Bauwerk
Hotelpavillons »Les Cols«
RCR Arquitectes - Olot (E) - 2005
Inneres Glühen
Am Fuß der spanischen Pyrenäen errichteten die ortsansässigen Architekten in minimalistischer Glasarchitektur fünf außergewöhnliche Hotelpavillons. In den Innenräumen der meditativen Unterkünfte stört nichts den Eindruck von Klarheit, Ruhe, Einsamkeit.
2. März 2007 - Klaus Englert
Mit weit über fünf Millionen Besuchern jährlich verzeichnet Barcelona derzeit die höchste touristische Zuwachsrate unter den europäischen Städten. Die Hotelbranche hat sich bereitwillig auf diese Entwicklung eingestellt und reagiert mit bemerkenswerten Neubauten: Vom Meeresufer bis weit über Barcelonas neues Stadtsignet – Jean Nouvels Torre Agbar für die Wasserwerke »Aguas Barcelona« – hinaus, bis in die südliche »zona franca« zwischen den Vororten der Metropole und dem Flughafen hinein, entstehen Hotels namhafter Architekten. So baut zum Beispiel Dominique Perrault an der Avenida Diagonal das »Habitat Sky«, ein 120 Meter hohes, mit einer metallisch glänzenden Haut überzogenes Zweischeiben-Haus, und Enric Ruiz-Gelis das »Hotel Hábitat«, dessen Fassade in der Nacht von einem Netz aus Fotovoltaikzellen erleuchtet werden soll.
Doch auch Reisende, die es vorziehen, eher außerhalb des städtischen Trubels zu wohnen, kommen auf ihre Kosten: Weit entfernt vom Zweitresidenz-Gürtel deutscher Touristen am Meer empfiehlt sich das Städtchen Olot inmitten des Vulkangebiets Garrotxa als Refugium für den Großstadtflüchtling. Die intimen Hotelpavillons »Les Cols« des heimischen Architekturbüros RCR sind eine überzeugende Alternative zu den Designhotels Barcelonas.
Architektur im Vulkangebiet
Hinter dem Kürzel RCR verbergen sich die Architekten Rafael Aranda, Carme Pigem und Ramón Vilalta. Die drei hatten sich während des Studiums an der renommierten Architekturfakultät in Barcelona kennengelernt und entgegen der Ratschläge ihrer Professoren und Kollegen entschieden, der Karriereschmiede der katalonischen Metropole den Rücken zu kehren und in ihrer gemeinsamen Heimatstadt Olot ein Büro zu gründen. Dabei bauten sie eine lebendige Arbeitsgemeinschaft auf, die auf kollektive Entscheidungen setzt. Seit Ende der neunziger Jahre entstanden fast alle Projekte von RCR im Vulkangebiet La Garrotxa. So zum Beispiel ein schmaler, lang gestreckter Badepavillon, der wie selbstverständlich am Ufer des Río Fluvia steht, oder das Stadion Tussols-Basil, eine Leichtathletikanlage, die sich in die Lichtung eines Eichenwaldes einfügt und sich als gelungene Verbindung von Natur und Architektur erweist.
Im letzten Jahr hat das Büro zwei weitere Projekte am östlichen Stadtrand von Olot realisiert: ein Restaurant, das in ein altes katalonisches Bauernhaus eingefügt wurde, und fünf Gästepavillons, die auf dem angrenzenden Grundstück entstanden sind. »Les Cols« (katalanisch: die Kohlköpfe) ist in Spanien bereits zu einem Geheimtip geworden; die Küche verbindet lokale Tradition mit ausgetüftelter Finesse, und die Architektur zeigt, dass RCR einem spanischen »paisajismo« folgen, der keineswegs orthodox ist, sondern immer wieder für originelle Raumlösungen sorgt. So haben sie den traditionellen Gemeinschaftsraum des Bauernhauses in einen goldlackierten Bankettsaal mit einem zwanzig Meter langen goldenen Tisch, goldenen Stühlen und Wänden verwandelt.
