Bauwerk

Elementfertigungshalle Obermayr
F2 Architekten - Schwanenstadt (A) - 2005
Elementfertigungshalle Obermayr, Pressebild: Lukas Schaller
Elementfertigungshalle Obermayr, Pressebild: Lukas Schaller

Österreichischer Staatspreis für Architektur und Nachhaltigkeit 2010

Ansprechend und energieeffizient. Diese Adjektive nannte man früher nicht unbedingt im Zusammenhang mit einer Industriehalle. Die Firma Obermayr Holzkonstruktionen hat dafür gemeinsam mit F2 Architekten einen neuen Standard geschaffen.

27. Mai 2010 - newroom
Wenn es um innovativen Holzbau geht, ist die Firma Obermayr aus Schwanenstadt meist nicht weit. Seit mehr als zehn Jahren fertigt das Unternehmen Holzfertigteilprodukte für Einfamilienhäuser, Wohnanlagen, Sporthallen, öffentliche Gebäude, Brücken und vieles mehr. Was im Portfolio noch fehlte, war eine großvolumige Produktionshalle. Gut, dass die Firma Obermayr im Jahr 2004 selbst Bedarf nach einer neuen Fertigungshalle in Passivhausstandard hatte und damit einen Prototypen schaffen konnte. „Wir haben viel experimentiert und simuliert, weil es keine passenden Vorbilder dafür gab“, sagt Markus Fischer von F2 Architekten. Herausgekommen ist ein architektonisch herausragendes Bauwerk, das wie ein exquisites Möbelstück in den Feldern steht.

Schwebendes Faltwerk

Errichtet wurde die Halle mit 3.500 Quadratmetern Fläche auf dem Firmengelände von Obermayr Holzkonstruktionen in Schwanenstadt. Das Gebäude ist ein Faltwerk, das an der Westseite aus dem Boden wächst, sich über die Produktionsfläche spannt und an der Ostseit im 18 Meter stützenfrei auskragenden Vordach endet. Die fünf Bahnen des Faltwerks sind seitlich verglast, lassen viel Licht und Wärme ins Gebäude und tragen damit wesentlich zum geringen Energiebedarf der Halle bei.

Das Faltwerk ruht über die gesamte Länge nur auf zwei innenliegenden Stützenreihen und auf der Ostwand. Die schräg gestellten Westwände dienen der Aussteifung in Längsrichtung und sorgen mit seitlichen Glasflächen ebenfalls für die Belichtung.

Die unbehandelte Lärchenschalung der Fassade und die braun lasierten Dreischichtplatten der Bänder des Faltwerks würden einen aufgeschnittenen Stamm symbolisieren, sagt Architekt Markus Fischer: die dunklen Bänder die zerfurchte Rinde, die Lärchenschalung die mit der Zeit ergrauende Schnittkante. Sämtliche Stützen der Halle bestehen aus Brettschichtholz, auf ihnen sind auch die Deckenlaufkräne mittels Konsolen aufgelagert. Die Platten sind hochwärmegedämmte Holzsandwichelemente, die aufgrund der beidseitigen Beplankung mit Holzwerkstoffplatten so stabil sind, dass keine zusätzlichen Konstruktionselemente zur horizontalen Aussteifung erforderlich sind.

Dämmen statt Heizen

Neben der Architektur ist auch das Energiekonzept überzeugend: Die Wände sind mit 28 Zentimeter Hobelspänen gedämmt, die ein Abfallprodukt der Produktion sind. „Statt die Hobelspäne zu verheizen, wie in den anderen Hallen, haben wir sie in die Wände gefüllt“, sagt Hans-Christian Obermayr. Beim Dach ist dieser Dämmstoff nicht zulässig, deshalb wurde dort mit 40 Zentimeter Steinwolle- Flocken gedämmt, die bei der Produktion von Metallbrandschutzpaneelen anfallen und üblicherweise entsorgt werden.

