Bauwerk

Ehemalige Stadtmühle
Hans Gangoly - Graz (A) - 1999

Grazer Glücksfall

Neue Häuser

Wohnen in einer denkmal- geschützten Mühle. Das klingt nach Antiquitäten ebenso wie nach Antiquiertheit. Wie es anders auch geht, zeigt eine jüngst zweifach preisgekrönte Revitalisierung in Graz von Hans Gangoly.

29. November 2000 - Franziska Leeb
Die alte Stadtmühle am Rechten Mühlgang hat ihre ursprüngliche Bestimmung in der Zwischenkriegszeit verloren. Eine Zeit lang wurde sie als Lager genutzt, und irgendwann schien das zentral gelegene Gebäude gar niemanden mehr zu interessieren. Albin Sorger nahm sich des leer stehenden Bauvolumens an und beauftragte im Jahr 1993 den Grazer Architekten Hans Gangoly, der für ihn bereits etliche Bäckereifilialen geplant hatte, mit der Umwandlung in ein möglichst profitables Wohnhaus.

Das Gebäude sollte entkernt und mit marktkonformen Zwei- oder Dreizimmerwohnungen gefüllt werden. Diese Pläne durchkreuzte jedoch das Denkmalamt, das die Stadtmühle nach der Einreichung des Wohnprojektes unter Denkmalschutz stellte. Manch anderer Architekt würde das als behördliche Schikane auslegen, Gangoly hat dies offenbar erst richtig angespornt. Was vorher als statisch und sicherheitstechnisch als Risiko erachtet wurde und daher entfernt werden sollte, nämlich die innere Tragstruktur aus Holzstützen und -balken, mutierte unter den neuen Bedingungen zum wichtigsten Entwurfskriterium. Eine kulturelle Nutzung wurde in Betracht gezogen, konnte aber mangels Finanzen nicht realisiert werden.

So kehrte man zurück zum Wohnprojekt, aber unter Berücksichtigung des Potenzials der alten Struktur und nach genauer Definition einer Zielgruppe. Loftartige Wohnungen für ein junges Publikum sollten realisiert werden. Bald stand auch fest, dass Flächenausbeutung und architektonische Qualität in diesem Fall keinesfalls vereinbar sind. Architekt und Bauherr entschieden sich für das Zweite - ein Engagement, das jüngst neben weiteren sieben Preisträgern mit dem Bauherrenpreis 2000 der Zentralvereinigung der Architekten Österreichs belohnt wurde.

Da die Errichtung von Balkonen nicht möglich war und auch sonst keine Freiflächen vorhanden waren, entschloss Gangoly sich dazu, die Wohnungen u-förmig um einen überdachten, aber nicht klimatisierten Hof zu gruppieren. Unter und zwischen den alten Holzbalken bietet nun ein von allen Bewohnern nutzbarer und fünf Geschoße hoher Luftraum eine einzigartige Atmosphäre.


Erschwinglicher Luxus

Auch in den Wohnungen selbst bleibt die alte Konstruktion nachvollziehbar und die Raumhöhe erhalten. Die Sanitäreinheiten gliedern die Grundrisse in verschiedene Bereiche, abgetrennte Zimmer gibt es keine.

Dass der aufwendige Umbau für die angestrebte Zielgruppe erschwinglich blieb, ist der Wohnbauförderung zu verdanken. Obwohl Grundrisse und Gesamtkonzept abseits des Üblichen sind, wurde eine Unterstützung gewährt. Und so sind es nicht junggebliebene Yuppies, die sich hier ihre schicken Lofts mit teuren Designermöbeln ausstatten, sondern junge Leute aus vor allem kreativen Berufsgruppen, für die solche Wohnungen in der Stadt sonst unerschwinglich wären. Es war ein privater Bauherr ohne besondere Erfahrung bei der Vermarktung von Wohnungen, der sich mutig auf dieses Projekt einließ. Der Erfolg gibt ihm Recht. Innerhalb von zwei Wochen gab es - ohne auch nur ein Inserat zu schalten - 140 Bewerbungen für 22 Wohnungen. Warum sich Profis unter den Bauherren, zum Beispiel die großen Bauträger, kaum über solche Projekte wagen, ist daher unerklärlich. Es allen recht machen zu wollen heißt schließlich, es niemandem wirklich recht zu machen.

Die Erfolgsgeschichte geht nun weiter. Auf dem Nachbargrundstück wird Gangoly das ehemalige Bediensteten-Wohnhaus der Mühle umbauen. Es wird andere Pluspunkte bieten als das Mühlengebäude wie Terrassen über dem Bach und ein nutzbares Dach und wird im Sinne einer Ensemblebildung städtebaulich und gestisch auf den ersten Umbau Bezug nehmen. Kurz vor Redaktionsschluss erreichte uns die Nachricht, dass die Revitalisierung der Stadtmühle im Rahmen des Piranesi-Preises, der jährlich für außergewöhnliche architektonische Leistungen in Mitteleuropa vergeben wird, mit einem Anerkennungspreis gewürdigt wurde.


[Architekt DI Hans Gangoly Volksgartenstraße 13/1, 8010 Graz, Tel.: (0316) 71 75 50 ]

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