Bauwerk

SKWB Schoellerbank
Jabornegg & Pálffy - Wien (A) - 2000
SKWB Schoellerbank, Foto: Jabornegg & Pálffy
SKWB Schoellerbank, Foto: Jabornegg & Pálffy

Bank aus Stahl, Dach aus Luft

Gegen etablierte Standards setzten sie wieder einmal auf eine eigenwillige Maß-Lösung: Jabornegg und Pálffy schufen beim Umbau des Schoellerbank-Hauptsitzes im Zentrum Wiens eine Leichtigkeit, die nachdrücklich kulturtopographische Akzente setzt.

3. Juni 2000 - Christian Kühn
Bauen und Zerstören gehören enger zusammen, als es manchen Architekten und Bauherren lieb ist. Man kann nicht bauen, ohne Bestehendes zu verändern, die Erde aufzureißen und den Horizont umzustellen. Gerade im historischen Stadtkern, wo in der Regel nichts anderes gewünscht ist als liebevolle Ergänzung, steht und fällt so manches Projekt mit der Frage, was abzureißen und was zu erhalten ist. Der Gebäudekomplex im Zentrum Wiens, in dem die SKWB-Schoellerbank ihren neuen Hauptsitz errichtet hat, ist ein solcher Fall.

Er besteht aus einem Vorderhaus an der Renngasse und einem Hinterhaus, das an den Hof des Schottenstifts grenzt. Durch Einbauten war diese klare Anlage im Lauf der Zeit zu einem Labyrinth geworden, das den Bedürfnissen eines modernen Bankgebäudes nicht mehr entsprach. Eine Möglichkeit wäre der Abriß des gesamten Innenlebens unter Erhaltung der Fassaden gewesen, ein Verfahren, mit dem beispielsweise der Hochholzerhof auf der Tuchlauben, der Hauptsitz der BAWAG, zu Tode saniert wurde. Das andere Extrem wäre die technische Aufrüstung des Bestandes im Rahmen einer vorsichtigen Entkernung gewesen.

Die Lösung, mit der die Architekten Jabornegg und Pálffy auf dieses Problem reagiert haben, besticht durch ihre klare Organisation. Der Bestand bleibt von den Fassaden weg bis zur Mittelmauer erhalten. In den erweiterten Zwischenraum wird ein rechteckiger, überdeckter Innenhof gesetzt, an dessen längeren Seiten die neuen Büroräume zu liegen kommen.
Die zwei Schmalseiten dienen der Erschließung: Auf der einen Seite verbindet ein schmaler Gang die Büros der jeweiligen Etage, auf der anderen Seite ist Platz für zwei Lift- und Sanitärtürme und ein äußerst großzügiges, zweiläufiges Treppenhaus. Eine zusätzliche Glasdecke über dem Erdgeschoß erlaubt es, die Eingangshalle ohne akustische Störungen für Veranstaltungen zu nutzen. Mit wenigen Linien verbindet dieser Grundriß bestehende und neue Teile wie selbstverständlich zu einem Ganzen.

Solche typologisch klaren, aber zugleich hochspezifischen Lösungen sind charakteristisch für die Arbeit von Jabornegg und Pálffy. Schon mit ihrem ersten größeren Bau, der Generali-Foundation in der Wiedner Hauptstraße, haben sie einen Raum für Kunstausstellungen geschaffen, in dem sich die Architektur nie in den Vordergrund spielt. Trotzdem hat der Besucher den Eindruck, Kunst an einem bestimmten Ort gesehen zu haben und nicht in einer weißen Schachtel. Der Erfolg der Generali-Foundation, die sich in den letzten Jahren zu einer der aktivsten Kunstinstitutionen Wiens entwickelt hat, verhalf Jabornegg und Pálffy zum Auftrag für die Ausstellungsarchitektur der Documenta X in Kassel. Sie entwickelten ein Konzept, das statt vieler kleiner Raumnischen großzügige Raumsequenzen vorsah.

