Bauwerk

Jugendbank 4you
the unit - Krems an der Donau (A) - 1999
Jugendbank 4you, Foto: Nikolaus Korab
Jugendbank 4you, Foto: Nikolaus Korab
5. Juli 2002 - ORTE
Herr und Frau Generaldirektor wären entsetzt. Das soll eine Bank sein? Keine freundlich lächelnde „Bankbeamtin“ hinter dem Schalter, keine Polstermöbel, kein Marmor – statt dessen nackter Beton und Glas als Entree, coole Teenager, die dem Besucher aus der Auslage entgegenstarren, MTV-Videos, die an der Wand flimmern. Der Empfangsraum ist leer, nur ein Computerterminal wächst mitten aus dem Boden. Der „Netboy“, eine Erfindung des Wiener Architekturteams „the unit“, ist eine Multimedia-Station zum Berühren, Surfen, Informieren. Auch sonst erinnert bei der „4you“-Bank am Kremser Bahnhofsplatz nicht viel an eine klassische Bankfiliale. Die Architekten Georg Petrovic und Wolfgang Bürgler haben mit ihrem Team vielmehr einen Treffpunkt für Teenager geschaffen, der bereits bei der Eröffnung im April von ihnen begeistert aufgenommen wurde. In der „Jugendbox“ sind die Kids zu Hause, hier geben sie den Ton an. Die minimalistische Gestaltung ist Programm. Die Architekten geben der Filiale der Kremser Bank damit eine Corporate Identity, die lautet: die Überwindung der Hemmschwelle zwischen Jugendkultur und Finanzwelt. Mit anderen Worten: Die 4you-Bank bemüht sich um „Street Credibility“.

Mit einem Jugendzentrum hat die Sache nichts zu tun, und klassische Jugendbetreuer hätten dort wahrscheinlich einen schweren Stand. Die Kids kommen und gehen, wann sie wollen. Zu mittag, wenn die Schule vorbei ist (manchmal auch schon früher), stürmen sie die Stiege hinauf, werfen ihre Rucksäcke in ein Eck und die Skateboards ins andere und bearbeiten die PCs oder sitzen in der Multimediakugel. Dort schneiden sie Videos, kopieren Musik- und Computer-CDs oder surfen einfach in Ruhe im Internet. Abgesehen von der Kugel, einer Couch sowie den PC-Tischen, die wie die gesamte Inneneinrichtung von den Architekten selbst entworfen wurden, ist auch der Raum im Obergeschoß leer. Ob die Kids auf dem am Boden aufgezeichneten Spielfeld wirklich Streetball spielen werden, ist sicher nicht so wichtig wie die Botschaft des Entwurfs: Das ist die Welt der Teenager, hier können sie tun, was sie wollen. „Street Feeling“ heißt die Devise. Deshalb sind die Betonwände auch nicht grundiert und gemalt, die Farbe wurde mit dem Schwamm einfach grob aufgetupft. Ebenfalls schlicht von der Materialwahl, aber originell im Effekt ist die Schiebewand vor der Außenmauer: Ein Netz aus Vinylgewebe, in einen Rahmen gespannt, auf Rollen montiert und im Graffiti-Stil bemalt, filtert das Tageslicht, während es abends das Geschehen im Inneren vor neugierigen Blicken der Vorbeigehenden schützt. Die transparenten Schiebewände tauchen übrigens immer wieder im Entwurf von „the unit“ auf – als neutrale Glaswand zum Bankraum oder als rotgefärbte Schiebewand, hinter der sich Garderobenspinde und ein Kondomspender verbergen.

Puristische Linie
Minimalistisch, beinahe spartanisch – so präsentiert sich die Jugendbank bereits dem Passanten auf der Straße. Die Architekten öffneten den Sockelbereich eines nichtssagenden Wohnbaus der Nachkriegszeit und stellten eine transparente Box aus Glas und Aluminium hinein. Wenn man so etwas tut, paßt das meistens nicht auf den Zentimeter. Auch hier ragt die Front des Lokals vor die Fassade, zwischen dem Straßenniveau und der Unterkante des Alurahmens klafft ein Spalt – beides ist natürlich beabsichtigt, zwecks optischer Zäsur. Die wird bei Nacht besonders deutlich, wenn die angestrahlte Glasfassade und der blaue Lichtschein aus dem Spalt noch zusätzlich für Verfremdung sorgen. Minimalistisch geht es auch innen weiter. Aus dem Betonboden wächst eine dynamische, futuristische Skulptur, ebenfalls aus Beton, eine Sitzbank oder auch eine Rampe zum Skaten. Abgesehen vom Bankomaten und einem Kontodrucker – es handelt sich ja immerhin um eine Bankfiliale - steht der Multimedia-Bildschirm auf einem dünnen Beinchen allein im Raum, wie eine Blume, die sich ihren Weg durch den Betonboden gekämpft hat. Die auf die Wand projizierten MTV-Videos sind die einzigen Farbtupfer in dieser Welt des puristischen Designs.

