Bauwerk

Rehabilitationszentrum Engelsbad
Veselinovic-Resetarits - Niederösterreich - 2009
Rehabilitationszentrum Engelsbad, Foto: Wolfgang Leeb
Rehabilitationszentrum Engelsbad, Foto: Wolfgang Leeb

Der Sinn des langen Atems

Transparenz, Tageslicht und angenehme Aufenthaltsräume. Und das alles trotz engen Kostenrahmens. Die Sanierung samt Um- und Zubau des Engelsbades in Baden bei Wien.

28. August 2010 - Liesbeth Waechter-Böhm
Architekten brauchen einen langen Atem. Das zeigt einmal mehr die Sanierung samt Um- und Zubau des Engelsbades in Baden bei Wien. Dabei handelt es sich um ein Sonderkrankenhaus mit 124 Einzelzimmern (nach der Erweiterung), also eine Einrichtung, die hauptsächlich der Rehabilitation dient. Man würde meinen, eine solche Aufgabe bewegt sich innerhalb einer überschaubaren Größenordnung und könnte in wenigen Jahren bewältigt werden. Weit gefehlt, das Architekturbüro Veselinovic-Resetarits war seit 2001 mit diesem Projekt beschäftigt.

Damals, im Jahr 2001, fand ein geladener Wettbewerb mit drei Teilnehmern statt, den das Büro gewonnen hat. Mit gutem Grund, muss man nachträglich sagen, denn die ursprüngliche Substanz des Engelsbades umschloss einen großen Innenhof; und genau in den haben die beiden anderen Projektanten den geforderten neuen Bettentrakt hineingestellt. Veselinovic-Resetarits schlugen hingegen vor, diesen Bettentrakt als Brückenbauwerk über dem niedrigen Bestand – er enthält ein Therapiebad und ein großes Schwimmbad – zu errichten. So blieb der wunderbare Innenhof frei und erhalten, jetzt ist er von den Landschaftsplanern Cordula Loidl-Reisch und Anna Detzlhofer sogar besonders reizvoll bepflanzt.

Es war jedenfalls ein sehr langer Weg, und er verlief in zwei Etappen. Die erste um 2004/05, die zweite seit 2007. Der Bestand vom Ende der Siebziger-, Anfang der Achtzigerjahre war architektonisch zweifellos uninteressant, auch so schlecht belichtet, wie es Bauten ohne spezifische Ambition eines Architekten (Baukünstlers?) damals eben waren. Leider hat sich im Zuge der Um- und Zubauten auch herausgestellt, dass dieser Bestand so manche statische Negativüberraschung bereithielt. Es gab allerdings auch eine kleine, recht kuriose Besonderheit im Bestand: einen Pavillon von Joseph Georg Kornhäusel, der schon einmal abgerissen, aber dann originalgetreu wiederaufgebaut worden ist. Den haben die Architekten natürlich erhalten, durch eine transparente Spange mit dem Hauptgebäude verbunden, innen allerdings total entkernt. Denn drinnen gab esin bester Siebzigerjahre-Manier Raumhöhenvon etwa 2,20 Metern. Jetzt ist das Raumvolumen wieder erlebbar und durch Dachflächenfenster auch in wunderbares Tageslicht getaucht. Genutzt wird der Pavillon für therapeutische Fitnessprogramme, aber es gibt auch zwei Schwefelwasser-Wannen, abgeschirmt durch eine Schleuse, damit sich der Geruch nicht im gesamten Haus breitmacht.Immerhin: Das Engelsbad verfügt über eine eigene Schwefelwasserquelle.

An dieser Stelle müsste man fast einen historischen Exkurs einfügen, denn das Engelsbad ist geschichtsträchtiger Boden. Kornhäusel hat seinen Pavillon 1820 bis 1822 als antikisierenden Tempel gestaltet, drinnen war ein Bassin für 20 Personen mit geräumigen Ruheräumen. Die Liste der prominenten Gäste ist lang – sie wohnten meistens im benachbarten Sauerhof, zum Schwefelbaden kamen sie in den Kornhäusel-Pavillon. Die Rede ist von Carl Maria von Webern, Ludwig van Beethoven, Friedrich von Schlegel, Franz Grillparzer – und noch einigen mehr.