Die geforderte Klimatisierung der Räume erreichten sie mit einfachsten Mitteln: Fensterdichtungen wurden entfernt, die Ausstellungswände so ausgeführt, daß sie für die nötige Luftzirkulation sorgten, und die bestehende Fußbodenheizung vorübergehend nicht durch einen Heizkessel, sondern durch den kalten Brauchwasserstrang geführt. In der Schoellerbank wird der Hof zur Wärmerückgewinnung genutzt, wodurch die notwendige Heizleistung für die neuen Büroflächen praktisch auf Null reduziert werden konnte.

Intelligentere Lösungen gegen etablierte Standards durchzusetzen ist freilich ein mühsames Unterfangen. In der Schoellerbank haben die Architekten zusammen mit ihrem Trag-werksplaner, Karlheinz Wagner, eine Konstruktion gewählt, die sich angesichts des engen Bauplatzes angeboten hat. Nur Liftkerne und Feuermauern sind aus Stahlbeton, Decken und Treppen dagegen aus Stahl konstruiert. Weil Stahl bei höheren Temperaturen seine Tragfähigkeit verliert, wird er üblicherweise mit brandhemmenden Materialien ummantelt. Die zweiläufige Stahltreppe der Schoellerbank - das einzige Fluchttreppenhaus im Gebäude - kommt ohne solche Maßnahmen aus: In einer Computersimulation konn- te nachgewiesen werden, daß bei einem Brand des übrigen Hauses die Temperatur der Stahlträger 90 Minuten lang nicht über den geforderten Grenzwerten liegen würde.

Durch das Offenlegen von Konstruktion und Material überträgt sich die Präzision des Stahlbaus auf den Raum. Neben Sichtbeton, Edelstahl und Glas finden sich in den Büroräumen Akustikplatten aus Ahorn. In der Glasdecke über der Eingangshalle kommen spezielle, mit Flüssigkristallen versehene Gläser zum Einsatz, die von einem matten auf einen transparenten Zustand umgeschaltet werden können.

Die visuelle Höhe des Raumes läßt sich damit zwischen fünf und 20 Metern regulieren. Bankschalter wird man in der Halle übrigens vergeblich suchen: Für die normalen Schaltergeschäfte, die in Zukunft großteils elektronisch abgewickelt werden, gibt es gerade noch einen kleinen Raum neben dem Eingang. In der Halle finden sich nur ein Empfangspult und einige Schiebewände für Veranstaltungen.

Eine technische Sonderleistung ist die Überdachung des Innenhofs. Statt Glas kommen hier pneumatische Kissen aus durchsichtigen Kunststoffolien zum Einsatz, die im Prinzip wie Luftmatratzen funktionieren. Weil die Folie im Vergleich zu Glas leicht und gegen Verformungen unempfindlich ist, kann auch die Unterkonstruktion wesentlich zarter ausfallen.
Die luftgefüllten Kissen werden durch Bögen aus Stahlprofilen in Form gehalten, die bei asymmetrischer Belastung durch Wind oder Schnee die entstehenden Kräfte über zarte Verbindungsglieder auf fünf horizontal liegende Seile von nur zwei Zentimeter Dicke übertragen, die mit je 18 Tonnen Zug vorgespannt sind.

Jabornegg und Pálffy sind die wichtigsten unsichtbaren Architekten Wiens: Weder die Schoellerbank noch die Generali-Foundation, noch der Umbau des Misrachi-Hauses am Judenplatz mit dem Zugang zu den Ausgrabungen unter dem Holocaust-Mahnmal, noch die großteils unterirdische Erweiterung des Künstlerhauses, die sie in den nächsten Jahren realisieren werden, hat eine Außenfassade.

In der kulturellen Topographie der Stadt werden sie trotzdem deutliche Spuren hinterlassen.

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