Ganz aus Glas
Nach diesem Farbenrausch überraschen die Pavillons durch ihre nüchterne, fast unauffällige Erscheinung und Konstruktion. Doch die Architektur ist hier längst nicht alles, auch das Zelebrieren von Ritualen gehört dazu: Der Hotelgast wird von der jungen Hotelbesitzerin Judit Planells in ein kleines, schummriges Vestibül geleitet, in dessen Mitte lediglich ein Tisch mit Kohlköpfen und brennenden Kerzen steht. Hier wird der Gast charmant mit den Gesetzen des Hauses vertraut gemacht, den Hotel- und Zimmercodes sowie den Servicezeiten. Das ist in der Tat notwendig, denn in »Les Cols« ticken die Uhren etwas anders. In Begleitung von Judit Planells gelangt man nun auf einem eingefassten Pfad mit schwarzem vulkanischen Kieselboden, vorbei an Palisaden aus grünlich schimmernden Glaslamellen, zum eigenen Pavillon, dessen Tür sich nur mit dem selbst gewählten Zahlencode öffnen lässt. Jede Wohnstatt besitzt einen eigenen Patio aus vulkanischem Gestein, einem ausschließlich fürs Auge geschaffenen Meditationsgarten. Doch der intime Innenhof ist keineswegs das Überraschendste an dieser Anlage: Von einem Vestibül, das lediglich durch eine gläserne Schiebetür vom Wohnbereich getrennt ist, gleitet der Blick ins Innere, und schon kommen erste Zweifel auf: »Und hier soll ich wohnen?« Ist dieser transparente und grünlich schimmernde Zen-Raum, in dem es weder Tisch noch Stuhl und auch keinen High-Tech-Flachbildschirm gibt, tatsächlich bewohnbar? Sichtbar sind nur die Membranen der Matratze, alles andere ist hinter der Wand verborgen. Über Touchscreens im Durchgang zwischen Wohn- und Badezimmer lassen sich in diesem intelligenten Haus sowohl die Beleuchtung als auch Raumteiler und Jalousien bewegen. Nichts stört den atmosphärischen Eindruck von Klarheit, Ruhe und Einsamkeit.
Die Pavillons wirken nie völlig transparent, sondern wie eingetaucht in ein grünliches Dämmerlicht. Es gibt keine Zentralbeleuchtung, sondern viele kleine Lichtquellen, die sich zum Glück ohne längeres Suchen und Probieren an- und ausschalten lassen. In der Nacht kann man dann sehen, dass sich unterhalb des gläsernen Bodens winzige, nach unten gerichtete Strahler befinden. Der gesamte Gebäudekörper hängt an L-förmigen Stahlstützen, von denen die Stahlrahmenkonstruktion abgehängt ist. Diese Konstruktionstechnik erlaubt eine Glasarchitektur bei der, neben gläsernen Wänden, auch gläserne Böden und Decken dominieren. Alles zusammen mit den leicht verspiegelten, stählernen Oberflächen von Wänden und Sanitäreinrichtung verstärkt die immaterielle Ausstrahlung des Pavillons. Allerdings rührt diese Atmosphäre nicht allein von der durchgehenden Transparenz und den Spiegeleffekten her, sondern auch von der klaren räumlichen Ordnungsstruktur, die RCR geradezu mit mönchischer Rigidität eingehalten haben. Stets sind es Kubus und Quader, von denen sich die Architekten inspirieren ließen. Diese Regel setzten sie auch konsequent im Badezimmer, bei der Gestaltung von Duschzone und Badebecken um.
Duschen im Kiesbett
Selten haben sich Architekten mit mehr Sorgfalt dem Badekabinett zugewandt. Es ist eine kompositorische wie ästhetische Meisterleistung, auch wenn man einräumen muss, dass dafür bei einigen Details funktionale Anforderungen geopfert worden sind. Das Wasser im grün schimmernden Waschbecken ist ein gemächlich fließender Fluss und gerät immer dann in Bewegung, wenn sich der Benutzer nähert. Unter der genial einfachen Dusche fühlt man sich wie unter einem Wasserfall, während die Füße in einem seichten Flussbett aus schwarzen Marmorkieseln zu stehen kommen. Nach dem Duschen empfiehlt es sich, in das angrenzende, in den Boden eingelassene Becken – ein sprudelndes japanisches Bad – zu steigen, um sich langsam in den Tag hineinzuträumen. Das ständig zirkulierende Wasser macht es möglich, dass diese Wanne auch für Bademuffel eine Wonne ist.
Alsbald ertönt, etwas unsanft, die Klingel an der Pavillontür und gemahnt an die Gesetze des Hauses. Judit Planells bringt das Frühstückstablett mit Oloter Spezialitäten. Am besten setzt man sich auf die Stufe des Vestibüls, schaut hinaus auf die sanften, gleichmäßigen Linien des Steingartens und genießt beim Frühstück die ruhige Morgenstimmung.
