Bauwerk

Einfamilienhaus RMS
schmid&boese - Purkersdorf (A) - 2006

Hausskulptur in Handarbeit

Das Grundstück wurde gerodet - plötzlich verlief eine Geländekante mitten durch die Parzelle. Passgenau meißelten die Architekten Schmid & Boese einen schwungvollen Hausbaukörper. Unten ist er praktisch, oben bietet er zudem fabelhafte Aussicht.

7. Juli 2007 - Isabella Marboe
Der Pachtgrund in Purkersdorf war ein echter Glücksfall. Wie eine Insel liegt er im Bogen einer Forststraße. Im Osten grenzt der Friedhof mit Weitblick über Ort und Landschaft an, am Westhang dahinter ragt nur noch der Wienerwald empor. „Im Herbst ist diese Kulisse ein Wahnsinn, da spielen sich alle Farben ab“, gibt sich Architekt Stefan Boese zufrieden, „das Grundstück hat nur Sonnenseiten.“ Das ist Understatement vom Feinsten.

Zuvor war die Parzelle von urwaldartigem Dickicht übersät, mit der Rodung trat dann überraschenderweise ein Geländesprung zutage. Aufgrund der schwierigen Gegebenheiten bedurfte es mehrerer Durchläufe zwischen Handskizzen, Modellen und Computersimulationen sowie einiger Ortserkundungen zu allen Jahreszeiten. Erst dann war der Baukörper so weit ausgereift, dass er sich mit Selbstverständlichkeit an die Bruchkante im Gelände schmiegt und die Sonnenseiten der Lage zum Strahlen bringt.

Das architektonische Konzept schien perfekt. Ursprünglich schwebte den Bauherren ein leichtes und offenes Wohnen auf einer Ebene vor. Mit der Hangformation war das nicht ohne Weiteres zu vereinen. Zum Glück brauchten sie auch Garage, Lagerräume, eine Ordination sowie eine Einlieger-Wohnung für betagte Eltern oder flügge werdende Kinder. Stefan Boese schob all diese Funktionen als Betonbasis in den Hang und ordnete das offene Wohnen sodann im Obergeschoß an.

Platz für Geselligkeit

Das Wohnzimmer ist das kommunikative Herz des Hauses. Die Nordwand birgt etlichen Stauraum für Bücher und wird somit zum intellektuellen Rückgrat des Wohnraums. Der gesellige Essplatz liegt direkt vor der Terrasse, im Sommer ufert das familiäre Beisammensein oft ins Freie aus. Das weiße Küchenmöbel, das der freien Raummitte seine bartaugliche Tresenseite zukehrt, eignet sich zudem perfekt für größere Runden mit Gästen. „Wir wollten Feste feiern können“, sagt die Baufrau, "der Nachteil ist nur, dass jetzt alle zu uns kommen.

Beidseitig verglast, setzt die ausgedehnte Wohnebene mit einer Terrasse auf Wald- und Wiesengrund auf. „Manchmal hoppelt in der Früh ein Hase vorbei und knabbert am hohen Gras“, sagt die Baufrau, „das ist total süß.“ Auf zwei Balkonen kann man schließlich Fernblick genießen - mit etwas Glück sogar bis zur Kuppel von Steinhof. „Die Familie ist sehr gesellig“, erklärt der Architekt, „die vielen Freibereiche haben sich daher einfach ergeben.“

Am Südende der Wohnebene liegt das Schlafzimmer. Der durchgesteckte Raum mit straßenseitigem Balkon hatte es in sich: „Aus konstruktiver Sicht war das Schlafzimmer mit Abstand am aufwändigsten zu planen“, sagt Stefan Boese, „die Seitenwand trägt nämlich das ganze Obergeschoß.“ Tief im Erdreich verankert, düst sie stützenfrei über den Hang hinweg und schafft unter sich eine gedeckte Zufahrt. So bleiben die Ankömmlinge selbst bei Regen trocken.

Praktisch ist das Haus auch in ganz anderer Hinsicht: Die Bauherren wünschten sich von Anfang an ein Niedrigenergiehaus mit Wärmerückgewinnungsanlage. Geheizt wird mit Pellets. Der betonierte Sockel und die Betondecke entfalten einen weiteren Vorteil: Sie wirken als speicherfähige Masse. Um das Haus optisch leichter zu machen, sind die Seitenflanken im Süden und im Norden mit Lärchenholz verkleidet - Handarbeit von Bauherr und Architekt.

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Akteure

Architektur

Bauherrschaft
Rita Schlerka
Martin Schlerka

Tragwerksplanung