Bauwerk
Erweiterung Schulzentrum
Mann & Capua architects - Borex-Crassier (CH) - 2007
Ballfänger und Blickfang
Ein Gittertragwerk, das ein 32 Meter langes Panoramafenster überspannt und gleichzeitig durch Hunderte von Öffnungen die Halle belichtet, außen ein zurückhaltender Glaskörper, der nachts leuchtet wie eine Laterne: Am Dorfeingang von Borex zeigen die Architekten Mann Capua Mann, wie aus einer gewöhnlichen Bauaufgabe eine einzigartige Sporthalle entstehen kann. Durch einen sensiblen Umgang mit der Umgebung und der geschickten Verbindung von Tragwerk und Architektur – auch wenn letztere nicht optimal ausgereizt wurde.
1. März 2009 - Manuel Joss
Borex und Crassier sind zwei kleine Gemeinden am Genfer See im französischsprachigen Teil der Schweiz. Die Lage inmitten von Feldern und Weinbergen und die abwechslungsreichen Licht- und Wetterstimmungen in der Nähe der großen Wasserfläche hat sie wie auch die anderen Dörfer der Gegend zu beliebten Wohnorten für Pendler werden lassen. Genf ist seit dem Autobahnbau in den sechziger Jahren nur eine halbe Autostunde entfernt. Die Bevölkerung von Borex-Crassier zum Beispiel hat sich seither auf rund tausend Einwohner vervierfacht und wächst kontinuierlich weiter, und damit auch die Schülerzahl.
Im Jahr 2004 schrieben die beiden Gemeinden einen Architekturwettbewerb aus, um die bestehende Turnhalle der Sekundarschule »Elisabeth de Portes« am Dorfrand von Borex mit einer Doppelturnhalle zu erweitern. Die beiden Klassentrakte der Schule aus den siebziger Jahren wurden bereits aufgestockt und die inzwischen vierhundert Schüler, die teils noch aus anderen Gemeinden hinzukommen, mussten für den Sportunterricht bislang auf etliche weitere Hallen in der Umgebung ausweichen. Zudem bestand eine große Nachfrage seitens der örtlichen Sportvereine.
Das Architekturbüro Mann Capua Mann aus Lausanne gewann den Wettbewerb mit einer sorgfältigen und zugleich zweckmäßigen Anordnung, die einen Geländesprung ausnutzt: Der Neubau schließt mit dem Sockel an die bestehende Halle an, das Glasvolumen übernimmt die Fluchten der alten Fassade. Beide Hallen zusammen bilden so am Dorfrand den Abschluss des uneinheitlichen Schulgeländes, auf dem auch ein Technikhaus und eine Mobilfunkantenne stehen. Zwischen dem Anbau und dem gegenüberliegenden Gebäude der Kinderkrippe ist ein neuer, grasbewachsener Platz entstanden. Von hier verlaufen Fußwege zu den Klassentrakten, die von der Straße aus durch Wohngebäude und einen Friedhof verdeckt werden.
Der neue Haupteingang führt in ein Foyer mit Blick in die neue Doppelhalle und mit einer Verbindung zur bestehenden Küche und Zuschauertribüne. Über die Treppe gelangt man hinunter zu den Umkleiden und zu den alten und neuen Sportflächen. In der neuen Halle dringt helles Seitenlicht durch das teilweise sichtbare Holztragwerk, zusammen mit den furnierten Holzplatten entstehen sich ständig ändernde, faszinierende Lichtstimmungen. Im Gegensatz zur Halle sind die Neben- und Erschließungsräume einfacher und kühler gehalten: Weiß gestrichene Wände und cremefarbener Kunststoffboden herrschen hier vor. Von außen betrachtet wirkt die Glasfassade mit den stehenden Profilen zurückhaltend, je nach Licht-verhältnis schimmert die Holzstruktur etwas durch und wenn sie abends beleuchtet ist, wird sie zum Blickfang am Dorfeingang.
