Bauwerk

Um- und Neubau The Dolder Grand
Foster and Partners - Zürich (CH) - 2008
Um- und Neubau The Dolder Grand, Foto: Nigel Young / Foster + Partners
Um- und Neubau The Dolder Grand, Foto: Nigel Young / Foster + Partners

The Dollar Grand

Fürst Schwarzenbach lässt bauen. In diesem Satz ist alles enthalten. The Dolder Grand, das Fünfsternehotel am Zürichberg, leuchtet. Der Rest ist Hofberichterstattung, wovon in letzter Zeit genügend zu lesen war. Was unumgänglich ist, denn um eine fürstliche Residenz geht es ja.

19. Mai 2008 - Benedikt Loderer
Wie wohnt der Geldadel, wenn er nicht zu Hause ist, fragen sich die Subjekte des Kapitals. Und an drei Besuchstagen konnten sie das Schloss besichtigen. Staunend streunten sie durch die Räume und ihr Schauen galt ‹dem Echten›. Für einmal sind sie nicht in den Ferien und besichtigen geschichtsvergessen die vergangene fürstliche Pracht. Diesmal ist alles wahr, weil es Betrieb ist. Der Adel, der hier wohnt, herrscht, ist nicht vergangen. Am Zürichberg haben die Majestäten noch nicht abgedankt und hinterliessen bloss ihren einstigen Glanz. Die Aura des unbeschränkten Geldes weht durch das Hotel, kein Subjekt kann sich dem entziehen. Es ist nicht der Futterneid, der die Subjekte staunen macht, es ist die Neugier. Sie starren auf die allgemeine Gediegenheit und können sich kaum vorstellen, warum das alles so teuer ist. Doch dass es so viel kostet, das ist der Kern des Dolder Grand. Weil es so teuer ist, ist es ‹grand›.

Vom ‹Curhaus› zur Residenz von 1899 bis 2008, in diesem gut gefüllten Jahrhundert hat das Dolder eine ansehliche Karriere gemacht: von der Sommerfrische zu einem der ‹Leading Hotels of the World›. Es war «der Weg zurück in die Zukunft», wie zu hören war. Alle Bauten, die nach 1899 angefügt wurden, sind abgerissen worden, geblieben ist die ausgekernte Fassade des Kurhauses und darin, wie Überbleibsel, sechs Zimmer, die wie neu ausgestattete Schatzkästlein an Ort und Stelle erhalten blieben. Dazu kommen die rekonstruierte Eingangshalle und die wieder entdeckten Deckenmalereien im oberen Restaurant und in der Lobby. Zusammenfassend: Das Dolder Grand ist ein Neubau. Doch niemand von den Subjekten sieht das und keiner vom Geldadel will es wissen. Alle sehen sie das erweiterte und erneuerte Märchenschloss und alle wollen sie an die Geschichte von der ungebrochenen Tradition glauben. Sie allein ist es, die The Dolder Grand von den noch feudaleren Hotelpalästen in allen Dubais der Welt unterscheidet. ‹History sells›, doch wahre Echtheit muss nicht deklariert werden. Das ist auch nicht nötig, denn was wirkt, wird wahr. Weil das Dolder Grand so traditionell ist, ist es ‹grand›.

Das Teure ist gesichtslos

Das Märchenschloss, das, bevor es geadelt wurde, ein gigantisches Chalet war, beherrscht die Anlage, obwohl es weit kleiner ist als der Doppelbogen der Neubauten, die es von hinten umarmen. Warum? Weil der Architekt Norman Foster die Symmetrie fortsetzt. Er übernimmt das Bildungsgesetz, das Jacques Gros 1899 aufgestellt hatte. Die zentrale Achse wird bergseitig, wie früher mit dem Speisesaal, nun mit dem neuen Ballsaal abgeschlossen. Die beiden Zimmerflügel wiederholen die Grundfigur, die Gros schon vorgegeben hatte. Der Eingang ist wieder vorne, wo ihn die Symmetrie haben will. Damit wird das Märchenschloss neu gerahmt und betont. Es steht im Vordergrund und spielt die Hauptrolle. Sein Turm bleibt der Dreh- und Angelpunkt des Ganzen, er verkörpert pars pro toto das Dolder Grand. Die Turmspitze wird zur erinnerbaren Abkürzung des Hotels. Weil das Dolder Grand einen Geschichten erzählenden Turm hat, ist es ‹grand›.

