine barrierefreie Dusche zum Reinfahren, Türen verbreitert, eine Rampe zum Rausfahren auf die Terrasse und Liftverlängerung ins Dachgeschoß.

Wir haben zwar viel verändern müssen, aber gleichzeitig schaut die Wohnung genauso aus wie früher. Das einzige wirkliche Handicap, das ich habe: Ich komme an die Bücher im Regal nicht mehr heran. Doch zum Glück habe ich viele helfende Hände, unter anderem zwei Pflegerinnen aus der Slowakei: Mirka Mihalcinova und Eva Klimova.

Ich lebe wahnsinnig gerne hier. Das ist eine ruhige Insel mitten in der Innenstadt. Nur am Abend ist es manchmal laut, aber das ist der Lärm des Nachtlebens, und das ist ein süßer Lärm. Überall rundherum würde ich den Biedermeier nicht aushalten, aber hier, auf 120 Quadratmetern, ist er wunderbar. Wenn mir die Decke auf den Kopf fällt, dann gehe ich raus in die Normalität.

15. Mai 2002 Christiane Zintzen
Neue Zürcher Zeitung

Nach der Natur

Eine Augenwelt, himmelsnah, dort unter dem Dach. Pittoresk das Altwiener Pawlatschenhaus im winkeligen Viertel hinter dem Stephansdom. Hoch über dem Knipsen und Knacken der Touristenkameras lebt Margherita Spiluttini in spitzwegscher Mansarde. Und zwei kryptisch helläugige Katzen. Wo ein ironisches «Willkommen

Zum vollständigen Artikel im „Neue Zürcher Zeitung“ Archiv ↗

Publikationen

2015

Vom Nutzen der Architekturfotografie

Welchen Status hat die Architekturfotografie heute? Einerseits sorgen die Bilder für die massenhafte mediale Verbreitung von Bauwerken. Andererseits schaffen die Fotografinnen und Fotografen durch ihre Haltung, ihre Interessen und ihren Stil sehr individuelle Bilder dieser gebauten Wirklichkeit. Sie
Hrsg: Angelika Fitz, Gabriele Lenz
Verlag: Birkhäuser Verlag

2007

Räumlich

Margherita Spiluttini gehört heute zu den internationalen Top-Ten der Architekturfotografie. 1991, 1996 und 2004 war sie prominent an der Architekturbiennale in Venedig vertreten. Ihr Werk, ihr gewaltiges Archiv, speichert und bildet nicht nur eine umfassende Chronik der österreichischen Architektur
Hrsg: Architekturzentrum Wien, FOTOHOF
Autor: Margherita Spiluttini
Verlag: FOTOHOF