Anreiz zum Sport
»Wir versuchen jeweils die Qualitäten des Ortes aufzudecken und für das Bauwerk auszunutzen«, erklären die Architekten Graeme Mann und seine Frau Patricia Capua Mann, die seit fast zwanzig Jahren in Lausanne ein Büro führen und vor allem Schul- und Sporthallen gebaut haben, die auf Wettbewerbserfolge zurückgehen. Während der Projekt- oder Wettbewerbsphase besuchten sie mehrmals den Ort und beobachten die bestehende Umgebung sehr genau.
Nachhaltig beeinflusst hat sie der Tessiner Architekt Luigi Snozzi, der an der EPFL (Eidgenössische Technische Hochschule Lausanne) unterrichtete und an der beide studiert haben. Er fordert stets eine vertiefte Auseinandersetzung mit dem Ort und seiner Geschichte und ist überzeugt, dass gerade in wild überbauten Gebieten von einem einzelnen und sorgfältig gestalteten Gebäude eine ordnende und identitätsstiftende Wirkung ausgehen kann.
Großen Einfluss auf die Gestalt der Halle hatten auch die Gedanken der Architekten über die künftigen Hauptnutzer, die elf- bis sechzehnjährigen Schüler: »Wir wollten einen ganz mit Holz ausgekleideten Innenraum schaffen, der eine freundliche und beinahe wohnliche Grundstimmung herstellt und einen starken Bezug zur Umgebung hat. Denn Sport ist eine willkommene Abwechslung im Schulbetrieb, aber gerade in der Pubertät stehen die Schüler der Entwicklung des eigenen Körpers noch unsicher und kritisch gegenüber und lehnen die sportliche Betätigung und den Wettstreit oft ab. Ein sinnliches Umfeld mit spannenden Ausblicken kann hier vermittelnd wirken.«
Stimmungsvolle Tragstruktur
Ein Kernelement des Projektes ist deshalb das stützenfreie Panoramafenster, das die ganze Hallenlänge von 32 Metern einnimmt. Es rahmt den Blick über die Felder und Baumreihen bis zu den fichtenbestandenen Hängen der Jurahügel, über die der Westwind häufig Regenwolken hertreibt.
Zu Beginn hatten die Architekten eine Tragstruktur aus Massiv- und Brettschichtholz und eine Fassade aus Holzbrettern vorgesehen, nicht zuletzt weil viele der am Schulkreis beteiligten Gemeinden große Wälder besitzen.
Die Idee für eine Fassade mit einem das Dach tragenden Gitterfachwerk»balken« kam erst bei der Überarbeitung: Im Gegensatz zu den üblichen Fachwerkträgern mit W-förmigen Diagonalstreben ergibt das Gitterfachwerk ein gleichmäßigeres Erscheinungsbild ohne beherrschende Symmetrien. Zwar kostete die davor angebrachte Glasschicht im Vergleich zu einer Holzfassade wesentlich mehr, dafür aber sind langfristig gesehen die Unterhaltskosten geringer, eine Holzfassade hätte sicher nach 25 Jahren erneuert werden müssen. Zudem entfielen so die ansonsten für die Belichtung notwendigen Oberlichter und das Gitterfachwerk bildet auf der Innenseite zugleich auch die Innenverkleidung.
Das Gitterfachwerk geht zurück auf den amerikanischen Holzbrückenbau des 19. Jahrhunderts. Der amerikanische Architekt und Ingenieur Ithiel Town erhielt 1820 ein Patent für eine Gitterfachwerkbrücke, die in der Folge oft gebaut wurde. Vorteile bestanden in der Verwendung von kurzen und gleich dimensionierten Holzstäben, die diagonal zwischen den beiden Randbalken befestigt wurden, für die Montage reichten lediglich angelernte Arbeiter.