Doch das Märchenschloss ist eine gigantische Dienstleistungsmaschine, die vor allem unterirdisch funktioniert. Die atemberaubenden Bilder der Baugrube sind schon vergessen. Wer erinnert sich noch an den riesigen Krater, in dem in der Mitte auf Unterfangungsmauern das ausgeweidete Kurhaus wie eine Hochzeitstorte stand? (HP 6/7 06). Trotzdem: Die Bauingenieure sind die ungenannten Helden dieser Baustelle. Im von ihnen geschaffenen Kellerbauch steckt alles, was die Maschine am Laufen hält. Es gibt zwei Hotelerzählungen, die sich ergänzen: die am Licht und die künstlich beleuchtete. Die aseptisch-korrekten Traditionsräume erzählen die offizielle, die neon-beleuchteten Gänge die Wirkungsgeschichte des Hotels. Weil das Dolder Grand einen so riesigen Bauch hat, ist es ‹grand›.

«Wie wars?», werden die Subjekte nach dem Besuch gefragt. Sie beschreiben Einzelheiten: die historischen Armaturen, Aladins Wunderlampen im Ballsaal, die ruppigen Kalksteinwände im Badeland sind aufgefallen. Warum keine Zusammenhänge? Weil alles so gedämpft, zurückgenommen, ununterscheidbar ist. Man hat das Gefühl, das Haus wolle nicht erkannt werden. Hier herrscht der anonyme Stil. Nur nicht zu laut, war der leise Befehl an die Ausstatter. Es ist das Genie der Lieferanten, das hier am Werk ist. Diese Leute wissen, was der Gast will, vom Hoteldirektor bis zum Interior Designer. Er will Exklusivität. Warum aber endet diese im anonymen Stil, in jener Unverbindlichkeit, die das Exklusive zum Allerweltsluxus macht? Das Teure ist hier gesichtslos. Der Geldadel schätzt eine konfliktfreie Moderne, alles ist edel-schlicht, nichts ist erinnerbar. Es ist der Geschmack, den man einkauft. Der Gast will es so, ihm zu dienen, ist des Hotels erste Pflicht. Ein ebenso überzeugender Grund, wie wenn die Fernsehdirektorin sagt: Der Zuschauer will es so. Weil das Dolder Grand von anonymem Stil ist, ist es ‹grand›.

Die Spielregeln der Preisliste

Immerhin, dort wo die Konvention noch ungefestigt ist, sind Überraschungen möglich. Im Badeland, pardon, Spa, gibt es den Canyon. Der sich verengende Schlitz zwischen Alt- und Neubau wird als Oberlicht in Szene gesetzt. Das allein wäre bloss praktisch, doch die Bewegung wird in einer Spirale weitergeführt, die im Meditationsraum und in den innersten Tiefen des Gebäudes endet. In der Gegenrichtung öffnet sich ein Trichter zum Schwimmbad und zur Landschaft. Aus dem Vorwärtsschreiten wird ein Fliegen. Leider ist diese Schnecke die einzige räumliche Erfindung im ganzen Komplex. Der Ballsaal ist zwar mit Gold dekoriert, wirkt aber trotzdem seltsam klein, die Kuppel allein hat etwas Herrschaftliches. Doch hier kann der Fürst keinen Hofball geben, Fund Raising Dinners aber wohl. Bei dieser Überlegung angekommen wird klar: Fürst Schwarzenbach residiert nicht hier und auch der Geldadel ist nur auf der Durchreise. Die Aura platzt. Die Subjekte des Kapitals staunen ins Leere. Da ist nichts Heiliges, da strahlt keine Dynastie. Ernüchterung auf den Gesichtern, alles funktioniert wie gewohnt, die Spielregeln gehorchen der Preisliste. Das Hotel ist leider kein Kraftort, sondern ein gehobenes Dienstleistungsunternehmen. Weil das Dolder Grand so kapitalistisch ist, ist es ‹grand›.

Entschädigt, nein belohnt, werden die Gäste und die Subjekte mit der Aussicht auf See und Alpen. Das Hotel steht auf einem Balkon und ist selbst einer. Mit oder ohne Aussicht, das ist das Plus und Minus dieses Hotels. Dieser Rechnung gehorchte schon Jacques Gros, Foster hat kräftig und geschickt dazu addiert. Auf jeden Fall gilt: Weil das Dolder Grand diese Aussicht hat, ist es ‹grand›.

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Für den Beitrag verantwortlich: hochparterre

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