Peu à peu fügt sich der Gast bereitwillig der Ordnung dieser ostasiatisch anmutenden »Mönchszellen« und fragt erst gar nicht nach, was alles fehlt. »Les Cols« dürfte das einzige Hotel der Welt sein, in dem man sich in der Dämmerung auf die Matratze legen und durchs Oberlicht die vorbeiflatternden Fledermäuse beobachten kann. Währenddessen plätschert im Badezimmer sanft das Wasser, und durch die geöffnete Schiebetür strömt frische Luft. Spätestens wenn man des frei umherfliegenden Federviehs im Restaurants gewahr wird, ist klar, dass man sich mitten auf dem Land befindet. Kein Zweifel, in diesem Hotel ist alles unvergleichlich.
Doch auch Reisende, die es vorziehen, eher außerhalb des städtischen Trubels zu wohnen, kommen auf ihre Kosten: Weit entfernt vom Zweitresidenz-Gürtel deutscher Touristen am Meer empfiehlt sich das Städtchen Olot inmitten des Vulkangebiets Garrotxa als Refugium für den Großstadtflüchtling. Die intimen Hotelpavillons »Les Cols« des heimischen Architekturbüros RCR sind eine überzeugende Alternative zu den Designhotels Barcelonas.
Architektur im Vulkangebiet
Hinter dem Kürzel RCR verbergen sich die Architekten Rafael Aranda, Carme Pigem und Ramón Vilalta. Die drei hatten sich während des Studiums an der renommierten Architekturfakultät in Barcelona kennengelernt und entgegen der Ratschläge ihrer Professoren und Kollegen entschieden, der Karriereschmiede der katalonischen Metropole den Rücken zu kehren und in ihrer gemeinsamen Heimatstadt Olot ein Büro zu gründen. Dabei bauten sie eine lebendige Arbeitsgemeinschaft auf, die auf kollektive Entscheidungen setzt. Seit Ende der neunziger Jahre entstanden fast alle Projekte von RCR im Vulkangebiet La Garrotxa. So zum Beispiel ein schmaler, lang gestreckter Badepavillon, der wie selbstverständlich am Ufer des Río Fluvia steht, oder das Stadion Tussols-Basil, eine Leichtathletikanlage, die sich in die Lichtung eines Eichenwaldes einfügt und sich als gelungene Verbindung von Natur und Architektur erweist.
Im letzten Jahr hat das Büro zwei weitere Projekte am östlichen Stadtrand von Olot realisiert: ein Restaurant, das in ein altes katalonisches Bauernhaus eingefügt wurde, und fünf Gästepavillons, die auf dem angrenzenden Grundstück entstanden sind. »Les Cols« (katalanisch: die Kohlköpfe) ist in Spanien bereits zu einem Geheimtip geworden; die Küche verbindet lokale Tradition mit ausgetüftelter Finesse, und die Architektur zeigt, dass RCR einem spanischen »paisajismo« folgen, der keineswegs orthodox ist, sondern immer wieder für originelle Raumlösungen sorgt. So haben sie den traditionellen Gemeinschaftsraum des Bauernhauses in einen goldlackierten Bankettsaal mit einem zwanzig Meter langen goldenen Tisch, goldenen Stühlen und Wänden verwandelt.
Ganz aus Glas
Nach diesem Farbenrausch überraschen die Pavillons durch ihre nüchterne, fast unauffällige Erscheinung und Konstruktion. Doch die Architektur ist hier längst nicht alles, auch das Zelebrieren von Ritualen gehört dazu: Der Hotelgast wird von der jungen Hotelbesitzerin Judit Planells in ein kleines, schummriges Vestibül geleitet, in dessen Mitte lediglich ein Tisch mit Kohlköpfen und brennenden Kerzen steht. Hier wird der Gast charmant mit den Gesetzen des Hauses vertraut gemacht, den Hotel- und Zimmercodes sowie den Servicezeiten. Das ist in der Tat notwendig, denn in »Les Cols« ticken die Uhren etwas anders. In Begleitung von Judit Planells gelangt man nun auf einem eingefassten Pfad mit schwarzem vulkanischen Kieselboden, vorbei an Palisaden aus grünlich schimmernden Glaslamellen, zum eigenen Pavillon, dessen Tür sich nur mit dem selbst gewählten Zahlencode öffnen lässt. Jede Wohnstatt besitzt einen eigenen Patio aus vulkanischem Gestein, einem ausschließlich fürs Auge geschaffenen Meditationsgarten. Doch der intime Innenhof ist keineswegs das Überraschendste an dieser Anlage: Von einem Vestibül, das lediglich durch eine gläserne Schiebetür vom Wohnbereich getrennt ist, gleitet der Blick ins Innere, und schon kommen erste Zweifel auf: »Und hier soll ich wohnen?« Ist dieser transparente und grünlich schimmernde Zen-Raum, in dem es weder Tisch noch Stuhl und auch keinen High-Tech-Flachbildschirm gibt, tatsächlich bewohnbar? Sichtbar sind nur die Membranen der Matratze, alles andere ist hinter der Wand verborgen. Über Touchscreens im Durchgang zwischen Wohn- und Badezimmer lassen sich in diesem intelligenten Haus sowohl die Beleuchtung als auch Raumteiler und Jalousien bewegen. Nichts stört den atmosphärischen Eindruck von Klarheit, Ruhe und Einsamkeit.
