Bauwerk

Wohnarche Atzgersdorf
Walter Stelzhammer - Wien (A) - 1999

Repräsentation nach innen

Mit der „Wohnarche“ in Wien-Atzgersdorf gelang Architekt Walter Stelzhammer eine prototypische Lösung zum Thema Mehrgenerationenwohnen im urbanen Kontext.

8. Mai 1999 - Franziska Leeb
Die im Auftrag der gemeinnützigen Wohnungsgesellschaft BUWOG errichtete Siedlung liegt nahe dem Ortskern von Atzgerdorf, inmitten einer kleinstädtisch anmutenden Struktur im Wiener Bezirk Liesing. Wohn- und Gewerbebauten wechseln einander ab, schwierige Rahmenbedingungen für attraktiven urbanen Wohnbau.

Architekt Stelzhammer entwickelte eine dichte Packung von Atriumhäusern, die er „Wohnarche“ nennt in Anspielung an die kompakte Großform, die wie ein Schiff in die Baulücke hineingeschoben wurde. Die introvertierte Hausform ist gut addierbar und vernetzbar, womit bei hervorragender Wohnqualität eine sehr hohe Bebauungsdichte erzielt werden kann. Insgesamt 42 Häuser mit je rund 130 m² Wohnfläche stehen nun Rücken an Rücken und Seite an Seite. Entlang den beiden Grundstücksgrenzen blieben begrünte Streifen mit einer Zufahrtsmöglickeit zu den einzelnen Häusern frei.

Das Eingangsgeschoß rückt zurück, es entsteht dadurch ein geschützter Eingangsvorplatz mit einem Autoabstellplatz. Darüber stapeln sich die zwei Hauptwohngeschosse und ein zurückgesetztes Dachgeschoß. Der spangenförmige Grundriß umfängt das sich über einem Erdkoffer in Hochlage befindliche Atrium, das Stelzhammer als „Lichtkörper“ versteht.

Mit einer transluzenten Glaswand ist es vom benachbarten Hof abgetrennt. Die Wand schirmt Geräusche ab und bietet guten Sichtschutz, läßt aber 70 Prozent des Tageslichtes eindringen und ist somit selbst bei bewölktem Himmel noch eine helle Insel, von der aus die Flächen im Inneren belichtet werden. Gebannt vom kontemplativ wirkenden Innenhof und der trotz aller Kompaktheit räumlichen Großzügigkeit ist sofort vergessen, daß es bis auf ein Fenster und eine Balkontür keine Öffnungen in der äußeren Fassade gibt. Im Raum-Dreisprung gruppieren sich in den beiden mittleren Ebenen jeweils zwei nutzungsneutrale Räume sowie ein der als Bad und/oder Küche ausbaubaren Kernzone vorgelagerter Gangbereich um diese „Lunge“ des Hauses.

Von jedem Raum aus sind durch die Blickverbindung über das Atrium hinweg auch die anderen erlebbar, wobei der Hof als Distanzhalter räumliche Weite suggeriert. Stelzhammer entwarf für die Häuser Nutzungsszenarien. So kann geschoßweise nach Funktionen oder Generationen getrennt werden. Es ist möglich, zwei autarke Kleinwohnungen im Sinne des Mehrgenerationenwohnens zu betreiben und das Dachstudio um eine Sanitäreinheit zu erweitern, um eine Einliegerwohnung zu schaffen. Durch die kompakte Bauweise sowie den mit einem Glasschiebedach geschlossenen Innenhof kann die Heizlast um ca. 40 Prozent gesenkt werden.

Abgesehen von Carl Pruschas Bauteil in der Traviatagasse waren Atriumhäuser bislang kaum ein Thema im jüngeren Wiener Wohnbaugeschehen. In einem Land, wo Wohnen traditionellerweise mit Repräsentation nach außen verbunden wird, sind diese Häuser, deren repräsentative Seite nach innen gekehrt ist vielleicht noch gewöhnungsbedürftig. Stelzhammers Siedlung kann also durchaus als Experiment und Prototyp gesehen werden, der dem Geschoßwohnungsbau ebenso Paroli zu bieten versucht wie dem flächen- und energiefressenden Einfamilienhaus.

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