Bauwerk

Passerelle sur le Rhin
Dietmar Feichtinger Architectes - Weil am Rhein (D) - 2007

Fussverbindung

Das Dreiländereck bei Basel hat der neuen Fussgängerbrücke den Namen gegeben. Über den Rhein gespannt, verbindet sie Weil am Rhein (Deutschland) mit Hüningen (Frankreich) und steht keine 200 m von der Schweizer Landesgrenze entfernt. Seit der Eröffnung im März 2007 soll die neue Verbindung die Fussgängerinfrastruktur der industrialisierten Region verbessern und die Beziehungen über die Ländergrenzen hinweg fördern.

Im Juli 2001 schrieben die Stadt Weil am Rhein und die Communauté de Communes des Trois Frontières (CC3F) einen Wettbewerb für eine Fuss- und Radwegbrücke über den Rhein aus. Die Planungsgemeinschaft Leonhardt, Andrä und Partner / Feichtinger Architectes aus Berlin bzw. Paris gewannen die Konkurrenz und erhielten 2004 den Auftrag für die ­Planungsarbeiten der Dreiländerbrücke. Die Eröffnung der komplett aus Stahl gefertigten Bogenbrücke fand im März dieses Jahres statt.

Die Asymmetrie des Bauwerks

Die Fussgängerverbindung über den Rhein liegt in der Achse der Hauptstrasse von Friedlingen, einem Ortsteil von Weil am Rhein, und der Rue de France von Hüningen mit dem historischen Turm im Hintergrund. Die beiden Aussichten über die Brückenenden hinweg spielten für das architektonische Konzept eine wesentliche Rolle. Um die Sichtachse für die Fussgänger nicht zu unterbrechen, neigt sich der südliche Bogen um 16° zur Seite und gibt dem Brückenquerschnitt seine Asymmetrie – eine starke und eine schwache Achse prägen die Tragstruktur. Entsprechend sind die Querschnitte der Haupttragelemente ungleich ausgebildet. Der stärkere, vertikale Nordbogen besteht aus zwei hexagonalen, 900 mm hohen Stahlkästen, der schwächere, geneigte Südbogen hingegen aus einem Stahlrohr mit dem Durchmesser von 609 mm. Durch diese spezielle Formgebung wird der nördliche Bogen etwa doppelt so stark belastet wie der südliche.

Ein Teil des Bogenschubs wird an den Auflagerpunkten umgelenkt und an den Brücken­enden nach unten gespannt. Dadurch konnte die Gesamthöhe des Bauwerks auf 23 m ­gesenkt werden. Vom Schnittpunkt der Stahlbogen mit dem Fahrbahndeck bis zu deren Scheitelpunkt misst der Bogenstich sogar nur 16.95 m. Bei einer freien Spannweite von 229.40 m zwischen den Bogenfusspunkten erscheint die Brücke entsprechend flach und schlank. Um das erforderliche Lichtraumprofil der Rheinschifffahrt dennoch freizuhalten, wurde die Gehwegplatte mit einer Kuppenausrundung ausgebildet. Der Hochpunkt befindet sich in Brückenmitte. Die orthotrope Platte aus 10 mm dickem Deckblech und Trapezhohlsteifen hat ein Quergefälle von 2 % und liegt alle 3.10 m auf Querträgern auf. Die anfallende Last wird auf die beiden Längsträger weitergeleitet. Auch bei diesen Tragelementen wurde die Asymmetrie umgesetzt. Der nördliche Träger besteht aus zwei hexagonalen Querschnitten mit 600 mm Bauhöhe, der südliche ist ein Rohr mit 325 mm Durchmesser. Beidseitig hängt der Gehweg alle 9.30 m mit galvanverzinkten Spiralseilen an den Stahlbögen. Die Seildurchmesser variieren entsprechend der Belastung von 30 bis 36 mm.

Die statische Berechnung des asymmetrischen Gesamtsystems erfolgte mit einem räumlichen Stabwerksmodell. Zur Erfassung der korrekten Quersteifigkeit wurde die Gehwegplatte mit einer Finite-Element-Struktur in das Programm eingegeben. Der massgebende Bemessungslastfall für die schlanke Tragkonstruktion war in Querrichtung die Windbelastung. In Brückenlängsrichtung war die Verkehrslast auf der halben Brückenlänge bemessungsrelevant. Die Durchbiegung in diesem Lastfall beträgt 1275 mm, was in etwa L/200 entspricht.

