Bauwerk

Coca-Cola Beverages
Elsa Prochazka - Wien (A) - 1998

Architektonische Schichtungen

Zwei Bauten von Elsa Prochazka in Wien

Ähnlich wie in anderen Bereichen haben auch in der Architektur Frauen noch häufig einen schweren Stand. In diesem Umfeld verfolgt die Wiener Architektin Elsa Prochazka seit den späten siebziger Jahren einen konsequenten Weg. Dies wurde in den vergangenen Jahren anerkannt und mit Einladungen an die Architekturbiennale in Venedig belohnt.

2. Juli 1999 - Margit Ulama
Bereits zweimal war Elsa Prochazka auf der Architekturbiennale von Venedig vertreten: 1991 stellte die 51jährige Wiener Architektin im österreichischen Pavillon eine der «13 Austrian Positions» vor; 1996 repräsentierte sie eine der «Emerging voices». Die damals gezeigte Neugestaltung der Wiener Musikergedenkstätten stellt eine spezifische Version der Detailkultur der Stadt dar. Vom Beginn der neunziger Jahre stammt das museographische Konzept des Jüdischen Museums in Hohenems. Bei weiteren Installationen und Ausstellungsgestaltungen reflektierte die Architektin immer wieder das Thema der Präsentation. Die verschiedenen Entwürfe vexieren zwischen zurückhaltendem Minimalismus und eigenwilliger Expressivität. Das jüngste Beispiel in dieser Reihe von Arbeiten stellt die Ausgestaltung des im Vorjahr in Wien eröffneten Arnold-Schönberg-Centers dar. Parallel dazu entstand ein Büro- und Produktionsgebäude für Coca-Cola an der südlichen Stadtkante. Trotz den unterschiedlichen Massstäben kann man bei beiden Beispielen von der kalkulierten Umdeutung einer vorhandenen Bausubstanz sprechen.

Das Arnold-Schönberg-Center

Mit der Gründung des Arnold-Schönberg-Centers holte man den 1951 in Los Angeles verstorbenen Komponisten in seine Geburtsstadt zurück. Schönbergs gesamter Nachlass wurde von Kalifornien nach Wien transferiert, wo man einen Ort vielfältiger Aktivitäten schuf. Das dafür notwendige Engagement seitens der Politik wurde durch die Entscheidung für eine adäquate architektonische Gestaltung der Räumlichkeiten ergänzt. Diese befinden sich in einem neoklassizistischen Repräsentationsbau von Ernst von Gotthilf- Miscolczy und Alexander Neumann am Schwarzenbergplatz. Bei der Umgestaltung handelt es sich weniger um eine architektonische Interpretation des Themas; Prochazka schuf vielmehr eine der Funktion entsprechende Atmosphäre.

Auffällig sind in diesem Zusammenhang die beiden Foyers. Die Räumlichkeiten erstrecken sich über 1300 Quadratmeter und damit über das gesamte Geschoss des ungewöhnlichen dreiflügligen Baukörpers mit Innenhof. Von den beiden Treppenhäusern öffnen sich relativ schmale Gänge, die dennoch als repräsentative Empfangsräume fungieren sollten: einmal als Foyer für Ausstellungsbereich, Bibliothek, Medienraum, Handschriftensammlung und diverse Arbeitsräume, das andere Mal als feierliche Überleitung zum Veranstaltungsraum. Eine gekonnte Verwandlung der Raumatmosphäre gelang Prochazka durch die Einfügung von silbrig glänzenden, massiv wirkenden Wandelementen, die unmittelbar an weiss verputzte Flächen anschliessen. Integriert sind Türen, etwa jene zur Garderobe, die sich nahtlos schliessen lassen, aber auch eine indirekte Beleuchtung und Klappelemente, die während der Pausen schmale Ablageflächen bilden. Die Wandstücke vereinen somit die Idee des intelligenten Möbels mit einer raumdefinierenden Funktion im architektonischen Sinn. Auch an anderen Stellen verwandelt sich das Möbel in Architektur und umgekehrt.

Beim Schönberg-Center galt es, eine «Hybridnutzung» in einen Geschossbau zu integrieren. Zur Lösung dieser schwierigen Aufgabe situierte Prochazka die Funktionen mit besonderer Öffentlichkeit an den Eckpunkten; die Bibliothek liegt in einem ovalen Raum mit weitem Blick über den Schwarzenbergplatz, die Ausstellungsfläche bildet ein Rechteck, der Veranstaltungssaal eine ungewöhnliche V-förmige Konfiguration. Unterschiedliche Farben - Gelb, Grün und Blaugrau - visualisieren das Konzept. Für die Ausstellungen wurden nicht nur eigene Vitrinen geschaffen, sondern auch verschiebbare Wandelemente, die je nach den Erfordernissen offene Raumnischen bilden und die Fensterreihe abschliessen können. Beim technisch ausgeklügelten Konzertsaal in elegantem Blaugrau entsteht durch die V-Form eine unter den gegebenen Bedingungen erstaunliche räumliche Grosszügigkeit.

