Bauwerk

Guess Club - Bar und Restaurant
Geiswinkler & Geiswinkler - Wien (A) - 1998
Guess Club - Bar und Restaurant, Foto: Mischa Erben
Guess Club - Bar und Restaurant, Foto: Mischa Erben

Geräuschlose 800 Kilogramm

Cool, lässig, großstädtisch, durchlässig: die zwei Ebenen des „Guess-Clubs“ von Markus und Kinayeh Geiswinkler. Selten wurde der Innen-außen-Bezug so scharf in Szene gesetzt wie bei dem neuen Lokal in Wien-Mariahilf.

28. November 1998 - Liesbeth Waechter-Böhm
Was einem beim Anblick des „Guess-Clubs“ in der Wiener Kaunitzgasse in den Sinn kommt, das sind zeitgeistig-urbane Schlagworte: Coolness, großstädtisches Nomadentum, Vernetzung, Kommunikation, virtuelle Bilder, Geschwindigkeit . . . Aber die Arbeit von Markus und Kinayeh Geiswinkler hält mehr parat.
Der „Guess-Club“ befindet sich in einem Gründerzeithaus aus dem Jahr 1872 mit herkömmlicher Lochfassade, allerdings auf einem Terrain, dem eine gewisse Eigenart innewohnt: Das Haus steht auf der Geländekante zum Wiental hinunter, eine Stiegenanlage mit denkmalgeschütztem Mauerwerk (Otto Wagner) überwindet diesen Geländesprung. Wohlgemerkt, von einem Lokal ist die Rede. Von einem „urbanen“ Lokal. Einem, wo sich seit der Eröffnung ein Publikum festsetzt, das mit banaler („Erlebnis“-)Dekoration allein kaum zu ködern wäre.

Und doch muß man sagen, daß die Botschaft, die der „Guess-Club“ in das städtische Umfeld morst, nicht etwa einem Geheimcode unterliegt, sie ist für jedermann auf Anhieb zu entschlüsseln: Was hier signalisiert wird, hat mit Offenheit zu tun, mit dem kommunikativen Austausch zwischen draußen und drinnen, mit einem lässigen, ganz unprätentiösen Selbstverständnis. Daran sind die Architekten nicht „unschuldig“.

Der „Guess-Club“ erstreckt sich über zwei Ebenen und hat folgerichtig zwei Eingänge. Oben geht es in die Bar, unten, am Fuß der Treppe, ins Restaurant. Intern sind beide Ebenen natürlich ebenfalls verbunden, können im Fall spezieller Veranstaltungen in der Bar aber problemlos getrennt werden. Zur Stadt hin blickt ein gewaltiges Schaufenster - acht mal fünf Meter - , das beide Ebenen einsehbar macht. Es ist zweigeteilt und läßt sich im Barbereich aufschieben: Mit Hilfe eines Elektromotors fahren die 800 Kilogramm Glas der oberen Scheibe geräuschlos hinunter.

Im Barbereich selbst ist die solcherart gewollte städtische Schlucht nur durch eine Glasbrüstung ohne Handlauf konterkariert, von weitem teilt sich diese notwendige Sicherheitsmaßnahme also gar nicht mit. Da steht man und schaut verwundert, auch ein wenig irritiert hinüber, und man fragt sich: Ja, darf denn das sein? Das vorrangige Thema ist damit aber klar definiert: Der Innen-außen-Bezug wurde hier mit ungewöhnlicher Schärfe in Szene gesetzt.

Die Geiswinklers hatten bei diesem Bau mit vielen Schwierigkeiten zu kämpfen. Allen voran: Wie reagiert ein gründerzeitliches Ziegelmauerwerk, wenn man es entkernt? Man ist schrittweise vorgegangen: Es wurde entkernt, es wurde abgefangen, es wurde weiter entkernt, und es wurde weiter abgefangen. Jetzt stecken in der Decke ungefähr 40.000 Kilogramm Stahl, und im oberen Bereich zeugt die Position des Barbereichs mit seinem elliptischen Kern noch vom konstruktiv nicht wegzubringenden Restbestand der alten Mittelmauer.