Die verglasten Träger beim Dach und an der Westseite ermöglichen einerseits den Bezug zwischen Innen und Außen und andererseits einen Licht- und Energieeintrag, der im Prinzip die einzige „Heizquelle“ der Produktionshalle ist. Helle, reflektierende Dachfolien in den unteren Bereichen des Faltwerks verstärken den Lichteintrag noch. Durch die Dämmung und die luftdichte Hülle beträgt der Heizwärmebedarf der Halle nur 13 kWh/m2a (PHPP), um die gewünschte Raumtemperatur von 15 Grad Celsius zu erzielen. Diese Temperatur sei ausreichend, sagt Hans-Christian Obermayr: „Wir brauchen nicht 20 Grad Raumtemperatur, weil die Arbeiter sonst zu sehr schwitzen.“

Um dieses Temperaturniveau zu erreichen, hätte die Halle nur eine kleine Wärmemenge gebraucht, die nicht wirtschaftlich sinnvoll erzeugt und verteilt werden hätte können. Aus diesem Grund wurde auf eine Heizung zur Gänze verzichtet. Energieplaner Oskar Pankratz erklärt, warum in der Halle trotzdem eine konstante Mindestemperatur erreicht wird: „Unter der Halle bildet sich im Laufe der Jahre eine warme Blase, die konstant die Durchschnittstemperatur des Jahres hält. Das Erdreich dient also als Wärmespeicher und Dämmung zugleich. Selbst an kalten, nebeligen Tagen hat es deshalb nicht unter acht Grad Celsius in der Halle.“ Um die „Blasenwirkung“ nicht zu behindern, wurde der Betonboden der Halle nicht gedämmt; nur in den Arbeitsbereichen, also dort, wo die Arbeiter länger stehen, besteht der Boden aus Holz mit Steinwolle-Isolierung.

Hans-Christian Obermayr sagt, die fehlende Heizung habe auch einen positiven Nebeneffekt: „Die Arbeiter ziehen sich dadurch wärmer an und verkühlen sich nicht, wenn sie im Winter hinausgehen.“ Außerdem würden sie sich für das Klima der Halle selbst verantwortlich fühlen und die Tore schnell wieder zumachen. Bei anderen Hallen, die mit Sägespänen geheizt werden, bleibe das Tor häufig offen. Im Sommer erwärmt sich die Halle an heißen Tagen mittags auf etwa 27 Grad. Das sei wesentlich weniger als in herkömmlichen Industriehallen, so Oskar Pankratz. Wenn es zu warm wird, werden die Lüftungsflügel seitlich und oben geöffnet, dank der angrenzenden Felder kühlt die Halle nachts dann wieder ausreichend ab.

Mehr Licht, weniger Kosten

Für geringe Betriebskosten sorgt auch das Lichtkonzept. Das Kunstlicht in der Halle ist tageslichtgesteuert, wodurch sich der Energiebedarf auf ein Sechstel des normalerweise Üblichen reduziert. Jede einzelne Leuchte ist dimmbar und ergänzt das fehlende Tageslicht, sodass die Lichtverhältnisse am Arbeitsplatz konstant bleiben, und zwar bei mindestens 500 Lux im Arbeitsbereich. Die Firma Zumtobel hat dafür eigens Leuchten entwickelt, die bündig in die Dachkonstruktion integriert wurden. Nach ursprünglichen Berechnungen hätte sich die Anschaffung dieses Beleuchtungssystems Beleuchtungssystems in sieben Jahren amortisieren sollen, sagt Hans-Christian Obermayr. Weil die Strompreise stark gestiegen sind, hat sie sich bereits nach nicht einmal fünf Jahren gerechnet.

Die Industriehalle Marke Obermayr hat noch einen weiteren Pluspunkt: Wird sie eines Tages nicht mehr gebraucht, kann sie einfach auseinandergenommen, anderweitig verwendet oder verheizt werden. Herkömmliche Hallen sind dann zumeist Sondermüll.

Kein Wunder also, dass die Staatspreis-Jury die Produktionshalle als rundum gelungen beurteilt: „Die Holzträger folgen in Höhe und Form dem Kräfteverlauf und dem Lichtgewinn und bilden eine Dach-, Deckenund Fassadenlandschaft von eindrucksvoller formaler Kraft und Ausstrahlung. Höchster Anspruch an Tageslichtnutzung, stützenfreie Fertigungsflächen und optimierte Konstruktion münden in eine vollkommene Form. Frei von jedem oberflächlichen (CI-)Design steht dieser Bau ohne Erklärungsbedarf für die kulturelle Leistungsfähigkeit nachhaltigen Bauens.“ (Text: Sonja Bettel)

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