Bauwerk

MuseumsQuartier Wien - MQ
O&O Baukunst, Manfred Wehdorn - Wien (A) - 2001

Zufallsergebnis oder geplante Vielfalt?

Den Originalbeitrag von Dieter Bogner zum Konzept des MuseumsQuartiers finden Sie in der aktuellen Ausgabe von architektur aktuell.

28. Juni 2001 - Dieter Bogner
Steckt hinter dieser schwer zu überschauenden Fülle der inhaltlichen Angebote des Museumsquartiers zielorientierte Planung oder handelt es sich um das chaotische Ergebnis eines Zufallsprozesses?

Aus der Sicht des bis 1994 für die Entwicklung des Konzepts verantwortlichen Leiters der MuseumsQuartier Errichtungs- und Betriebsgesellschaft ist die Antwort eindeutig: Eine 1989 entwickelte Vision hat sich durchgesetzt und ist schrittweise Wirklichkeit geworden. Nicht alles wurde erreicht, schmerzliche Lücken sind zu beklagen. Doch! Für weitere Bauten ist Platz, oberirdisch ebenso wie unterirdisch!


Was beibt von den Kritikern?

Die Gegner des Projekts konnten sich mit ihrer Forderung nach bedingungslosem Konservieren des Bestehenden nicht durchsetzen. Sie haben aber - das ist eine traurige Tatsache - dem Projekt Schaden zugefügt, vor allem dem urbanistischen und architektonischen Konzept von Ortner & Ortner (Link auf Ortner & Ortner-Geschichte). Das vertikale Zeichen des Medien- und Leseturms fiel diesen Diskussionen ebenso zum Opfer wie das System unterirdischer Anlieferungen, wodurch das gesamte Hofareal verkehrsfrei (!) geblieben wäre. Hochwertige kulturelle Werte haben die Gegner durch ihre Aktionen weder erhalten noch geschaffen.


Flache Hierarchie

Überraschend ist, dass im Laufe der inzwischen schon legendär gewordenen Auseinandersetzungen über das Architekturprojekt, die inhaltliche Komponente, die Besiedlungsphilosophie des MuseumsQuartiers, wenig diskutiert und kaum angetastet wurde. Die wichtigste Qualität liegt in der geplanten Komplexität und im Kontrastreichtum eines kulturellen Beziehungsgeflechts, das seine Stärke und Aktualität aus der Verknüpfung von nur zwei großen Museen - Museum moderner Kunst und Leopold Museum - mit einer Vielzahl mittlerer und kleiner typologisch höchst unterschiedlicher kultureller Einrichtungen und Initiativen mit zeitgenössischer Orientierung bezieht.

Mit dieser Besiedlungsphilosophie setzt das MuseumsQuartier einer traditionellen vertikalen Entscheidungsstruktur und zentralistischen Steuerung die Idee einer durch Unübersichtlichkeit geprägten losen „Konföderation“ mit flacher Hierarchie entgegen. In diesem Anspruch liegt die für die Zukunftsentwicklung entscheidende, weltweit wohl einzigartige Qualität des MuseumsQuartiers.


Shopping City Kultur

Der Gesamtkomplex MuseumsQuartier ist damit einer Shopping City verwandter als traditionellen Kulturzentren. Dieser Vergleich sorgt - weil fälschlicherweise inhaltlich und nicht wie gemeint strukturell verstanden - laufend für große Erregung in der Kulturszene. Der beabsichtigte Vorteil dieses Konzepts liegt im Erschweren des politischen Zugriffs auf die Gesamtheit der Nutzer bzw. einer Machtaneignung durch einen „Generaldirektor“.

Damit soll - soweit dies unter den gegebenen Umständen in Österreich überhaupt möglich ist - ein pluralistisches, demokratischeres System erreicht werden, das im Gegensatz zu Entwicklungen in der Wiener Museumsszene steht. Denn bestimmt dort nicht derzeit eher das Recht des Stärkeren das Geschehen, d.h. ein mehr oder weniger freundliches Übernehmen kleinerer Einheiten, ein offensives Erweitern des jeweiligen Einfluss- und Machtbereiches, ein Übertrumpfen der Konkurrenten?

Dieter Bogner ist von 1990-94 als Geschäftsführer der Museumsquartier Errichtungs- und Betriebsgesellschaft für die kulturpolitische und inhaltliche Entwicklung des Projekts verantwortlich.

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Für den Beitrag verantwortlich: ORF.at

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