Heutzutage wird dieses System selten verwendet, weil beim Zusammenschrauben viel mehr Handarbeit anfällt als bei normalen Fachwerkträgern. Auch in Borex-Crasier wurde die Fabrikation vor Ort in einem Zelt neben der Baustelle erwogen. Um eine höhere Genauigkeit zu erreichen, entschied sich das Holzbauunternehmen kurz vor Baubeginn aber für die Vorfertigung der Träger auf dem eigenen Werkgelände, ein Schwertransporter brachte die fertigen Fassaden- und Dachelemente in einer Wagenladung auf die Baustelle.
Das Gitterfachwerk überspannt aber nur über dem Panoramafenster die ganze Gebäudeseite, auf zwei weiteren Seiten ruht es auf Betonwänden, die die Lasten abtragen. Auf der vierten Seite, beim Übergang zur bestehenden Halle, wurde wiederum ein »herkömmlicher«, verkleideter Holzfachwerkträger angebracht. Auch wenn die »Leistung« und Raumwirkung des überspannenden Gitterfachwerks dadurch nicht gemindert wird – insgesamt betrachtet wirkt das hölzerne Tragsystem so aber eher inkonsequent. Zurückzuführen ist dies einerseits auf die örtlichen Gegebenheiten – zwei Gebäudeseiten liegen im Erdreich –, andererseits ist die Tragwerks- und Belichtungslösung erst sehr spät in der Überarbeitung entstanden. Nicht zuletzt aber handelt es sich um ein Bauvorhaben einer mittelständischen, ländlichen Gemeinde mit begrenzten Mitteln und nicht um ein Vorzeigeprojekt in einem Sportpark. Dieser Umstand ist auch an weiteren Details ersichtlich: Die Glasfassade wechselt an der schwer einsehbaren Gebäudeseite über dem Anbau in eine Blechverkleidung. Unentschieden wirkt die Haltung gegenüber dem bestehenden Gebäude: Dessen Betonsockel wird zuerst weitergeführt, wechselt dann aber rund um das Panoramafenster in eine weiße Metallverkleidung, auf der optisch der neue Glaskörper ruht. Von außen betrachtet wirkt hier der hervorgerufene Ausdruck eines neuen, unabhängigen Gebäudeteils zu gewollt.
Frischluft für den Hallensport
Ein natürliches Lüftungssystem sorgt beinahe ganzjährig für ein angenehmes Raumklima. Im begehbaren Zwischenraum der zweischaligen Fassade befinden sich automatisch gesteuerte Lüftungsklappen, die eine natürliche Querlüftung ermöglichen. Im Sommer schafft ein Luftzug zwischen Glashaut und Holzkonstruktion die entstehende warme Luft ständig nach draußen. Wird im Winter dann doch einmal die CO2-Konzentration zu hoch, kann eine mechanische Lüftung mit einem Wärmetauscher zugeschaltet werden. Diese befindet sich im Sockelbereich, saugt durch ein Gitter Luft an und bläst sie ins Halleninnere.
Verirrte Federbälle
Nach über einem Jahr in Betrieb äußern sich die Benutzer durchaus positiv. Die natürliche Belichtung sei das ganze Jahr hindurch hervorragend, erklärt ein Turnlehrer. Dank der industriell geätzten Glashaut wirft das Gitterfachwerk selbst bei starkem Sonnenschein keine ablenkenden Schatten auf den Boden, und wenn die Sonnenstrahlen am Nachmittag das Panoramafenster erreichen, können Storen gesenkt werden, die unter der Blechabdeckung verdeckt sind. Die Belüftung funktioniert auch an den in dieser Gegend sehr heißen Sommertagen einwandfrei und Kritik beschränkt sich auf das Fehlen eines härteren Prallschutzes, wie er etwa für Einzelübungen im Volleyball benötigt wird. Ab und zu verirren sich Federbälle und andere Wurfge-schosse zwischen dem Holzgeflecht hindurch in die Zwischenschicht, diese ist aber für Unterhaltszwecke begehbar.
