Bauwerk

LKH Gmunden
fasch&fuchs.architekten - Gmunden (A) - 2009
LKH Gmunden, Foto: Michael Sprachmann
LKH Gmunden, Foto: Michael Sprachmann

Wie Finger am Rückgrat

Kann man einem Krankenhaus baulich Atmosphäre geben und Schwere nehmen? Das neue Klinikum Klagenfurt und das Landeskrankenhaus Gmunden. Ein Vergleich.

3. Juli 2010 - Karin Tschavgova
Klagenfurt hat ein neues Krankenhaus. Es ist kein Umbau, Zubau oder weiterer Pavillon im heterogenen Ensemble der Stationsbauten im Norden der Stadt – nein, hier ist (fast) alles neu seit Mai 2010.

Die Bezeichnung „Klinikum Klagenfurt am Wörthersee“ soll für sich sprechen, mit Rekonvaleszenz im Grünen oder Erholung am Wasser assoziiert werden und nicht mit „Spitalsgeruch“. Für das Land Kärnten und die Kärntner Krankenanstaltengesellschaft KABEG ist das neue Landeskrankenhaus ein Jahrhundert-Projekt. Es sollte Hotelcharakter haben und folgt damit einem generellen Trend im modernen europäischen Spitalsbau. Zugleich ist das neue chirurgisch-medizinische Zentrum ein hoch technisierter Großbetrieb, der mit 627 Betten beinahe die Hälfte der Klagenfurter Gesamtbettenzahl in einer funktionellen und baulichen Einheit konzentriert. Sein Standort bildet den nördlichen Abschluss des weitläufigen Krankenhausgeländes, das im letzten Jahrhundert auf 35 Pavillons und ein Wegenetz von zehn Kilometern angewachsen ist.

Eine mit drei Ebenen relativ niedrige kammartige Bebauung für Behandlung und Pflege bildet mit dem ebenfalls neu errichteten Wirtschaftstrakt eine lineare Einheit. Seiner Bedeutung entsprechend ist das neue Krankenhaus am Nordrand nun nicht der Ausgang, sondern das neue Entree in den Krankenhausbezirk. Über die neue Brücke der Glan kommend, die für den Neubau des CMZ an die Grundgrenze verlegt wurde, fährt nun der städtische Bus vor, entschwindet der im Auto anreisende Besucher in der Tiefgarage und betreten ambulante Patienten und Besucher über die Piazza unter einem riesigen Vordach das neue Haus.

Kärnten hat sich, anders als Wien beim aktuellen Projekt des Krankenhauses Nord in Wien Floridsdorf, für ein Finanzierungsmodell ohne private Partner und damit gegen ein PPP-Modell entschieden, wodurch die Entscheidungsgewalt über Bau und Betrieb beim Errichter bleibt. Den europaweiten Wettbewerb mit vorgeschaltetem Bewerbungsverfahren konnte eine Arbeitsgemeinschaft von Feichtinger Architectes aus Paris mit den Wiener Büros Priebernig, Müller-Klinger Architekten und Fritsch, Chiari & Partner für sich entscheiden. In ihrem Konzept sah die Jury die Forderung nach höchster Wirtschaftlichkeit bei zugleich hoher Aufenthaltsqualität erfüllt.

Tatsächlich gleicht das Klinikum einem in die Fläche ausgreifenden und dennoch kompakten Apparat, der in seinem auf den ersten Blick ablesbaren Ordnungsmuster Funktionslogik, Effizienz und störungsfreie Abläufe ausdrückt. Jeder Grundriss kann ohne Schritt zur Vereinfachung als Funktionsschema gelesen werden: Untersuchungs- und Behandlungsräume in den im Erdgeschoß gelegenen Ambulanzen bilden gemeinsam mit der zentralen Notaufnahme ein starkes Rückgrat, das durch eingeschlossene kleine Höfe aufgelockert und belichtungsoptimiert wird. Begleitet wird das von einer schnurgeraden Erschließung der teils über Galerien mehrgeschoßig verbundenen Magistrale, die im Erdgeschoß Wartezone, Orientierung und Verteiler in die Fachzentren ist und darüber im Südtrakt den Operationsbereich und gegenüber die Pflegestationen umfasst, die wie Finger an das Rückgrat andocken. Dazwischen öffnen sich Höfe – Themengärten genannt – die, um sie eindeutig zu charakterisieren und Orientierungshilfe zu sein, in ihrer Bodengestaltung und Flora auf je eine Farbe beschränkt wurden. Jedes der einheitlich nur mehr mit zwei Betten bestückten Krankenzimmer in den Pflegestationen orientiert sich zu einem dieser Höfe. Die „Finger“ der Pflegestationen sind als zweihüftige Baukörper ausgebildet, wodurch die Zimmer entweder Ost- oder Westsonne erhalten und durchgehend mit Sonnenschutz-Screens ausgestattet werden mussten.

