Bauwerk

Oberösterreichische Landesbibliothek
Bez+Kock Architekten BDA - Linz (A) - 2009
Oberösterreichische Landesbibliothek, Foto: Stephan Baumann
Oberösterreichische Landesbibliothek, Foto: Stephan Baumann
Oberösterreichische Landesbibliothek, Foto: Stephan Baumann

Sanierung und Erweiterung

25. November 2009 - afo
Zum einen handelt es sich bei dieser Bibliothek um eine Kulturinstitution von überregionaler Bedeutung, die selbstverständlich auch in ein dementsprechendes architektonisches Gewand gekleidet werden muss. Zum anderen ist mit dem zu erweiternden denkmalgeschützten Gebäude, der früheren Studienbibliothek, ein in der Stadt Linz wohlbekanntes und herausragendes Bauwerk aus dem Jahr 1930 schon ein Tenor gesetzt, den es aufzunehmen und weiterzuentwickeln gilt. Und schließlich ist der Anlass des Projektes nicht nur die einfache Ausdehnung der Bestände, sondern die inhaltliche Wandlung der Institution von der Magazinbibliothek mit eher archivarischem Charakter zur leser- und kundenorientierten Freihandbibliothek.

Formales Ziel für eine derartige Aufgabe muss es nach unserer Auffassung sein, einen Begleiter für den Altbau zu entwerfen, der zwar einerseits selbstbewusst seine Aufgabe hinsichtlich Funktion und Städtebau wahrnimmt, aber andererseits das Primat des Bestandes unangetastet lässt. Deswegen wird in der Formulierung des neuen Baukörpers bewusst nicht das additive Prinzip des Altbaues wiederholt, sondern die Erscheinung eines aus einem Stück gefertigten „Passstückes“ angestrebt. Dadurch wird eine Konkurrenzsituation zwischen Neu und Alt vermieden, das Neue bildet einen ruhigen Begleiter für das markante Altgebäude, es passt wie der Schlüssel zum bereits vorhandenen Schloss.
Die Form dieses Passstückes ergibt sich aus den Grundstücksgrenzen, den städtebaulich erforderlichen Abstandsflächen, sowie der hofseitigen Aussenkontur des Altbaues. Beide Bauteile werden direkt und ohne separate ‚Kopplungsstücke’ miteinander verbunden. Die Fügung von Alt und Neu wird durch die einschwingende Ecke an der Rainerstrasse, die Übernahme wesentlicher Proportionslinien und das Glasdach der Halle thematisiert. Unter dem Glasdach, in der Mitte des Hauses, an der wichtigsten Schnittstelle von Bestand und Zubau befindet sich ein vom bisherigen Innenhof abgeleiteter zenital belichteter Luftraum mit zentraler Infotheke.

