Bauwerk

Marktgemeindeamt Ottensheim
SUE Architekten - Ottensheim (A) - 2010

Auf Tuchfühlung gehen

Oft ist der Weg zu einem neuen Amtshaus lang und beschwerlich. Für zwei oberösterreichische Gemeinden hat sich die Mühe aber gelohnt.

4. Dezember 2010 - Anne Isopp
In Oberösterreich spricht man dieser Tage viel vom neuen Amtshaus in Ottensheim. Einige Umwege hat man gehen müssen, um zu dieser überzeugenden Lösung zu kommen: Ein unter Denkmalschutz stehender Eckbau wurde um einen Anbau ergänzt. Die weiße Putzfassade verbindet Alt und Neu zu einem harmonischen Ganzen, nur die fehlenden Gesimse und die viel größeren Fensteröffnungen unterscheiden den Anbau vom Haupthaus.

Alle Beteiligten, von der Bürgermeisterin über die Gemeindebewohner bis hin zu den Planern sind stolz darauf. Er ist einer von sechs Bauten, die am 12. November mit dem österreichischen Bauherrenpreis ausgezeichnet worden sind - der Preis wird von der Zentralvereinigung der Architekt-Innen Österreichs jährlich an Bauherren vergeben, die sich in besonderer Weise um die Baukultur verdient gemacht haben. Dass eine Gemeinde ihre Bauherrenrolle ernst nimmt, hat auch viel mit dem Selbstverständnis der Bürgermeisterin von Ottensheim, Ulrike Böker, zu tun. Sie ist überzeugt, dass es „eine Unkultur“ sei, die Verantwortung für solche wichtigen Projekte abzugeben. „Nur wenn wir hautnah dabei sind, dann sind die Entscheidung und das Resultat authentisch.“

Ruhig und zurückhaltend wirkt die weiße Fassade des neuen Amtshauses. Sie verrät nichts von der bewegten Zeit, die hinter ihr liegt. Die Bürgermeisterin dagegen erzählt gerne davon: Immerhin ist ihr politischer Werdegang sehr eng mit dem des Amtshauses verbunden. Lange hatte man sich in Ottensheim darum bemüht, an dem jetzigen Standort einen Neubau zu errichten. Das Denkmalamt aber ließ das Gebäude unter Schutz stellen. Bewegung kam in die Sache, als der Gemeinderat das Amtshaus 1997 an den Ortsrand verlegen wollte. Doch wie soll ein Ortskern belebt werden, wenn selbst das Gemeindeamt nicht mehr am Hauptplatz ansässig ist? Eine Gruppe engagierter Ottensheimer - darunter auch Böker - sprach sich in einem offenen Brief gegen den Umzug aus. Sie fanden viele Befürworter, gründeten eine Bürgerliste und zogen 1997 mit 20 Prozent in den Gemeinderat ein.

Vom Anbegin der sieben Jahre an, seit denen Böker nun Bürgermeisterin von Ottensheim ist, war das Amtshaus am Hauptplatz ein wichtiger Punkt auf ihrer Agenda. Das denkmalgeschützte Eckhaus sollte saniert, an die Bedürfnisse eines Gemeindeamtes adaptiert und um einen Anbau für den Gemeindesaal ergänzt werden. Die Gemeinde schrieb einen offenen Wettbewerb aus.

Architekten des Büros SUE aus Wien überzeugten die Jury mit ihrer Idee, den Saal nicht an den Bestand anzubauen, sondern ihn mitten auf den Hauptplatz über einer Tiefgarageneinfahrt zu platzieren. Sie hatten das Ansinnen der Gemeinde, ein offenes Amtshaus zu bekommen, sehr ernst genommen. Doch genau dagegen regte sich der Widerstand der Bevölkerung. „Es war eine meiner härtesten Zeiten als Bürgermeisterin“, erinnert sich Böker an die Tage, an denen das Siegerprojekt vorgestellt wurde und in aller Munde war. Die Architekten von SUE ließen sich durch die anfängliche Skepsis der Bevölkerung aber nicht entmutigen und arbeiteten einen Alternativvorschlag aus; der Grundstein für das heutige Gebäude gelegt. Christian Ambos, Michael Anhammer und Harald Höller von SUE haben mit großer Sensibilität das Haupthaus saniert, um einen Anbau ergänzt und zugleich viel Sorgfalt darauf verwendet dem neuen Gemeindezentrum die gewünschte Offenheit zu verleihen.