Streetball meets banking future
Angestellte gibt es auch in der Bank. Sie sind selber jung und wissen daher, was die Kids wollen und worauf sie nicht stehen: Sie wollen keine Lebens-Spielwiese, auf der ihnen Leute aus der Generation ihrer Eltern sagen, wo es lang geht, sondern eine Plattform, auf der sie ihre Ideen selbst ausprobieren können. Workshops und Informationsabende wollen ihnen dabei helfen. Die Homepage der 4you-Bank bietet Jugendlichen fast alles, was sie brauchen: Tips, Termine, Chatrooms, Anregungen zum Mitmachen, Lebenshilfe und natürlich Werbung in eigener Sache. Daß es sich bei dem ganzen Projekt um modernes Jugendmarketing handelt, wird nicht verschwiegen. Dabei gilt aber für die Verantwortlichen das Motto: „Don´t push“. Offensives Verkaufen von Bankleistungen gibt es nicht. Wollen sich die Jugendlichen jedoch über die Eröffnung eines Kontos informieren, steht ihnen in einem eigenen Raum ein Mitarbeiter dafür zur Verfügung. Für die Bank, die die Jugendlichen der Finanzwelt näher bringen will, bedeutet Jugendmarketing, vom Konzept der Werbespots im Fernsehen wegzugehen. Anstatt Millionen in eine Kampagne zu investieren, von der die Kids nicht angesprochen werden, stellen wir ihnen um das Geld lieber ein Ambiente zur Verfügung, in dem sie sich wiederfinden und das sie uns näher bringt – so ähnlich könnten die Überlegungen der Bankmanager gewesen sein, als sie „the unit“ beauftragten, eine „Jugendbox“ um 12 Millionen Schilling zu gestalten. Dabei bewußt reduziert aufzutreten, war die Vorgabe. Mit „the unit“ hat die Kremser Bank einen kongenialen Partner dafür gefunden.

Architektur als Marketingfaktor
Identität zwischen der Nutzung und der Botschaft des Raumes herzustellen, ist das zentrale Anliegen der Architekten. Da ihre Architektur gewerblichen Zwecken dient, sind die Botschaften naturgemäß kommerzieller Natur. Den Vorwurf, Kommerzarchitektur zu betreiben, läßt Georg Petrovic jedoch nicht gelten: „Den Bauherrn darzustellen, ist doch nichts Negatives! Wir sind der Meinung, daß Architektur nicht Selbstzweck sein darf, dann wird sie akzeptiert. Wir biedern uns aber nicht an.“ In der Tat behalten „the unit“ im Gegensatz zu so manchen kommerziellen Architekten, die reine Erfüllungsgehilfen ihrer Bauherren sind, ihre individuelle Linie bei. Und die heißt Reduktion aufs Wesentliche. Die findet so radikal statt, daß ihre Entwürfe provozieren. Die Architekten wollen diese Provokation, solange sie positiv besetzt ist. „the unit“ wollen auf ihre Kunden aufmerksam machen, ihnen „Corporate Identity“ verschaffen, die das Unternehmen unverwechselbar macht. Je höher der Wiedererkennungswert der Architektur, je schneller sich beim Betrachter/Benutzer die gewünschten Assoziationen einstellen, desto besser die CI. Auch sich selbst haben „the unit“ mit ihrer konsequenten Linie eine solches Firmenimage gegeben. Ihr Name steht für transparente, zurückhaltende, puristische, beinahe meditative Architektur. (Text: Roland Kanfer, Architektur akuell, Heft 230/231, Juli/August 1999)

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Für den Beitrag verantwortlich: ORTE architekturnetzwerk niederösterreich

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