Bauwerk

centrum.odorf
Froetscher Lichtenwagner - Innsbruck (A) - 2006

Ein Platz an der Sonne

Das Innsbrucker O-Dorf hat ein neues Zentrum und einen urbanen Lebens-mittelpunkt. Rundgang durch das Siegerprojekt des Europan-Wettbewerbs 1996.

14. April 2007 - Isabella Marboe
Die Buslinie O führt vom Innsbrucker Bahnhof mitten ins so genannte O-Dorf. Zur Olympiade 1964 baute man den ersten Teil, viele Jungfamilien zogen damals in die modernen Wohnblöcke. 1976 folgte Bauteil 2: höher, schneller und stärker. Betonfertigteile wurden zu Riegeln, Blöcken und Türmen gestapelt. Mit oder ohne Balkon verdichtet sich hier die ganze typologische Bandbreite des Systemwohnbaus zum scheinbar endlosen urbanen Patchwork.

Etwa 8000 Menschen leben hier. Das Sozialgefüge ist bunt gemischt, der Ausländeranteil hoch. Von den olympischen Ringen des Olympiaparks ist der Lack längst abgeblättert. Ein Neubau-Impuls tat not. Beim Europan-Wettbewerb 1996 siegten die Architekten Froetscher Lichtenwagner. Sie nahmen die stille Poesie der Scheiben auf: „Dieses Spiel mit den Klötzen kann eine zauberhafte Aura gewinnen: Es ist reizvoll, die Qualitäten aller Alltagsfacetten aus so einem Viertel zu destillieren. Wir wollten einen öffentlichen Platz schaffen, der die Leute anzieht.“

In Anschluss an den Olympiapark planten sie auf ortstypischer Rasterbasis einen 90 Meter langen und 45 Meter breiten Platz, der von markanten Baukörpern gefasst wird. Bauherrin war die Innsbrucker Immobilien GmbH (IIG). Subtil bereichert der mit anthrazitgrauen Eternit-Platten verkleidete Mäander das lokale Typenrepertoire um eine neue Form. Als zweistöckiger L-Winkel gleitet er über Tiefgarage, Lebensmittelgeschäft und Kindertagesheim die Ostseite entlang, kantet sich gläsern zum Mehrzwecksaal und selbstbewusst zum 50 Meter hohen Wohnturm auf. Eine gelbe Lichtschneise mit Luftbrücken teilt den Wohnturm in zwei Hälften. 27 der insgesamt 105 Einheiten sind betreute Seniorenwohnungen.

Neues Dorf-Konzentrat

Die Architekten: „Unsere maximalen Fensterformate reichen bis zum Boden, über Eck verglaste Loggien und französische Fenster sind im Hochhaus ein Luxus.“ Der Mäander tut dem Ort gut: Er wird zum neuen Dorf-Konzentrat, seine offene Platzmitte gestalteten die Architekten gemeinsam mit Alice Grössinger von Idealice mit hölzernen Bankgebirgen, abstrakten Heumandeln und schwebenden Lampenbahnen. Mit einem Wort: eine wohnliche Bühne des sozialen Lebens.

Sogwirksam wölbt sich Fassade des Lebensmittelmarktes MPreis zur Eingangsbucht nach innen. Davor führen Jugendliche ihre Skate- und Streetdance-Künste auf, Menschen lümmeln auf hölzernen Bänken in der Sonne. Wie Magnetspäne weisen die Linien im Asphalt den Weg zum Durchgang, wo eine Stiege mit zwei Handläufen für Groß und Klein zu Jugendtreff, Turnsaal, Innenatrium und Kindergarten führt.

Rege gedeiht das Vereinsleben im Plattenbau. Im Glasfoyer an der Nordseite ankert der rundgebauchte, hölzerne Mehrzwecksaal. Stolze 300 Menschen haben auf den bunten Sesseln unter der wirren Holz-Akustikdecke Platz. „Der Saal ist universell nutzbar“, sagt der Hausmeister, „im Fasching gab es jedes Wochenende einen Ball.“ Zum Großtauschtag der Philatelisten kamen Sammler aus ganz Österreich, die Klangspuren Tirol buchten den Saal als Location für ihr Festival.

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