An dieser Infotheke wird der Besucher, nachdem er den bestehenden Haupteingang passiert hat, in einer großzügigen Halle empfangen, hierher öffnen sich die Geschosse der Bibliothek galerieartig, hier können sich die Besucher orientieren und alle wichtigen Teile der Bibliothek auf kurzem Wege erreichen. In der Halle finden Ausstellungen, Lesungen und andere Veranstaltungen statt, an sie angelagert befindet sich die Leselounge, sowie die Ausleihe und der Schulungsbereich für das Publikum.
Der Altbau nimmt mit seinen Einzelräumen die Funktionen auf, die abgeschlossener Räume bedürfen, während der Neubau nahezu ausschließlich als Regalstellfläche dient. So kann die Grundrissstruktur des Altbaues erhalten bleiben und trotzdem dem Gesamtziel einer neuen, offenen Bibliothek entsprechen.
Drei charakteristische Räume des Altbaus erfahren, unter Beibehaltung Ihrer räumlichen Eigenschaften durch die Adaptierung an die neue Nutzung auch wesentliche Weiterentwicklungen:
Zum einen das historische Treppenhaus, das in Form und Funktion als zentrales Treppenhaus erhalten bleibt, durch die Situierung im Luftraum des Innenhofes aber freigestellt und somit allseitig erlebbar wird. Es wird selbst zu einem räumlichen Ausstellungsstück und wird in diesem Sinne durch das Kunstprojekt der Linzer Künstlerin Sabine Bitter gestärkt, welches in Fortführung des vom früheren Bibliotheksdirektor Konrad Schiffmann angeregten „Wessobrunner Gebets“, die drei weiteren Treppenhausfenster durch Kunstverglasung aufwertet und zu einem neuen Ganzen ergänzt.
Zum anderen wird der Bücherspeicher, ein entstehungszeittypisches „Hochregallager“ für Bücher, dem Publikum im Ganzen zugänglich gemacht. Durch die dort vorhandene doppelgeschossige Glasbodenkonstruktion, die räumliche Dichte und die direkte Anbindung an die neuen Lesebenen, entsteht für den Besucher ein sicher einmaliges Bibliothekserlebnis.
Schließlich wird aus dem früheren Festsaal der „Erlebnisraum Altes Buch“, der – nach wie vor – die wertvollen Barockschränke des ehemaligen Jesuitenkollegs enthält, für die er, bis in seine exakte geometrische Ausformung hinein, einstmals geschaffen wurde. Vom über die Zeit angehäuften Zierrat befreit ist dieser Raum, nunmehr ein allseitig weisses, abstraktes Raumvolumen, in welchem die Barockschränke solitäre Ausstellungsstücke sind. So wird einerseits die Wertschätzung für diese Objekte spürbar, ohne dass andererseits das Bewusstsein dafür verloren geht, dass die Schränke hier nicht an ihrem originalen Standort stehen.
In den Freihandbereichen, die sich im Alt- und im Neubau befinden und über einen Rundgang um das zentrale Atrium erschlossen sind, befinden sich neben den Regalen auch Leseplätze in unterschiedlicher räumlicher und funktionaler Qualität. Direkt an den Regalen sind Anleseböden zu finden, es gibt „neugierige“ Plätze mit Tischen direkt an den Galeriekanten der zentralen Halle, zurückgezogenere und ruhigere Plätze hinter den früheren Innenhoffenstern des Lesesaales und schließlich sehr kontemplative Plätze mit Ledersesseln im Rückbereich des Lesesaales mit Blick ins Grüne des Schillerparkes. Schließlich sind zwei abgeschlossene Räume für Gruppenarbeit vorgesehen, die das Angebot an Lesesituationen komplettieren. Durch diese Art der Zonierung der Funktionen entsteht eine vielseitig und individuell nutzbare, trotzdem in allen Bereichen ruhige und konzentrierte Bibliotheksatmosphäre.
Der zur Bibliothek gehörende Verwaltungsbereich wird in den Obergeschossen im Neubau Rainerstrasse angesiedelt. Er ist an der Fassade durch die drei auf den massiven Block aufgestellten Pfeilergeschosse deutlich ablesbar. Durch die sehr regelmäßige und schlanke Konstruktion sowie die nachts glimmende Beleuchtung gleicht er einer Laterne, die, über die Dächer der Nachbarbebauung hinweg auf die Landesbibliothek hinweist. Die Verwaltung ist direkt von aussen über den Personal- und Liefereingang Rainerstrasse erreichbar und somit von den Öffnungszeiten der Publikumsbereiche unabhängig.
Die geschlossenen Magazinbereiche sind vollständig im Untergeschoss des Altbaus, sowie den drei unterirdischen Geschossen des Neubaus untergebracht. Alle diese Magazine sind auf neuestem Stand der Technik klimatisiert und bieten, zusammen mit dem ebenfalls vorhandenen Tresor, optimale Lagerbedingungen und Sicherheit für die wertvollen Bestände der Bibliothek.

Die Fassadengestaltung folgt den gleichen Prämissen wie die Formulierung des Baukörpers. Sie verzichtet auf die am Altbau vorhandenen Schmuckformen und bezieht ihren Reiz aus einer ausgewogenen, im Dialog mit dem Altbau entwickelten Proportionierung und dem bereits am Bestandsgebäude verwendeten Natursteinmaterial Muschelkalk. Es entsteht eine kraftvolle Skulptur, die den Bestand angemessen ergänzt und eine selbstbewusste Präsenz im Stadtraum zeigt. Im Rückbereich der Halle wird der Fassadenstein auch ins Innere geführt und stärkt so den zwischenräumlichen Charakter des überdachten Innenhofes.
Der Terrazzoboden der Halle ist ebenfalls dem Duktus des Bestandsgebäudes entlehnt, verzahnt alt und neu miteinander und erzeugt eine warme, vornehme Atmosphäre.
Das Mobiliar aus Eichenholz vervollständigt den Dreiklang (Naturstein, Terrazzo, Holz) der wesentlichen Materialien um einen haptisch angenehmen, natürlichen Ton.
Der Detaillierungsgrad des Neubaus ist generell weitestmöglich reduziert, es entsteht ein eher abstraktes Gebilde, das mit den vorhandenen Schmuckdetails des Bestandes nicht in Konkurrenz tritt, sondern diese in Ihrer Wirkung unterstützt.

Mit der nunmehr fertiggestellten Sanierung und Erweiterung ist die OÖ. Landesbibliothek in der näheren Zukunft für ihre Aufgabe als Archivbibliothek des Landes Oberösterreich wieder gut gerüstet. Für die fernere Zukunft wurde bereits im Architektenwettbewerb ein zweiter Bauabschnitt mit vorgesehen, der es ermöglicht die ständig wachsenden Bestände in Archiven und Freihandflächen auch langfristig am angestammten Ort unterzubringen.
Wir wünschen dem gesamten Bibliotheksteam um Direktor Dr. Christian Enichlmayr viel Freude am Gebäude und gutes Gelingen für das neue Bibliothekskonzept. Den Besuchern wünschen wir informative und anregende Lesestunden in der neuen –alten – Oberösterreichischen Landesbibliothek. (Text: Architekten)

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Für den Beitrag verantwortlich: afo architekturforum oberösterreich

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