Auf Grund der belassenen Glastüren wird die Überlagerung einer etwas älteren mit einer jüngeren Schicht ablesbar. Die spezifischen Raumstimmungen entstehen durch die Verwendung von Halbfertigfabrikaten, und zwar im Sinne einer offenen, lebendigen Ästhetik. Ein gewisser Verfremdungseffekt der Materialien kommt zum Tragen. Den Arbeitsräumen verleihen braune MDF- Platten also einerseits eine «werkstattähnliche» Atmosphäre, farbig differenziert schaffen diese andererseits eine gehobene Stimmung.

Ein Umbau für Coca-Cola

Die architektonischen Lösungen entsprechen funktionalen Erfordernissen und entwickeln doch einen eigenen Ausdruck, der sowohl den zeitlichen als auch den örtlichen Kontext erkennen lässt. Um 1980 realisierte die Arbeitsgemeinschaft Werner Appelt, Eberhard Kneissl und Elsa Prochazka drei kirchliche Mehrzweckhallen, die heute als eigenwillige Bauten jener Zeit bereits etwas fremd wirken. Auch bei diesen experimentierten die Architekten mit der Überlagerung konträrer Schichten, handelsübliche Produkte wurden in einem neuen Zusammenhang mit unterschiedlichen Referenzen verwendet. Auf diese frühe Zeit mag Prochazkas Vorliebe für Halbfertigprodukte zurückgehen. Beim Umbau des Firmensitzes von Coca-Cola an der Triesterstrasse kommen ähnliche Materialien zum Einsatz wie beim Schönberg- Center, wieder überlagern sich Schichten, und wieder drückt sich Dekoratives aus.

Das Coca-Cola-Gebäude steht schräg vis-à-vis dem «Philipshaus» aus den frühen sechziger Jahren von Karl Schwanzer. Lange Zeit war dieser Bau das einzige, gleichzeitig prominente Zeichen an der südlichen Stadtausfahrt. Prochazka fand einen Kubus aus den sechziger und siebziger Jahren vor, der umgebaut und um ein Geschoss aufgestockt werden sollte. Unter der Prämisse eines engen gestalterischen Spielraumes wurde das Stahlbetonskelett erhalten, die einzelnen Büros reihen sich an der Fassade aneinander und umfassen eine offene innere Zone mit Nebenräumen und einem Besprechungsraum. Bei einer konventionellen inneren Konzeption verdichtet sich die Gestaltung in der äusseren Hülle. Prochazka splittete die Fenster, um den Anforderungen der heutigen Bildschirmarbeit gerecht zu werden. Die unregelmässige Anordnung der Öffnungen erzeugt verschattete Zonen. Müssen sie im mittleren Bereich dennoch abgedunkelt werden, bleiben Ausblicke im Fuss- und Deckenbereich erhalten.

Was im Inneren die Büroräume auflockert, erzeugt aussen ein Muster, das die Geschossteilungen verwischt. Prochazka spricht vom «computergenerierten digital-pattern» der Alu-Paneelfassade, das heisst, unterschiedliche Möglichkeiten der Fensteranordnung wurden am Computer durchgespielt. Der so produzierte Eindruck des Dekorativen variiert nicht nur ein Thema anderer Arbeiten, etwa die wie zufällig verteilten Erker beim Wohnbau der «Frauen-Werk-Stadt» jenseits der Donau. Die Textur der Aussenhaut antwortet gewissermassen auch auf die vorgehängten, tief eingedrückten Elemente des unmittelbar angrenzenden Baus von Coca-Cola. Doch das neu fertiggestellte Gebäude betont im Gegensatz dazu die bündige Fläche als Folie für das «pattern» der Fenster. Vergleichbares beobachtet man bei jüngeren Bauten der Grazer Architekten Florian Riegler und Roger Riewe, und Herzog & de Meuron legten erst jüngst in Eberswalde den glatten Kubus ihrer ornamentalen Fassadengestaltung zugrunde. Die strenge Reduktion auf ein einfaches Volumen wird konterkariert. Prochazka schuf jedoch keinen perfekten Körper. Der unverändert belassene Waschbetonsockel visualisiert wiederum das Thema der Schichtung.

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Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung

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Akteure

Architektur

Bauherrschaft
Coca-Cola Beverages Austria GmbH

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