Bauwerk

Haus Rohner
Jürgen Stoppel, Georg Bechter - Lauterach (A) - 2006
Haus Rohner, Foto: Jürgen Stoppel
Haus Rohner, Foto: Jürgen Stoppel

Ein Haus kriegt eine Welle betoniert

Ein Vorarlberger Betonfabrikant bestellte bei den jungen Architekten Georg Bechter und Jürgen Stoppel ein Traumhaus aus Beton. Gelungen ist ein Experiment, das dem grauen Material ungeahnte Dimensionen verleiht.

31. Oktober 2009 - Martina Pfeifer Steiner
Sie waren noch nicht einmal mit ihrem Architekturstudium fertig, als Jürgen Stoppel und Georg Bechter eines Tages mit der Anfrage konfrontiert wurden: „Könnt ihr für uns ein Haus planen? Aber es muss eine Betonfassade sein!“ In seinem Betonwerk stellt Rochus Rohner, Bauherr in diesem Projekt, üblicherweise Betonsteine und Kanalrohre her, diesmal sollte es die Hülle seines eigenen Hauses sein.

Auf der Wunschliste, zusätzlich zum normalen Raumprogramm einer Familie mit drei Kindern, standen außerdem ein Blumengeschäft für seine Frau Barbara sowie eine kleine Einliegerwohnung. Herausfordernd ist auch die Lage in Lauterach, umzingelt von Autobahn und Straßenüberfahrt.

Mit einem L-förmigen, zweigeschoßigen Baukörper reagierten die Architekten auf die lärmbelastete Situation. Straßenseitig wird mit Nebenräumen und einigen wenigen Fenstern großflächig abgeschottet, nach Süden öffnet sich das Gebäude und macht Platz für eine geschützte Terrasse.

„Durch die flüssige Verarbeitung unterscheidet sich Beton grundsätzlich von allen anderen verwendeten Baustoffen“, meint Jürgen Stoppel versonnen, „wir haben über das Material und seine Möglichkeiten viel nachgedacht.“ In der Geometrie der Schalung verfestigt sich Beton sehr langsam. Damit ergibt sich die Möglichkeit, die Qualitäten des erstarrenden Materials zu nutzen.

Die Herstellung amorpher Betonplatten ohne aufwändige Matrizen oder Negativschalungen - das musste allerdings erst erfunden werden. Der erfahrene und experimentierfreudige Bauherr und die unbelasteten Architekturstudenten traten mit ihrem Projekt den Beweis an, dass mit gleichem Zeit- und Materialaufwand wie für konventionelle Betonfertigteile bewegte und unregelmäßige Oberflächen entstehen können.

In der Nebensaison stellten sie in der Werkshalle einen sechzig Meter langen und einen Meter breiten Schalungstrog auf. Abhängig von der Positionierung der Fenster wurden drei verschiedene Längen festgelegt und abgeschalt. Nach ungefährer Vorlage schraubte der Betonfachmann biegsame Sperrholzleisten in Wellenlinien auf das Schalungsbrett.

Betonguss mit Latexschalung

Und nun die Lüftung des Geheimnisses: Bevor der Beton sehr unregelmäßig in die präparierte Schalung floss, wurde ein weiches, elastisches Latexgewebe eingelegt. Aus der industriellen Schalung entstand am Ende ein plastisches Unikat, das am gemauerten und isolierten Haus wie eine herkömmliche vorgeblendete Fassade befestigt wurde.

Die aalglatte Oberfläche der Außenhaut mit ihrem voluminösen Schattenspiel spiegelt nicht nur die Leidenschaft der Bewohner zu ihren Berufen wider, sondern lässt fast vergessen, das Haus weiter zu entdecken. Drei markante Einschnitte in rot lackiertem Aluminiumblech durchbrechen den strengen Baukörper. Einer davon ist die Überdachung für Haustüre, Geschäft und Garage, die zeitweise etwas zweckentfremdet für Blumengestecke offen steht. Über dem Laden ist die hineingesteckte Loggia der Einliegerwohnung so angeordnet, dass die Privatsphäre beidseitig gewahrt bleibt.

Im Süden liegt der Wohnraum mit großzügigen Schiebefenstern, darüber befinden sich die Kinderzimmer und der Elternbereich. „Uns war wichtig, dass die Kinder nicht in ihren Kammern verschwinden, sondern dass sie einen großen, flexibel nutzbaren Bereich vorfinden, wo sie gemeinsam spielen können“, sagt Bauherrin Barbara Rohner. Zu diesem Zweck gibt es etwa die große Diele im ersten Stock. Dass seit kurzem ein Außen-Whirlpool das Atrium im ersten Stock ausfüllt, erstaunt die Architekten, zeigt aber deutlich, wie freudig die Möglichkeiten dieses Hauses angenommen und genutzt werden.

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