Bauwerk

Eigentumswohnungen Am Eulachpark
novaron - Winterthur (CH) - 2006
Eigentumswohnungen Am Eulachpark, Foto: Roger Frei
Eigentumswohnungen Am Eulachpark, Foto: Roger Frei

Zweimal anders wohnen

Das Sulzer-Areal in Oberwinterthur ist das grösste Entwicklungsgebiet der Stadt. Die Architekturbüros Burkhalter Sumi und Novaron haben fünf Häuser mit 110 Wohnungen gebaut. Sie könnten unterschiedlicher nicht sein: Von frei unterteilbaren Lofts für Eigentümer bis zu Miet-Maisonette- und Geschosswohnungen.

5. September 2007 - Roderick Hönig
Winterthur hat sich mit seinen durchgrünten Arbeitersiedlungen einen Namen als lebenswerte Wohn- und Gartenstadt gemacht. Einige der Siedlungen wurden und werden nachverdichtet, doch wächst die ehema-lige Industriestadt heute vor allem an den Rändern. 2004 etwa hat der Bauunternehmer Leopold Bachmann in Oberwinterthur die Siedlungen ‹Wässerwiesen› und ‹Im Gern› (HP 9/04) gebaut, insgesamt 840 Wohnungen im unteren Preissegment. Auch das Bauvolumen des Jahres 2005 ist eindrücklich: 850 Millionen Franken wurden in den Wohnungsbau investiert. Das wichtigste und grösste Entwicklungsgebiet der Stadt ist das sechzig Hektaren grosse Sulzer-Areal in Oberwinterthur. Aus der mit dem öffentlichen Verkehr gut erschlossenen Industriebrache soll in den kommenden Jahren eine Wohn-, Dienstleistungs- und Parklandschaft entstehen.

Raffinierte Grundrisse Am nördlichen Rand des Industrieareals liegt das Ensemble Am Eulachpark. Es besteht aus 110 Wohnungen für Besserverdienende. Sie sind zwischen dem Bahnhof Oberwinterthur und dem vom Landschaftsarchitekten Stefan Koepfli geplanten, 60 000 Quadratmeter grossen Eulachpark platziert. Die Überbauung besteht aus fünf Baukörpern: zwei dreigeschossige Stadtvillen entlang der Strasse und drei lange Riegel gegen den Park hin. Durch die Kombination von Punkt- und Langhäusern gliedern sich die Bauten zumindest ansatzweise in die biedere ‹Hüsliwelt› entlang der Strasse ein, gleichzeitig übernehmen die bis zu 75 Meter langen und bis zu sechs Geschossen hohen Riegel im rückwärtigen Teil den Massstab der Industriebauten, die früher hier auf dem Areal standen. Den Arealbonus, welcher der Überbauung wegen der Grösse des Baugrunds zuteil wurde, haben die Architekten aber nicht wie erwartet gleichmässig auf den Dachflächen der Riegel verteilt, sondern das Mehrvolumen als dreigeschossige Türme jeweils versetzt draufgestellt. So geniessen die Turmwohnungen Weit- und Rundsicht.

In die beiden westlichen Riegel haben Burkhalter Sumi achtzig Mietwohnungen eingepasst. Die Grundrisse sind ausgetüftelt und effizient: Insgesamt gibt es zehn Wohnungstypen, und durch die geschickte Kombination von Treppenhaus und Rue intérieure braucht es pro Block nur einen Lift. Wie das geht? Burkhalter Sumi kombinieren Le Corbusiers Rue-intérieure-Typ mit Reihenhäuschen im Erdgeschoss und Geschosswohnungen im Turm. Im Erdgeschoss liegen je acht Reihenhäuschen und ein Studio. Man betritt sie über einen würfelförmigen Windfang. Er ragt zwei Meter in den gemeinschaftlichen Zwischenraum hinein; die Vor- und Rücksprünge verleihen dem Hof einen Rhythmus und signalisieren die Hauseingänge. Grosse Glasscheiben geben den Blick auf den 17 Meter tiefen Küchen-, Ess- und Wohnbereich frei. Er erstreckt sich von der einen Fassade zur andern. Neben dem Badkern in der Mitte führt eine kleine Treppe hinunter zu einem Studio im Untergeschoss und macht die Durchschusswohnung zur abwärts orientierten Maisonette.

Über dem Reihenhäuschen-Geschoss liegen acht aufwärts orientierte Maisonetten auf der einen Seite sowie neun 1- bis 2-Zimmer-Wohnungen auf der anderen. Sie werden über eine knallig gelb gestrichene, 75 Meter lange Rue intérieure erschlossen. Die Rahmen der grauen Wohnungs-türen sind auf die Wand aufgesetzt, sodass die Monotonie des langen Gangs etwas gebrochen wird. Zwei Lichtschächte lassen wenig Tageslicht von oben einfallen, an den beiden Enden geben grosse Fenster den Blick nach draussen frei. Eine enge Rue intérieure erschliesst zwei Duplextypen: Den einen betritt man über einen kleinen fensterlosen Vorraum, den die Architekten zugunsten der Zimmergrösse geopfert haben. Von hier aus werden zwei Schlafzimmer, ein Bad und – über eine interne Treppe – die oberen Räume erschlossen. Darüber wird die Wohnung wieder zum Durchschusstyp: Parallel zum 17 Meter langen Wohn- und Essraum liegen hier Küche, Bad, Waschküche sowie die zwei Zimmer.