Die Bar ist schlicht schön: hinterleuchtetes Glas, vie- le Flaschen, angenehm für jedes Auge. Der große, durchlässige Raum wurde geradezu leger behandelt. Sehr dunkler Kunststein auf dem Boden, ein metallisches Gittergeflecht an der Decke, schwarzer Granit an der Bar. Und Glas in allen Variationen: als hinterleuchtete Milchglasscheiben, als durchsichtige Screens, als dunkles, fast schwarzes Plexiglas-Kleid und als schwarze Wand, die gleichzeitig Projektionsfläche ist. Denn das ist das Besondere dieser Bar: Sie treibt mit den technologischen Möglichkeiten von heute ihr Spiel.

Da wird einerseits dem Besucher die Möglichkeit geboten, zum Drink aktiv im Internet zu surfen, er kann aber auch unversehens passiv zum Gegenstand eines Medienspektakels werden: Versteckte Kameras filmen das Geschehen in der Bar, auf der schwarzen Glaswand tauchen diese Bilder dann wie aus dem Nichts auf. Später einmal, wenn es auch in anderen Städten „Guess-Clubs“ geben wird - Günter Kerbler, dem Besitzer, schwebt eine solche Lokal-Kette vor - , wird sich dieses Spiel noch erweitern lassen: Dann kann man in Wien zeitgleich miterleben, was sich in Berlin oder Mailand tut.

Die Architekten haben bei der Möblierung der Bar auch das Detail beachtet. Man sitzt auf Barhockern von Castiglioni, und die Stühle stammen von Charles Eames. Nur die Sitzbänke sind ein maßgeschneiderter Entwurf. Feinheiten lassen sich dabei erst ausfindig machen, wenn man ins Restaurant hinuntergeht und dort auf die gleiche Möblierung trifft. Denn dort haben die Eames-Sessel ein Sitzkissen, und die Rückenlehne der Bänke ist eine Spur stärker geneigt als oben. Bequemlichkeit ist also angesagt.

Grundsätzlich sind die Materialien, die man in der Bar vorfindet, bis in das Restaurant im Untergeschoß durchgezogen. Die Anordnung der Tische - jeweils an den Wänden entlang - wirkt hier durch einen leichten, eleganten Schwung wie eine großzügig einladende Geste. Ein kleiner Teil des ursprünglichen Gewölbes korrespondiert homogen mit den alten Ziegelmauern, die nur abgeschlagen, aber nicht verputzt wurden. Trotzdem kommt keine rustikale Kelleratmosphäre auf. Dem rauhen Mauerwerk ist nämlich eine dunkle Plexiglasbahn vorgespannt, eine artifizielle „zweite Haut“ sozusagen.

Man könnte sagen, daß ein Hauptziel der Architekten die Vereinheitlichung und Beruhigung, die Durchlässigkeit und Großzügigkeit der beiden Geschoße war. Obwohl natürlich viel Technik installiert werden mußte, zeigen die Geiswinklers diese Technik nicht her, das heißt: ausschließlich auf den WCs.

Sie hätte viel zuviel Unruhe in die Räume gebracht, sie hätte das Raumklima belastet. Jetzt deckt das Metallgeflecht an der Decke alle Leitungen und Rohre ab, und durch das Geflecht hindurch wird auch noch die verbrauchte Luft unsichtbar abgesaugt.

An „Kinderkrankheiten“ wären zu vermerken: Ein Bewegungsmelder sollte dafür sorgen, daß das Bild der Speisekarte auf einem Bildschirm erscheint. Das tut es viel zu spät - ein Software-Problem. Und im Barbereich fehlen noch die Kameras bei den Bildschirmen, die es dem Gast ermöglichen sollen, bei seiner Internet-Kommunikation auch selbst auf dem Schirm zu erscheinen.

Vor allem aber: Wie das großzügige „Aufschneiden“ des Lokals, wie der kommunikative Austausch mit dem Straßenraum tatsächlich funktioniert, wie es ist, wenn die gewaltige Scheibe nach unten fährt und unten bleibt, das kann man wohl erst hautnah erfahren, wenn es wieder wärmer ist.

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