Bauwerk

BTV – Zweigstelle Olympisches Dorf
Hanno Vogl-Fernheim - Innsbruck (A) - 2004
BTV – Zweigstelle Olympisches Dorf, Foto: Johannes Weiss
BTV – Zweigstelle Olympisches Dorf, Foto: Johannes Weiss
19. September 2006 - aut. architektur und tirol
Innsbruck/Olympisches Dorf: ein städtebaulich und soziologisch alltäglicher Stadtteil. Vor Jahrzehnten aus dem Boden gestampft, damals ein „junges“ Wohnquartier mit hoher Dichte, doch funktional und räumlich eindimensional angelegt – wie so viele Trabantensiedlungen dieser Ära. Seit einigen Jahren wird dieses Quartier mit neuen Nutzungen und Zubauten schrittweise nachgerüstet; aus dem anfänglich uniformen, transitorischen Ort wird offenbar doch ein im guten Sinne gewöhnliches, lebenswertes Viertel. Der Neubau der lokalen BTV-Filiale leistet für diese homöopathische Transformation einen volumetrisch kleinen, funktional und ästhetisch aber bedeutenden Beitrag.

Bankgebäude geben sich üblicherweise exklusiv, bilden durch kostbar/solides Material und formale Corporate Identity im Stadtgefüge eher isolierte, auf sich selbst bezogene Stellen. In die Bank geht nur, wer dort wirklich etwas zu tun hat. Klare „Zugangsberechtigung“ und striktes, internes Ritual prägen diese Räume. Es sind absolut diskrete Orte: in gewisser Weise – wie auch das Geld – eigentlich abstrakt, und doch ganz in die Nervenbahnen des Lebens eingebunden.

Die neue Filiale „Olympisches Dorf“ bringt all diese Aspekte in eine Form, die dem an sich wenig kommunikativen Umraum positive Dimensionen hinzufügt. Übersichtlich und bequem führt eine Abfahrt von der Straße weg, taucht an der Gebäuderückseite halb unter das Niveau, mündet in den unters Haus eingeschobenen Parkplatz. Man steigt wettergeschützt aus, bleibt aber mit der Straße und dem Außenraum optisch in enger Verbindung, da der Bau hier leicht aus dem Terrain herausgehoben ist, über den Stellplätzen „schwebt“ und nach drei Seiten Licht- und Sichtschlitze freilässt. Ein paar Stufen schließen die Schleife der Annäherung, leiten vom Auto hinauf zum Kundeneingang, der mit breitem Vorplatz direkt zur Straße blickt. Von da eröffnet sich schwellenlos eine helle Kundenhalle. Ein schlanker „Tresen“ dient als Anlaufstelle, verteilt die Wege weiter nach den Seiten: rechts ebenerdig zu einem Besprechungsraum und zur Selbstbedienungszone, links einige Stufen hinauf zu dem über den Carport auskragenden Bauteil – mit den individuellen Kundenräumen und dem Sekretariat, das mit breiter Verglasung die westseitige Stirnfront des Hauses einnimmt.

Die innere Atmosphäre ist offen und zugleich eindeutig verortet. Man spürt auch ohne Beschriftungen, wo man ist, wo man hingehört, wie man hier versorgt wird. Die Stimmung ist geprägt durch die kompakte Möblierung in Akazienholz, die dunklen Trennwände, durch helle Decken und Böden, durch indirekte Lichtführungen über die Dachkonstruktion und präzise verteilte Blickachsen. Außen dominiert die homogene Gebäudehülle aus Bronze-Streckmetall: ein fein gelochter Schleier, der einerseits Assoziationen zum industriellen Bauen, zum harten optischen Klang der Stadtperipherie anspricht, andererseits mit dem dunkelgoldenen Metallglanz auch das Flair einer kostbar eingekleideten Schatztruhe andeutet. Die suggestive Kraft dieser sachlich/noblen, gitterartigen Außenhaut hat sogar noch tiefere Bedeutungsschichten, denn sie wirkt ebenso anregend „ambivalent“ wie etwa die fein gerasterten Balkon- und Erkerfenster altorientalischer Stadthäuser; im „heiligen Land“ Tirol fanden und finden sich vergleichbar dosiert kommunikative Membranen im Inneren der Beichtstühle – und das wäre für eine Bank und das intime Kreditgeschäft ja nicht die abwegigste psychologische Analogie.

Inmitten großformatiger Nachbarschaft ist der Bau wohl maßlich klein, zieht aber souverän die Bewegung der Stadt in sich herein, führt sie in eine ruhige, konzentrierte Sphäre, strahlt in seiner Materialität verhalten Besonderheit aus, schafft mit dem bereinigten Vorplatz und dem anschließenden Drive-In-Schalters eine übersichtliche Umgebung. Die angenehmen, die gewöhnlichen Orte urbanen Lebens entstehen dort, wo sich Nutzungsebenen und Bewegungslinien kreuzen, verdichten – und dies auch in beiläufiger Weise sichtbar, transparent wird. Solche Orte lassen der Alltagspraxis Raum – Raum in einem weit über das rein Bauliche hinausreichenden Sinn; solche Orte sind unterschwellig interessant, weil sie uns anschauen und etwas zu sagen haben, ohne dabei zu dozieren; sie erscheinen unspektakulär, vermitteln aber spürbar Potential. Diese sorgfältig gemachte Bank-Schatulle definiert eben nicht bloß einen auf sich selbst bezogenen Punkt, schafft vielmehr einen raumstrahlenden, raumverbindenden Ort: eine neue Stelle, an der das tägliche Stadtgewebe sich selbst inszenieren kann. (Text: Otto Kapfinger)

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Für den Beitrag verantwortlich: aut. architektur und tirol

Ansprechpartner:in für diese Seite: Claudia Wedekindclaudia.wedekind[at]aut.cc