Der Bau verlangte von den beteiligten Planern, Firmen und der Bauherrschaft einen großen und überzeugten Einsatz, aber das fertige Gebäude ist für alle ein Referenzobjekt geworden und hat inzwischen mehrere Auszeichnungen erhalten. Dass die Baukosten im Vergleich mit anderen Hallen im oberen Mittelfeld liegen, scheint zweifellos gerechtfertigt: Die unverwechselbare Halle leistet einen wertvollen Beitrag für die Identität des Ortes und ermöglicht Sportunterricht in einer einzigartigen Atmosphäre.
Im Jahr 2004 schrieben die beiden Gemeinden einen Architekturwettbewerb aus, um die bestehende Turnhalle der Sekundarschule »Elisabeth de Portes« am Dorfrand von Borex mit einer Doppelturnhalle zu erweitern. Die beiden Klassentrakte der Schule aus den siebziger Jahren wurden bereits aufgestockt und die inzwischen vierhundert Schüler, die teils noch aus anderen Gemeinden hinzukommen, mussten für den Sportunterricht bislang auf etliche weitere Hallen in der Umgebung ausweichen. Zudem bestand eine große Nachfrage seitens der örtlichen Sportvereine.
Das Architekturbüro Mann Capua Mann aus Lausanne gewann den Wettbewerb mit einer sorgfältigen und zugleich zweckmäßigen Anordnung, die einen Geländesprung ausnutzt: Der Neubau schließt mit dem Sockel an die bestehende Halle an, das Glasvolumen übernimmt die Fluchten der alten Fassade. Beide Hallen zusammen bilden so am Dorfrand den Abschluss des uneinheitlichen Schulgeländes, auf dem auch ein Technikhaus und eine Mobilfunkantenne stehen. Zwischen dem Anbau und dem gegenüberliegenden Gebäude der Kinderkrippe ist ein neuer, grasbewachsener Platz entstanden. Von hier verlaufen Fußwege zu den Klassentrakten, die von der Straße aus durch Wohngebäude und einen Friedhof verdeckt werden.
Der neue Haupteingang führt in ein Foyer mit Blick in die neue Doppelhalle und mit einer Verbindung zur bestehenden Küche und Zuschauertribüne. Über die Treppe gelangt man hinunter zu den Umkleiden und zu den alten und neuen Sportflächen. In der neuen Halle dringt helles Seitenlicht durch das teilweise sichtbare Holztragwerk, zusammen mit den furnierten Holzplatten entstehen sich ständig ändernde, faszinierende Lichtstimmungen. Im Gegensatz zur Halle sind die Neben- und Erschließungsräume einfacher und kühler gehalten: Weiß gestrichene Wände und cremefarbener Kunststoffboden herrschen hier vor. Von außen betrachtet wirkt die Glasfassade mit den stehenden Profilen zurückhaltend, je nach Licht-verhältnis schimmert die Holzstruktur etwas durch und wenn sie abends beleuchtet ist, wird sie zum Blickfang am Dorfeingang.
Anreiz zum Sport
»Wir versuchen jeweils die Qualitäten des Ortes aufzudecken und für das Bauwerk auszunutzen«, erklären die Architekten Graeme Mann und seine Frau Patricia Capua Mann, die seit fast zwanzig Jahren in Lausanne ein Büro führen und vor allem Schul- und Sporthallen gebaut haben, die auf Wettbewerbserfolge zurückgehen. Während der Projekt- oder Wettbewerbsphase besuchten sie mehrmals den Ort und beobachten die bestehende Umgebung sehr genau.