Veselinovic-Resetaric standen in der ersten Umbauphase vor der Aufgabe, den viergeschoßigen Bettentrakt der Substanz zu sanieren. Der hatte eine Eternitfassade in Beige – der gesamte Bestand war irgendwie in eine Tunke aus Beige und Braun getaucht –,er ist jetzt weiß. Nach außen sichtbar wurde zunächst nicht viel mehr gemacht, nur das Innenleben wurde saniert. Die großen Glasbaustein-Elemente, die der Fassade einen eigenen Rhythmus geben, sind glücklicherweise geblieben. Sie sind einfach eine wunderbare Reminiszenz.

In der zweiten Phase, also ab 2007, als es dann wirklich um ein Gesamtkonzept ging, hat man auch diesen Baukörper noch einmal überarbeitet. Und da wurden diesen – gemessen an heutigen Standards – etwas kleineren Zimmern Balkone vorgeschaltet. Ein Gewinn in jeder Hinsicht – vom Nutzerstandpunkt und optisch.

Der Bauherr, die BVA, die Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter, bezeichnet das Engelsbad, so wie es jetzt ist, als eines von vier Flaggschiffen, die es betreibt. Medizinisch ist man hier offenbar auf dem allerletzten Stand. Architektonisch lohnt es sich, einen genaueren Blick zu riskieren.

Die Architekten haben zunächst einmal das Notwendige gemacht. Und das betraf denBestand. Das Eingangsgebäude vorne zur Straße – mit einem von den Landschaftsplanern streifenförmig bepflanzten Vorplatz – ist jetzt ganz transparent. Glas hilft immer, da kann man sagen, was man will. Und drinnen ist die räumliche Lösung ein einziger Fluss. Sehr angenehme Aufenthaltsbereiche, mit Durchblick zum Restaurant. ZumInnenhof außerdem eine überdachte Terrassenlösung mit Rauchereck (sehr frequentiert), drinnen gibt es das nicht, in Zeiten der Raucherhatz möchte man natürlich konsequent sein. Auf diesem Eingangsgebäude, das zuvor nur einen Oberstock hatte, lastet jetzt der Aufbau eines Multifunktionssaals – der geteilt, aber auch zu einer großen Raumeinheit verbunden werden kann – mit angeschlossener Dachterrasse. Die gibt es übrigens auch beim neuen Bettentrakt über dem Schwimmbadkomplex des Bestands. Da haben die Architekten nicht nur eine Gemeinschaftsterrasse installiert, da sind im obersten Stock auch den Zimmern Freiräume zugeordnet.

Der Kostenrahmen war eindeutig sehr eng. Man konnte sich keine gestalterischen Maßnahmen leisten, die über das Notwendige hinausgingen. Terrazzofliesen auf dem Boden – Gussterrazzo wäre schon zu teuer gewesen – , Kautschukböden in den Therapiebereichen. Glas, wo immer möglich, alle Gebäudekomplexe sind jetzt wirklich von Tageslicht durchflutet, auch die Stiegenhäuser sind hell. Das Mobiliar stammt gewissermaßen von der Stange, obwohl ganz differenziert ausgesucht nach den Erfordernissen eines behindertengerechten Wohnens. Letzteres ist übrigens unheimlich aufwendig, wenn man genau hinschaut.

Die Architekten hatten zweifellos nur wenig Möglichkeiten, ihre eigene Formensprache einzubringen. Die Funktionen, die bewältigt werden wollten – und wurden –, standen eindeutig im Vordergrund. Der Hauch von Apfelgrün, den die neuen Bauteile jetzt in den öffentlichen Raum signalisieren – schon Kornhäusel hat Apfelgrün verwendet! –, das ist im Bundesdenkmalamt-geschützten Baden bei Wien vermutlich viel. Dort hätte man nach wie vor alles am liebsten in Schönbrunner Gelb gefärbelt.

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