Anders der zweite Duplextyp: Man betritt ihn über einen weiten, grosszügigen Raum, der sich über zwei Fenster-achsen erstreckt. Die Nutzungsmöglichkeiten für diesen Raum sind offen: Man kann sich darin ein Fernsehzimmer, einen Fitnessraum oder auch ein grosszügiges Heimbüro vorstellen. An der Rückseite führt eine einläufige Treppe nach oben. Über sie gelangt man in eine Mittelzone, die zwei Schlafzimmer auf der einen vom offenen Wohn- und Essraum auf der anderen Seite trennt. Die gegensätzliche Orientierung der Haupträume im Eingangs- und Obergeschoss macht das Wohnen spannend, scheint aber bei Mieterinnen und Mietern auf wenig Interesse zu stossen: Lange blieben diese Wohnungen frei. Die Turmwohnungen in den Etagen vier bis sechs sind jeweils übers Eck orientierte Geschosswohnungen. Hier sind der weite Blick und die grosszügigen Balkone die Attraktion. Die unterschiedlichen Raumtiefen sind an der Fassadengestaltung ablesbar: Lochfassade für den Aufbau, raumhohe Fenster in den drei Geschossen des Riegels.

Ausgeklügeltes Geschäftsmodell

Das Prinzip der 30 Eigentumswohnungen von Novaron un- terscheidet sich grundsätzlich von den Mietwohnungen. Hier ist nicht die Vielfalt von Typologien auf engem Raum das Thema, sondern die vom Besitzer bestimmte Variante einer immer ähnlichen Grundrissvorlage. Unter dem Label ‹loftprojekt.ch› lancierten die Architekten zusammen mit dem Zürcher Generalunternehmer Halter 2003 einen Bautyp, den sie bis anhin in der Schweiz und in Österreich bereits dreizehnmal realisieren konnten. Die Idee ist einfach und marktorientiert: Wohnraum, bei dem die Käufer die Raumeinteilung und den Ausbaustandard selbst wählen. Die Rationalisierung beim Bauen und Planen eines jeweils ähnlichen Wohnungstyps senkt die Preise, man bekommt verhältnismässig viel Raum fürs Geld: 400 000 bis 890 000 Franken kosten in Winterthur die Lofts in der Basisvariante, 490 000 Franken kostet zum Beispiel ein 155 Quadrat- meter grosser Loft. Im Normalfall, also in Oberwinterthur, bestehen die Loftprojekt-Baukörper aus langen mehrgeschossigen Riegeln, in denen Treppenhauskerne jeweils zwei stützenfreie Wohnungen pro Geschoss erschliessen. Das Konzept ist pragmatisch: Die Abmessungen der Tiefgarage unter dem Haus bestimmen mehr oder weniger die maximale stützenfreie Gebäudetiefe von etwa zwölf Metern. Die Abstände der Stützen entlang der Längsfassade vari- ieren Am Eulachpark zwischen fünf und sechs Metern.

Edelrohbau für jedermann

Die Grundausstattung entspricht einem sogenannten Edelrohbau: Die Lofts besitzen in der Minimalvariante eine rohe Betondecke und einen Anhydrit-Unterlagsboden, eine bestimmte Anzahl raumhoher Lochfenster auf der einen Seite sowie eine Vollverglasung vor der tiefen Balkon-schicht auf der anderen. Im Preis inbegriffen sind je ein Standard-Küchen- und Standard-Badmodul. Den Rest bestimmt der Käufer und sein Budget. Ganz frei sind die Kunden aber in der Grundrissgestaltung nicht. Weil die Steigzonen immer entlang der Treppenhauswände verlaufen, liegen auch Küche und Bad immer links und rechts des Eingangs. Die Lage der Trennwände, der Lochfenster sowie den Ausbaustandard bestimmt der Käufer. Der Rohbau ist so vorbereitet, dass Bodenbeläge, Wände, Bad- und Küchenmodule ohne grossen Aufwand wieder zurückgebaut werden können. So kann bei einem Weiterverkauf oder einer bei einer Umnutzung, etwa von einer Wohnung in ein Büro, der Raum für wenig Geld an die Bedürfnisse der neu-en Nutzung angepasst werden.

Während Burkhalter Sumi versuchten, möglichst viele Grundrisstypen in einen Baukörper einzupassen, konzentrieren sich Novaron darauf, eine grosse Bandbreite an Grundrissen innerhalb eines Typus anzubieten. So reagieren beide Projekte unterschiedlich auf die noch offene Ausgangslage in Oberwinterthur. Denn in welche Richtung sich das Sulzer-Areal entwickelt und welche Art von Bewohner und Nutzer sich hier niederlassen wird, ist derzeit noch völlig unklar. Wie die Räume in zwanzig Jahren genutzt werden, weiss heute noch niemand. Deshalb sind die Grundrisse darauf ausgelegt, auf Schwankungen zu reagieren. Mit kleinen Eingriffen lassen sich beispielsweise die Geschosse der Duplexwohnungen voneinander tren- nen und von mehreren Parteien nutzen. Mit wenig Aufwand können die Wohnungen von Novaron in Büros umgenutzt werden. Dass es im Eulachpark bereits heute Studios für Studenten, Lofts für junge Doppelverdiener, Reihenhäuschen für Familien oder Wohnlandschaften für gut situierte Senioren gibt, hat sich ausbezahlt. Die Vermietung beziehungsweise der Verkauf lief erfolgreich. Das internationale Orthopädieunternehmen Zimmer zum Beispiel, dessen Hauptsitz sich in Gehdistanz auf dem Areal befindet, hat gleich mehrere der neuen Turmwohnungen für seine Kadermitarbeiter gemietet.

teilen auf

Für den Beitrag verantwortlich: hochparterre

Ansprechpartner:in für diese Seite: Roderick Hönighoenig[at]hochparterre.ch

Akteure

Architektur

Landschaftsarchitektur

Fotografie