Lediglich ein paar Stufen trennen den Bürgersteig vom Gemeindesaal und vice versa. Nicht nur der Gemeinderat, auch Vereine und Privatpersonen können den Saal für Veranstaltungen oder Hochzeiten nützen. Die vier Meter lange Glasfassade lässt sich fast zur Gänze zurückschieben. Bei schönem Wetter, so erzählt Böker, halten Fußgänger an, setzten sich auf die Stufen und schauen zu. An solchen Tagen fließt der öffentliche Raum gleichsam in den Saal hinein und findet dann, quer durch eine ebenfalls verschiebbare Glasfront, Fortsetzung in den idyllischen Arkadenhof. Die Ottensheimer sind zu Recht stolz auf das neue Haus. Nach der Hauptplatzgestaltung durch Boris Podrecca im Jahr 2001 ist das neue Amtshaus ein weiteres sichtbares Bekenntnis der Gemeinde zur Baukultur.

25 Kilometer von Ottensheim entfernt liegt Wallern an der Trattnach, eine wachsende Gemeinde, die von ihrer Nähe zu Wels und Eferding sowie Bad Schallerbach profitiert. Auch hier hat man sich viele Jahre um den Bau eines Veranstaltungszentrums bemüht. Ein Jahr nach seiner Fertigstellung ist es zu einem neuen Wahrzeichen geworden. Auf dem Weg zum Hauptplatz fährt man direkt an dem golden glänzenden Gebäude vorbei. Die Architekten Schneider & Lengauer haben in Wallern bewusst den Kontrast gesucht. Der Bauplatz war so beengt, dass er so weit wie möglich ausgenutzt werden musste, erzählt Lengauer. Dadurch kommt die weit in den Straßenraum auskragende Form zustande: Durch das ausladende Obergeschoß und einen Erker konnten die Architekten zusätzlichen Raum für das Obergeschoß gewinnen. Dem Foyer merkt man die beengten Verhältnisse an, der eigentliche Saal aber kann bis zu 400 Leute fassen.

Belichtet wird der Saal über straßenseitige und ins Dach eingelassene Fensterbänder. Der Erker im Obergeschoß ist zu einem beliebten Aufenthaltsbereich in den Pausen geworden. Fast intim sind die Ausblicke, die man auf die gegenüberliegenden Wohnhäuser hat. Ursprünglich wollte der Gemeinderat von Wallern gemeinsam mit einem Privaten einen Veranstaltungssaal in Kombination mit einem bestehenden Gasthaus errichten. Die Baupläne und Verträge waren schon fertig, da scheiterte das Vorhaben an den vorzulegenden Sicherheiten der Privatperson. Zu eben dieser Zeit stand auch das traditionsreiche Gasthaus Schaich mitten im Ortskern zum Verkauf. "Man muss froh sein, wenn man ein funktionierendes Gasthaus im Ort hat, sagt Amtsleiter Rudolf Stich, „zwei Gasthäuser können nur schwer bei uns bestehen.“ So entschied man sich, das Gasthaus Schaich zu kaufen und um einen Veranstaltungssaal zu ergänzen, den Wettbewerb gewannen Schneider & Lengauer. Die goldene Fassade war natürlich das meistdiskutierte Thema: Das Gebäude sollte auch nach außen hin signalisieren, dass es etwas Besonderes für den Ort ist. Der Gemeinderat vertraute den Architekten. „Ein Architekt kann eben nur so gut sein, wie es der Bauherr zulässt“, sagt Erich Legnauer. „Wir spüren, dass das Klima für Baukultur in Oberösterreich langsam besser wird. Die Kommunen trauen sich wieder mehr zu.“

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