Nachhaltig beeinflusst hat sie der Tessiner Architekt Luigi Snozzi, der an der EPFL (Eidgenössische Technische Hochschule Lausanne) unterrichtete und an der beide studiert haben. Er fordert stets eine vertiefte Auseinandersetzung mit dem Ort und seiner Geschichte und ist überzeugt, dass gerade in wild überbauten Gebieten von einem einzelnen und sorgfältig gestalteten Gebäude eine ordnende und identitätsstiftende Wirkung ausgehen kann.
Großen Einfluss auf die Gestalt der Halle hatten auch die Gedanken der Architekten über die künftigen Hauptnutzer, die elf- bis sechzehnjährigen Schüler: »Wir wollten einen ganz mit Holz ausgekleideten Innenraum schaffen, der eine freundliche und beinahe wohnliche Grundstimmung herstellt und einen starken Bezug zur Umgebung hat. Denn Sport ist eine willkommene Abwechslung im Schulbetrieb, aber gerade in der Pubertät stehen die Schüler der Entwicklung des eigenen Körpers noch unsicher und kritisch gegenüber und lehnen die sportliche Betätigung und den Wettstreit oft ab. Ein sinnliches Umfeld mit spannenden Ausblicken kann hier vermittelnd wirken.«
Stimmungsvolle Tragstruktur
Ein Kernelement des Projektes ist deshalb das stützenfreie Panoramafenster, das die ganze Hallenlänge von 32 Metern einnimmt. Es rahmt den Blick über die Felder und Baumreihen bis zu den fichtenbestandenen Hängen der Jurahügel, über die der Westwind häufig Regenwolken hertreibt.
Zu Beginn hatten die Architekten eine Tragstruktur aus Massiv- und Brettschichtholz und eine Fassade aus Holzbrettern vorgesehen, nicht zuletzt weil viele der am Schulkreis beteiligten Gemeinden große Wälder besitzen.
Die Idee für eine Fassade mit einem das Dach tragenden Gitterfachwerk»balken« kam erst bei der Überarbeitung: Im Gegensatz zu den üblichen Fachwerkträgern mit W-förmigen Diagonalstreben ergibt das Gitterfachwerk ein gleichmäßigeres Erscheinungsbild ohne beherrschende Symmetrien. Zwar kostete die davor angebrachte Glasschicht im Vergleich zu einer Holzfassade wesentlich mehr, dafür aber sind langfristig gesehen die Unterhaltskosten geringer, eine Holzfassade hätte sicher nach 25 Jahren erneuert werden müssen. Zudem entfielen so die ansonsten für die Belichtung notwendigen Oberlichter und das Gitterfachwerk bildet auf der Innenseite zugleich auch die Innenverkleidung.
Das Gitterfachwerk geht zurück auf den amerikanischen Holzbrückenbau des 19. Jahrhunderts. Der amerikanische Architekt und Ingenieur Ithiel Town erhielt 1820 ein Patent für eine Gitterfachwerkbrücke, die in der Folge oft gebaut wurde. Vorteile bestanden in der Verwendung von kurzen und gleich dimensionierten Holzstäben, die diagonal zwischen den beiden Randbalken befestigt wurden, für die Montage reichten lediglich angelernte Arbeiter.
Heutzutage wird dieses System selten verwendet, weil beim Zusammenschrauben viel mehr Handarbeit anfällt als bei normalen Fachwerkträgern. Auch in Borex-Crasier wurde die Fabrikation vor Ort in einem Zelt neben der Baustelle erwogen. Um eine höhere Genauigkeit zu erreichen, entschied sich das Holzbauunternehmen kurz vor Baubeginn aber für die Vorfertigung der Träger auf dem eigenen Werkgelände, ein Schwertransporter brachte die fertigen Fassaden- und Dachelemente in einer Wagenladung auf die Baustelle.