Die schlanke Konstruktion

Um den Einfluss der grossen Durchbiegungen zu berücksichtigen, erfolgte die Schnitt-kraftermittlung nach Theorie III. Ordnung. Die Überhöhung musste bei der Dimensionierung der Tragelemente ebenfalls berücksichtigt werden. Sie konnte infolge der Nichtlinearität nicht direkt aus der Durchbiegung, sondern musste aus der Überlagerung der einzelnen Abtriebskräfte infolge des Eigengewichtes ermittelt werden.

Wegen der schlanken Konstruktion ist die Brücke schwingungsanfällig – man spürt regelrecht die Dynamik, wenn man über die Gehwegplatte geht. Um die Schwingungsanfälligkeit der leichten Konstruktion zu testen, wurden im Januar 2007 am Bauwerk Untersuchungen mit bis zu 1000 Teilnehmern durchgeführt. Nennenswerte Schwingungen stellten sich erst bei einer Brückennutzung von über 500 Personen ein. Bei üblicher Nutzung treten sie nicht auf. Es besteht somit kein relevantes Gefährdungsbild.

Die sich aus der statischen Berechnung ergebenden Auflagerreaktionen wiesen grosse ­Horizontalkräfte in Richtung Süden auf. Demgegenüber waren die vertikalen Auflagerkräfte wegen der leichten Stahlkonstruktion relativ klein. Darum war die Anordnung von konven­tionellen, horizontal ebenen Auflagern nicht möglich. Mit Kalottenlagern an den beiden Bogenenden auf der französischen Seite und der längsverschieblichen Lagerung am Ufer von Weil am Rhein konnte die Lastabtragung jedoch gewährleistet werden. Konstruktiv aufwändig waren auch manche Knotenpunkte. Die unterschiedlichen Profilquerschnitte und die grosse Spannweite in Verbindung mit der geringen Brückenhöhe verursachten beispielsweise «schleifende» Schnittpunkte der Bögen mit dem Gehbahndeck. Am nördlichen Bogen beträgt die Länge eines Knotenpunktes ganze 7.70 m. An dieser Stelle wurde ein geschweisster Knoten mit Stahl- und Gussblechen ausgebildet. Die Schweisszugänglichkeit war aber bei den geringen Querschnittshöhen teilweise schwierig. Ausserdem entstanden bei einigen Knotenpunkten in den Stahlquerschnitten hohe Spannungen. Eine konventionelle Ausbildung von Schweissknoten war dann nicht immer möglich. So wurden an den Auflagern zur Verbindung der Haupttragglieder Gussknoten angeordnet. Die freie Formwahl bei der Verbindung der Querschnitte und die einfache Anpassung der Wandstärke entsprechend der statischen Beanspruchung begünstigten diese Konstruktionsweise.

Auf dem Rhein zum endgültigen Standort

Die gesamte Brücke wurde auf dem Vormontageplatz gefertigt. Er befand sich etwa 500 m rheinabwärts auf französischer Seite. Nach dem etwa halbjährigen Zusammenbau der kompletten Konstruktion wurden temporäre Abspannungen an den Brückenenden eingebaut, um die Stabilität und die Steifigkeit zu gewährleisten. Mit Schwerlastfahrzeugen wurde das Bauwerk auf im Fluss treibende Pontons verladen und anschliessend im November 2006 an seine endgültige Lage geschifft. Dafür war die Rheinschifffahrt für einen Tag gesperrt. Nach dem Vorspannen der Zugabspannungen am Brückenende konnten die Lager vergossen werden. Die Brücke war den Fussgängern und Radfahrern nach den Abschlussarbeiten ab März 2007 zugänglich – und diente während des Hochwassers vom letzten August bereits als Aussichtsplattform.

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Für den Beitrag verantwortlich: TEC21

Ansprechpartner:in für diese Seite: Judit Soltsolt[at]tec21.ch

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