Die Pavillons wirken nie völlig transparent, sondern wie eingetaucht in ein grünliches Dämmerlicht. Es gibt keine Zentralbeleuchtung, sondern viele kleine Lichtquellen, die sich zum Glück ohne längeres Suchen und Probieren an- und ausschalten lassen. In der Nacht kann man dann sehen, dass sich unterhalb des gläsernen Bodens winzige, nach unten gerichtete Strahler befinden. Der gesamte Gebäudekörper hängt an L-förmigen Stahlstützen, von denen die Stahlrahmenkonstruktion abgehängt ist. Diese Konstruktionstechnik erlaubt eine Glasarchitektur bei der, neben gläsernen Wänden, auch gläserne Böden und Decken dominieren. Alles zusammen mit den leicht verspiegelten, stählernen Oberflächen von Wänden und Sanitäreinrichtung verstärkt die immaterielle Ausstrahlung des Pavillons. Allerdings rührt diese Atmosphäre nicht allein von der durchgehenden Transparenz und den Spiegeleffekten her, sondern auch von der klaren räumlichen Ordnungsstruktur, die RCR geradezu mit mönchischer Rigidität eingehalten haben. Stets sind es Kubus und Quader, von denen sich die Architekten inspirieren ließen. Diese Regel setzten sie auch konsequent im Badezimmer, bei der Gestaltung von Duschzone und Badebecken um.
Duschen im Kiesbett
Selten haben sich Architekten mit mehr Sorgfalt dem Badekabinett zugewandt. Es ist eine kompositorische wie ästhetische Meisterleistung, auch wenn man einräumen muss, dass dafür bei einigen Details funktionale Anforderungen geopfert worden sind. Das Wasser im grün schimmernden Waschbecken ist ein gemächlich fließender Fluss und gerät immer dann in Bewegung, wenn sich der Benutzer nähert. Unter der genial einfachen Dusche fühlt man sich wie unter einem Wasserfall, während die Füße in einem seichten Flussbett aus schwarzen Marmorkieseln zu stehen kommen. Nach dem Duschen empfiehlt es sich, in das angrenzende, in den Boden eingelassene Becken – ein sprudelndes japanisches Bad – zu steigen, um sich langsam in den Tag hineinzuträumen. Das ständig zirkulierende Wasser macht es möglich, dass diese Wanne auch für Bademuffel eine Wonne ist.
Alsbald ertönt, etwas unsanft, die Klingel an der Pavillontür und gemahnt an die Gesetze des Hauses. Judit Planells bringt das Frühstückstablett mit Oloter Spezialitäten. Am besten setzt man sich auf die Stufe des Vestibüls, schaut hinaus auf die sanften, gleichmäßigen Linien des Steingartens und genießt beim Frühstück die ruhige Morgenstimmung.
Peu à peu fügt sich der Gast bereitwillig der Ordnung dieser ostasiatisch anmutenden »Mönchszellen« und fragt erst gar nicht nach, was alles fehlt. »Les Cols« dürfte das einzige Hotel der Welt sein, in dem man sich in der Dämmerung auf die Matratze legen und durchs Oberlicht die vorbeiflatternden Fledermäuse beobachten kann. Währenddessen plätschert im Badezimmer sanft das Wasser, und durch die geöffnete Schiebetür strömt frische Luft. Spätestens wenn man des frei umherfliegenden Federviehs im Restaurants gewahr wird, ist klar, dass man sich mitten auf dem Land befindet. Kein Zweifel, in diesem Hotel ist alles unvergleichlich.
Für den Beitrag verantwortlich: deutsche bauzeitung
Ansprechpartner:in für diese Seite: Ulrike Kunkel
Akteure
ArchitekturBauherrschaft
Judit Planella
Joaquim Puigdevall
Tragwerksplanung