Das Gitterfachwerk überspannt aber nur über dem Panoramafenster die ganze Gebäudeseite, auf zwei weiteren Seiten ruht es auf Betonwänden, die die Lasten abtragen. Auf der vierten Seite, beim Übergang zur bestehenden Halle, wurde wiederum ein »herkömmlicher«, verkleideter Holzfachwerkträger angebracht. Auch wenn die »Leistung« und Raumwirkung des überspannenden Gitterfachwerks dadurch nicht gemindert wird – insgesamt betrachtet wirkt das hölzerne Tragsystem so aber eher inkonsequent. Zurückzuführen ist dies einerseits auf die örtlichen Gegebenheiten – zwei Gebäudeseiten liegen im Erdreich –, andererseits ist die Tragwerks- und Belichtungslösung erst sehr spät in der Überarbeitung entstanden. Nicht zuletzt aber handelt es sich um ein Bauvorhaben einer mittelständischen, ländlichen Gemeinde mit begrenzten Mitteln und nicht um ein Vorzeigeprojekt in einem Sportpark. Dieser Umstand ist auch an weiteren Details ersichtlich: Die Glasfassade wechselt an der schwer einsehbaren Gebäudeseite über dem Anbau in eine Blechverkleidung. Unentschieden wirkt die Haltung gegenüber dem bestehenden Gebäude: Dessen Betonsockel wird zuerst weitergeführt, wechselt dann aber rund um das Panoramafenster in eine weiße Metallverkleidung, auf der optisch der neue Glaskörper ruht. Von außen betrachtet wirkt hier der hervorgerufene Ausdruck eines neuen, unabhängigen Gebäudeteils zu gewollt.
Frischluft für den Hallensport
Ein natürliches Lüftungssystem sorgt beinahe ganzjährig für ein angenehmes Raumklima. Im begehbaren Zwischenraum der zweischaligen Fassade befinden sich automatisch gesteuerte Lüftungsklappen, die eine natürliche Querlüftung ermöglichen. Im Sommer schafft ein Luftzug zwischen Glashaut und Holzkonstruktion die entstehende warme Luft ständig nach draußen. Wird im Winter dann doch einmal die CO2-Konzentration zu hoch, kann eine mechanische Lüftung mit einem Wärmetauscher zugeschaltet werden. Diese befindet sich im Sockelbereich, saugt durch ein Gitter Luft an und bläst sie ins Halleninnere.
Verirrte Federbälle
Nach über einem Jahr in Betrieb äußern sich die Benutzer durchaus positiv. Die natürliche Belichtung sei das ganze Jahr hindurch hervorragend, erklärt ein Turnlehrer. Dank der industriell geätzten Glashaut wirft das Gitterfachwerk selbst bei starkem Sonnenschein keine ablenkenden Schatten auf den Boden, und wenn die Sonnenstrahlen am Nachmittag das Panoramafenster erreichen, können Storen gesenkt werden, die unter der Blechabdeckung verdeckt sind. Die Belüftung funktioniert auch an den in dieser Gegend sehr heißen Sommertagen einwandfrei und Kritik beschränkt sich auf das Fehlen eines härteren Prallschutzes, wie er etwa für Einzelübungen im Volleyball benötigt wird. Ab und zu verirren sich Federbälle und andere Wurfge-schosse zwischen dem Holzgeflecht hindurch in die Zwischenschicht, diese ist aber für Unterhaltszwecke begehbar.
Der Bau verlangte von den beteiligten Planern, Firmen und der Bauherrschaft einen großen und überzeugten Einsatz, aber das fertige Gebäude ist für alle ein Referenzobjekt geworden und hat inzwischen mehrere Auszeichnungen erhalten. Dass die Baukosten im Vergleich mit anderen Hallen im oberen Mittelfeld liegen, scheint zweifellos gerechtfertigt: Die unverwechselbare Halle leistet einen wertvollen Beitrag für die Identität des Ortes und ermöglicht Sportunterricht in einer einzigartigen Atmosphäre.
Für den Beitrag verantwortlich: deutsche bauzeitung
Ansprechpartner:in für diese Seite: Ulrike Kunkel