Alle Funktionen sind sinnfällig gestapelt und zugeordnet, logisch verknüpft und kollisionsfrei gehalten. Neben der Magistrale für ambulante Patienten und internen Transport erschließt ein zweiter, leicht geschwungener Weg, der unmittelbar vom Eingang in die mehrgeschoßige Empfangshalle zu den Trakten zwischen den Höfen führt, die einzelnen Pflegestationen für Besucher und das Pflegepersonal. Die Qualität beider Erschließungen liegt in der Querung der Höfe, die beste natürliche Belichtung von Norden her ermöglicht.

Die Beschränkung auf wenige robuste Materialien im Inneren – Glas in massiver Stahlkonstruktion, Linoleum, Geländer aus dunklem Stahl und eine wandbündige Täfelung als Prallschutz –, auf die dominierende Farbe Weiß und äußerst sparsamen Farbeinsatz betont den Funktionscharakter des Gebäudes. Es wirkt elegant, aber zugleich etwas kühl. Auch die dunkelgraue Metallhaut, die konsequent alle Trakte überzieht, ist ungewöhnlich für ein Krankenhaus. Im hellen Licht eines Sommertages, als Hintergrund für Blüten und das Pflanzengrün der Höfe und als Gegenüber der Uferbepflanzung der Glan, gibt sie dem Krankenhaus eine ruhige Fassung. Ob sie auch ein stimmiger Hintergrund für graue Wintertage sein wird, muss bezweifelt werden.

Derart große Bauwerke mit so komplexen Anforderungen an Wirtschaftlichkeit und Funktionalität, an reibungslose Ver- und Entsorgung, Hygiene und Sterilität ähneln perfektionierten Maschinen, und es stellt sich die Frage, ob es überhaupt möglich ist, sie atmosphärisch aufzuladen und ihnen Bedeutungsschwere zu nehmen.

Mit der Erweiterung des Landeskrankenhauses Gmunden ist dem Büro fasch@fuchs. dieser Trapezakt gelungen. Ihre neue Akutgeriatrie mit Tagesklinik strahlt jene gelassene Heiterkeit aus, die vergessen lässt, wo man gelandet ist. Erreicht wurde das durch gar nicht sparsamen, aber sorgfältig differenzierten Einsatz von Licht, Farben und Holz und die unmittelbare Nähe und Aussicht aller Krankenzimmer auf den Therapiegarten auf dem sanft schrägen Dach der Tiefgarage. Die Architekten schaffen Aufenthaltzonen mit Wohnzimmercharakter und konnten durchsetzen, dass den großzügig verglasten Krankenzimmern ein gedeckter Balkon mit Sitzbank und Terrassendielen aus Holz vorgelagert ist – ein traditionelles regionales Bauelement.

Gemeinsame Qualität beider Krankenhäuser ist, dass sie lichtdurchflutet und offen wirken, dass sie reichlich Bewegungsflächen und differenzierte Aufenthalte bieten, Kontakt zum Landschaftsgrün ermöglichen und mit wunderbar gestalteten Gärten eine Bereicherung des Aufenthalts schaffen.

teilen auf

Für den Beitrag verantwortlich: Spectrum

Ansprechpartner:in für diese Seite: nextroomoffice[at]nextroom.at

Akteure

Architektur

Bauherrschaft
OÖ. Gesundheits- und Spitals AG

Tragwerksplanung

Landschaftsarchitektur

Fotografie